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La Pira und „seine Männer“

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Florenz, Anfang Juli Inmitten der großen Auseinandersetzung der linksradikalen italienischen Parteien untereinander, die durch das Stalin-Problem ausgelöst wurde, fand in Florenz der jährliche „Internationale Kongreß für Frieden und christliche Zivilisation“ statt. Auch in seinem Rahmen spielte die weltanschauliche Frage eine besondere Rolle, ist doch die christliche Zivilisation der Gegenpol jener gesellschaftlichen Ordnung, die der Kommunismus repräsentiert. Zwischen diesen beiden Polen gibt es, weltanschaulich gesehen, keine Koexistenz, wohl aber die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Vertretern der beiden entgegengesetzten Geistesrichtungen in gewissen Fragen. Als wichtigste unter ihnen kann wohl die des Friedens gelten. Der Initiator dieser Kongresse, der Florentiner Bürgermeister Prof. Dr. Giorgio La Pira — eine der festumrissensten Persönlichkeiten katholischer Politiker unserer Zeit —, ist ein überzeugter Anhänger des Gedankens der Zusammenarbeit aller, also auch der kommunistisch orientierten Menschen, wenn das Ziel dieser Zusammenarbeit die Erhaltung des Friedens ist. Deshalb versammelt er auch Vertreter der kommunistischen Länder um sich, allerdings im Rahmen anderer Aktionen, wie im Herbst vorigen Jahres, als er die Bürgermeister der Hauptstädte aller Länder, also auch die hinter dem Eisernen Vorhang, nach Florenz einlud.

Es gehören Phantasie und Optimismus dazu, diese weltanschaulich so scharf ausgerichteten, einander geistig bekämpfenden offiziellen' Persönlichkeiten mit Aussicht auf Erfolg zu einer Zusammenarbeit aufzurufen. Uebcr beides verfügt La Pira im reichen Maße. Kein Wunder, wenn man in seinem politischen, vor allem sozialpolitischen Wirken in mancher Hinsicht mystische Züge zu erkennen glaubt, aber trotzdem kann man ihm, dem Politiker, den Sinn für das Reelle nicht absprechen, eher könnte man von ihm sagen, daß er trotz seines großen Idealismus und Optimismus mit beiden Beinen auf der Erde steht. Denn er kennt das Leben, er kennt seine Probleme. Er kennt auch den Kommunismus als aktuelles Problem der Menschheit recht gut, als Wissenschaftler theoretisch, als Politiker praktisch. Auch Florenz war früher eine Domäne der in Italien überaus starken Kommunistischen Partei, er entriß ihr vor fünf Jahren diese Stadt und führt auch jetzt noch ein allseits respektiertes Regime. '

Schon vor den krisenhaften Zuständen, die bei den westlichen kommunistischen Parteien durch die Vernichtung des Stalinmythos entstanden sind, verkündete La Pira, daß die kommunistisch-sozialistische Epoche ihren Höhepunkt bereits überschritten habe und sich dem Ende nähere. In Italien selbst ist das feste Gefüge der Kommunistischen Partei jedenfalls ins Wanken geraten. Man rechnet in verhältnismäßig kurzer Zeit mit der Wiederherstellung der Einheit der sozialistischen Parteien. In persönlichen Gesprächen mit italienischen Politikern wird auf die Tatsache hingewiesen, daß in Italien nicht alle Kommunisten — Kommunisten sind, daß besonders die vielen Intellektuellen, die bei den Wahlen ihre Stimmen den Kommunisten zur Verfügung stellen und die zum beträchtlichen Teil eingeschriebene Mitglieder der Partei sind, nur deshalb der Bewegung angehören, weil sie nur auf diese Weise einen auch äußerlich wirksamen Protest gegen die heutige rückständige soziale Lage von Millionen Italienern einlegen können. Der Kern dieser Einstellung entspricht ungefähr auch dem Standpunkt La Piras, der sagt: Gebt den Aerm-sten Brot, schafft Lebensbedingungen, die diesen Millionen Menschen ein halbwegs menschenwürdiges Leben ermöglichen, und es wird keine kommunistischen Massenbewegungen mehr geben. '

Da es aber heute noch eine solche gibt, muß man nach La Piras Ansicht mit ihren Vertretern in den wichtigsten Problemen des Lebens, soweit Herzu bei ihnen eine Bereitschaft besteht, zutammenarbeiten. Und was könnte heute schon wichtiger sein als die Angelegenheit des Friedens? In dieser Frage, soweit es sich um die Erhaltung des Friedens handelt, kann es auch unter weltanschaulich scharf getrennten Menschen grundsätzlich keine unüberbrückbaren Gegensätze geben. Deshalb konnten auf den Florentiner Kongressen, die grundsätzlichen Entschließungen einstimmig angenommen werden.

Die Männer La Piras! Bei jedem Kongreß sind es zumeist andere, neue. Aeußerlich stellen sie eine recht bunte Gesellschaft dar, schon durch ihre verschiedenartige Rassenzugehörigkeit, sind doch hier alle fünf Erdteile vertreten. Manche unter ihnen sind Priester, zumeist katholische, manche auch fremder Rassen. Um die Vielfältigkeit der Kongreßteilnehmer anzudeuten, erwähnen wir in diesem Bericht nur die außerhalb Europas und Amerikas liegenden Länder, die zu diesem Kongreß Vertreter entsandt hatten: Aegypten, Aethiopien, Japan, Jordanien, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Israel, Libanon, Liberien, Libyen, Nigeria, Australien, Neuseeland, Syrien, Thailand, die Türkei, Vietnam. Einige außereuropäische Länder, so Afghanistan, Nepal, Pakistan und Belgisch-Kongo, ließen sich durch Beobachter — das letztere durch den sehr intelligenten Negerpriester Padre Alessio Kagame aus Ruanda Urunde, der schon durch seine wahrhaft athletische Figur auffiel — vertreten. Die Repräsentanten dieser Länder waren zumeist aktive Diplomaten, unter ihnen mehr als ein Dutzend Botschafter und etliche Minister. Ein Zeichen dafür, daß die Bedeutung dieser Veranstaltung von den Regierungen erkannt und entsprechend gewürdigt wurde. Nicht zuletzt auch durch den Heiligen Stuhl, der mit seiner Vertretung beim Kongreß den Bischof Monsignore Alberto C a s t e 11 i betraute. Das Land, dem die Rolle des Gastgebers zufiel, Italien, erwies dem Kongreß dadurch eine hohe Ehre, daß sein Staatsoberhaupt zu der Schlußsitzung persönlich erschien und in ihr eine großangelegte Rede hielt. Der Präsident der italienischen Republik, Dr. Giovanni G r o n c h i, hob in seiner Rede die positive Arbeit des Kongresses besonders hervor.

Worin bestehen nun die Früchte dieser Arbeit? Teils durch die Verpflichtung der an dem Kongreß teilnehmenden Persönlichkeiten für eine weitere intensive Arbeit für den Frieden, teils durch die Schaffung einer entsprechenden Atmosphäre und durch Anknüpfung persönlicher freundschaftlicher Kontakte der Teilnehmer untereinander und durch den gegenseitigen Austausch von Informationen, wird hier der Sache des Friedens ein wertvoller Dienst erwiesen. Daß man bei der Arbeit des Kongresses nicht allein bei Resolutionen bleiben will, sondern auch versucht, konkrete Fragen der internationalen Politik zu behandeln, konnte man an dem Beifall für den österreichischen Delegierten, der in seiner Rede unmißverständlich auf die Südtiroler Frage hinwies, erkennen. Der Wiener Vizebürgermeister Minister a. D. Lois W e i n-b e r g e r, der bei diesem Kongreß, wie auch schon bei den vorangegangenen, der Vertreter Oesterreichs war, vertrat entschieden den Standpunkt, daß den Kongreß die Lösung von Fragen, die europäische Völker direkt betreffen, zumindest in dem Maße interessieren müßte, wie die kleinsten strittigen Probleme der fernsten Weltteile, mit denen sich zu befassen der Kongreß immer bereit ist. Dies äußerte sich auch in einer heftigen Debatte über die Zypern-Frage zwischen den Delegierten Griechenlands, Großbritanniens und Aegyptens. Aber dieser im „Salone dei Cinquecento“ des Palazzo Vecchio ungewöhnliche Zwischenfall konnte die einstimmige Annahme der Resolutionen nicht beeinflussen. Interessant' ist an ihr schon deT Versuch der Definition der diesmaligen Kongreßdevise: „Geschichte und Prophetie“. Darüber sagt sie:

„Die Prophetie ist nicht die mythische Vorwegnahme einer idealen irdischen Gesellschaft. Sie ist das Urteil Gottes über alle menschlichen Gesellschaften, die in ihrer Begrenztheit und Endlichkeit keinen absoluten Wert darstellen. Die Prophetie ist nie an politische Götzen gebunden, die von der mysteriösen und immer siegreichen göttlichen Macht gestürzt und überwältigt werden. Die Geschichte ist keine unausweichliche Schicksal-haftigkeit. Sie ist das Werk des Menschen und seiner Freiheit, die jedoch erregt und in ihrer Endbestimmung festgelegt wird von Gott, der der Geschichte Sinn und Greifbarkeit verleiht. Geschichte ist die Erwartung des Gottes, der da kommen wird.“

Wenn schon diese Zeilen La Pira als den Verfasser dieser Resolution vermuten lassen, noch mehr ist das der Fall beim nächsten Punkt der Schlußemotion:

„Auch in den tragischsten und dunkelsten Augenblicken der Geschichte leuchtet das Licht der Prophetie immer als ein Stern der Hoffnung über den Schatten der Welt. Von Babylon aus können die Türme Jerusalems immer gesehen .werden. Und die Vision eines Weltfriedens ist als Werk der Gerechtigkeit die beständige Ankündigung aller Prophetien, die den Menschen das Verschwinden der Kriege auf der ganzen Erde versprechen. Die christliche Kultur hat immer als erleuchtende Quelle und als Ziel die Erreichung des Weltfriedens gehabt. Sie wird ihren belebenden Geist behaupten und ihre Aktion in der modernen Welt erweitern, je treuer sie dieser prophetischen und geschichtlichen Mission bleibt.“

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