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Gebet und Weltdienst

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835 Delegierte aus 302 Mlt-gliedskirchen, die 440 Millionen refornnatorische, orthodoxe, anglikanische und freikirchliche Christen vertraten, diskutierten mit 20 Vatikan-Vertretern über Ökumene.

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835 Delegierte aus 302 Mlt-gliedskirchen, die 440 Millionen refornnatorische, orthodoxe, anglikanische und freikirchliche Christen vertraten, diskutierten mit 20 Vatikan-Vertretern über Ökumene.

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Achtzehn Tage hat die 6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen auf dem noblen Campus der Universität von British Columbia in Vancouver (Kanada) das Thema „Jesus Christus, das Leben der Welt" diskutiert, um die Einheit der gespaltenen Christenheit und ein glaubwürdiges Zeugnis in unserer Zeit zu suchen. 900 Journalisten und Tausende von Besuchern verfolgten das Geschehen in der großen Turnhalle, Unzählige kamen zu den täglichen Gottesdiensten und den großen Feiern im Zelt, das Symbol war für das Kommen Gottes zu seinem Volk und für dessen Weg auf das Ziel zu, das der Kirche verheißen ist. Etwa alle sieben Jahre findet die Vollversammlung des 1948 in Amsterdam gegründeten ökumenischen Rates der Kirchen (Weltkirchenrat) statt.

Was ist das Ergebnis von Vancouver? Auf diese Frage kann ganz klar geantwortet werden: Die Ökumene hat die Einheit von Gottesdienst und Weltverantwortung entdeckt und ganz bewußt in ihr zu leben und zu wirken begonnen. Die Gottesdienste waren nicht nur Rahmen und Begleitung der Verhandlungen in den kleinen Arbeitsgruppen, in denen jeder Delegierte seine „Familie" zum persönlichen Gespräch und zur Sammlung der ersten Impulse fand, in den Themen- und Fachgruppen, in den Regionaltreffen und Ausschüssen und natürlich im Plenum selbst, das seine Arbeit kaum bewältigen konnte und viele Wortmeldungen unberück-sichtigt ließ: Noch nie hat eine Vollversammlung so intensiv und vielfältig Gottesdienste erlebt und zum Ausgangs- und Zielpunkt ihrer Arbeit gemacht.

Der Abendmahlsgottesdienst am Sonntag, 31. Juli, markierte einen Meilenstein in der Geschichte der Ökumene: Der anglikanische Primas, Erzbischof Runcie von Canterbury, konzelebrierte mit sechs ordinierten Vertretern anderer Kirchen, darunter zwei Pastorinnen. 3500 Christen aus aller Welt und vielen Kirchen empfingen das eucharistische Brot und den Kelch mit großer Bewegung. Daß die römisch-katholischen Christen zumeist und die orthodoxen durchweg noch nicht mitkommunizieren konnten, erinnert uns daran, daß die gemeinsame Glaubensbasis noch im Werden ist und daß nüchtern weitergearbeitet werden muß.

Der Leiter der vatikanischen Delegation, der Würzburger Bischof Scheele, brachte das Evangelienbuch zum Altar und übernahm die Lesung.

In der Liturgie dieses Gottesdienstes wurde das zweite wichtige Ergebnis von Vancouver sichtbar: Die fünfjährige Arbeit in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung war in Lima Anfang 1982 mit der Verabschiedung der drei „Konvergenzerklärungen" zu Taufe, Eucharistie und Amt zum Abschluß gekommen und liegt nun den Kirchen zur Stellungnahme und Beantwortung der Frage, ob sie sich in diesen Dokumenten mit ihren Glaubensaussagen wiederfinden können, vor.

Die Vollversammlung hat in überraschender Einmütigkeit und mit großem Nachdruck die Bedeutung dieser Arbeit und der bereits erreichten Ubereinstim-mung unterstrichen und entsprechende Schwerpunkte für die künftige Arbeit beschlossen. Die „Lima-Liturgie", eine exemplarische Konkretion der Aussagen über die Eucharistie, wurde ka-tholischerseits als das Optimum dessen bezeichnet, was heute erreichbar ist.

Es schien in Vancouver, als ob sich die vielfachen Probleme und Nöte der ganzen Welt wie in einem kleinen Dorf verdichteten. Viel Neues zum Zeugnis in einer gespaltenen Welt, zu den Schritten auf dem Wege zur Einheit, zur Partizipation, zum Leben in Gemeinschaft, zur Bedrohung des Friedens, zum Kampf für Gerechtigkeit und Menschenwürde, zum Lernen in Gemeinschaft und zu einer glaubwürdigen Kommunikation — das waren die acht seit langem vorbereiteten Problembereiche — war wohl nicht zu hören.

Aber Beten und christliches Handeln in der Welt sind nicht mehr zwei gegensätzliche Pole, sondern zutiefst miteinander verbunden. So hatte schon am Anfang der Generalsekretär des ökumenischen Rates, der dominikanische Methodistenpfarrer Potter, seinen Rechenschaftsbericht ganz in eine handfeste Auslegung des neutestamentlichen Bildes von den lebendigen Steinen (1. Petrus 2) eingebunden und gezeigt: Es geht nicht einfach nur um Politik, sondern um die Verantwortung der Christen für Frieden, Heilwerden und Einheit in ei-• ner immer stärker zerrissenen und gefährdeten Menschheit aus dem Zentrum heraus: Christus ist das Leben der Welt.

Die Vollversammlung hat die Atomwaffen so eindeutig wie^ noch nie zuvor eine christliche Versammlung als unmoralisch verurteilt, weil auch die Abschreckung mit einem Einsatz der Waffe im äußersten Falle rechnet. Sie hat den Frieden als unlösbar mit der Gerechtigkeit verbunden bezeichnet und handfeste Konsequenzen aufgezeigt.

Das Dilemma wurde deutlich, als nach der Verurteilung der amerikanischen Politik in Zentralamerika und vieler anderer westlicher Fehlhaltungen in der Afghanistan-Resolution nur sehr vorsichtige, für den die Situation der großen orthodoxen Mitgliedskirchen im sowjetischen Machtbereich bedenkenden Teilnehmer aber doch recht eindeutige Aussagen gemacht wurden.

Zuletzt wurde aus Briefen des Papstes und des Kardinals Willebrands deutlich, daß das Gespräch mit Rom keineswegs ins Stocken geraten ist. Im Gegenteil: Die Dialoge bilateraler und multilateraler Art zeigen unübersehbare Fortschritte in der Sache und lassen erhoffen, daß die (kleinere) Ökumene auch einmal mit dem größeren Teil der Christenheit neue Gemeinschaft im Glauben und in der tätigen Liebe finden wird.

Der Autor ist Vorstand des Instituts für Praktische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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