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Ökumenischer Bienenkorb

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Die ökumenische Zentrale in Genf gleicht einem Bienenkorb. Emsige Arbeit — nur unterbrochen durch das Klingelzeichen für die Kaffeepause in der weiträumigen Cafeteria — kennzeichnet den ganzen Betrieb. Dieses Bienenhaus steht zwar nicht am Waldrand, aber doch außerhalb der Genfer City in unmittelbarer Nähe zu den übrigen Gebäuden großer internationaler Organisationen. Das Büro für Evangelisation hält für mich ein fünfstündiges Arbeitsprogramm zur Begegnung mit verschiedenen Schlüsselpersonen des ökumenischen Rates der Kirchen bereit. Verschiedene Chefs sind unerreichbar. Sie befinden sich unterwegs in aller Welt. Der amerikanische Jesuit Father Dunne, der zur Hälfte von der römisch-katholischen Kirche bezahlt wird, wird eben zurückerwartet. Fräulein Feller führt mich durch die weite, lichte Eingangshalle in die verschiedenen Seitenflügel. Der Mitarbeiterstab des Referates für Kommunikation verschwindet eben in einem Konferenzsaal. Vom abgesonderten Bibliotheksgebäude geht es durch den gepflegten Garten zurück ins Haupthaus. Die zentrale Halle birgt eine Ausstellung mit Großphotos aus der Geschichte der Ökumene. Der mit Mahagoni ausgekleddete Konferenzsaal mit einem kunstvollen Bildteppich hüllt sich in Dunkel. Morgen wird er belebt sein. Der gesamte Stab wird zusammengerufen zu einer Standortanalyse und zur Aussprache über die Zukunft, in der eine engere Tuchfühlung mit der römisch-katholischen Kirche erwogen wird. Gleich vorn in der Ecke befindet sich die vierhundert Personen fassende Kapelle, in der nach verschiedenem Ritus regelmäßig zu Beginn einer Arbeitswoche Gottesdienst gehalten wird. Eine von den Gemeinden in der DDR gestiftete Orgel soll demnächst installiert werden. Das vier Meter hohe Holzkreuz bildet nicht nur die zentrale Aussage des Raujnes, sondern der ganzen Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Das Ökumenische Zentrum, das 1964 eingeweiht wurde, kostete nahezu 13 Millionen Schweizer Franken. Verschiedene Kirchen und Firmen haben namhafte Beiträge geliefert. Das Jahresbudget muß mit nur vier Millionen Schweizer Franken auskommen. Diese Geldmittel werden zu zwei Drittel von den Kirchen aus den USA aufgebracht. Die Eingänge der Mitgliedkirchen beruhen auf Freiwilligkeit. Eine Majorisierung wird durch das amerikanische Übergewicht nicht befürchtet. Hingegen wird die ökumenische Arbeit krisenanfälliger, falls die Mittel aus den Vereinigten Staaten von Amerika aus irgendwelchen Gründen plötzlich ausbleiben würden.

Verhältnis zum Vatikan

Pastor R. Groscurth ist lutherischer Pfarrer einer unierten Kirche und stammt aus Westfalen. Er gilt als Spezialist für „Glauben und Kirchenverfassung“. In diesem Referat werden besonders die Fragen behandelt, die sich aus dem Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche ergeben. Dr. Lukas Vischer, der als Beobachter am Zweiten Vatikanischen Konzil teilnahm, besitzt die Leitung dieses Referates. Die Tätigkeit der gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen Rom und Genf ist bekannt. Unter einer Unzahl von Bezeichnungen, zum Beispiel als sogenannte „Beobachterberater“, nehmen Katholiken an der Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Immer häufiger geschieht es, daß es auf regionaler Ebene zu einer vollen Teilnahme der römisch- katholischen Kirche kommt. Ein solches Beispiel bietet der Staat Washington. In sogenannten „Sandkastenspielen“ sucht man abzustek- ken, in welcher Weise die römisch- katholische Kirche voll mitarbėiten könnte. Würde die römisch-katholische Kirche jetzt als 233. Kirche dem ökumenischen Rat der Kirchen beitreten, so erhielte sie nach der heutigen Struktur wohl mehr als die Hälfte aller Sitze. Pastor Groscurth verwendet in diesen Zusammenhang das Wort vom „Elefanten im Porzellanladen“. An der „Front“ allerdings kommen die Gespräche rascher in Fluß, als man noch vor wenigen Jahren erhofft hatte. Es zeigt sich, daß es der römisch-katholischen Kirche leichter fällt, mit den einzelnen Kirchen Kontakte aufzunehmen. Pastor Groscurth rechnet nicht mit einem Papstbesuch bei der Vierten Vollversammlung des ökumenischen Rates in Uppsala, da er einen solchen als Engagement im ökumenischen Rat der Kirchen auslegen müßte. Es ist immerhin zu bedenken, daß es einem Katholiken noch anläßlich der vorletzten Vollversammlung in Evanston 1954 bei Strafe der Exkommunikation verboten war, teilzunehmen. Auf der anderen Seite macht Pastor Groscurth kein Hehl, daß nächt alle Gliedkirchen des ökumenischen Rates der Kirche Roms gewogen sind. Mit Spannung erwartet man die entsprechenden Vorschläge und Erwägungen im Sommerheft der wissenschaftlichen Zeitschrift des ökumenischen Rates der Kirchen „The Ecumenical Review“.

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