Reformationsjubiläum 2017: ökumenische Bewährungsprobe

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Das 500. Jubiläum der Reformation rückt näher. Die protestantischen Kirchen bereiten sich weltweit auf das große Ereignis vor und laden auch die anderen Kirchen dazu ein, das Jubiläum ökumenisch zu begehen. So auch in Österreich. In ihrem bereits vor einem Jahr veröffentlichten Aufruf "Evangelisch Kirche sein" betonen die Evangelische Kirche A.B., die Evangelische Kirche H.B. und die Evangelisch-Methodistische Kirche, dass die ökumenische Dimension unbedingt zum bevorstehenden Reformationsjubiläum hinzugehört. Ihre Einladung richtet sich nicht nur an den Bund der Baptistengemeinden und den Bund der Mennonitischen Freikirche in Österreich, sondern besonders auch an die römisch-katholische Kirche, die orthodoxen Kirchen und die übrigen im Ökumenischen Rat vertretenen Kirchen.

Von Kardinal Schönborn kamen zu Beginn des Jahres positive Signale. Auf dem traditionellen ökumenischen Empfang im Jänner drückte er seine Hoffnung aus, dass die Kirchen das Reformationsjubiläum 2017 tatsächlich gemeinsam begehen werden. Schließlich gelte es, gemeinsam Zeugnis von Christus abzulegen vor einer Welt, die nicht versteht, warum die Kirchen noch immer getrennt sind.

Ökumenische Stationen im 20. Jahrhundert

Tatsächlich handelt es sich um das erste Reformationsjubiläum nach dem zurückliegenden Jahrhundert der Ökumene. Erinnern wir uns an die wichtigsten Stationen der jüngeren Geschichte der ökumenischen Bewegung: 1948 wurde in Amsterdam der Ökumenische Rat der Kirchen gegründet, 1959 fand in Dänemark die erste Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen statt. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 öffnete sich die römisch-katholische Kirche der Ökumene - unumkehrbar, wie sie seither immer wieder betont hat. 1973 wurde auf dem Leuenberg bei Basel die Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa unterzeichnet, durch welche die Lehrgegensätze der Reformationszeit zwischen Lutheranern und Reformierten ihre kirchentrennende Bedeutung verloren haben. Heute gehören der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) die meisten lutherischen, reformierten, unierten, methodistischen und vorreformatorischen Kirchen Europas an. 1999 wurde in Augsburg die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre vom lutherischem Weltbund und dem Päpstlichen Rat zur Einheit der Christen unterzeichnet.

Ob es jedoch tatsächlich zu gemeinsamen Gedenkfeiern der getrennten Kirchen kommt, ist keineswegs gesagt, trotz verschiedener Initiativen auf internationaler Ebene. Nach wie vor besteht nämlich keine Einigkeit, ob es 2017 überhaupt etwas gemeinsam zu feiern gibt, oder ob nur ein gemeinsames Gedenken möglich ist. Soll die reformatorische Neuentdeckung des Evangeliums von der Rechtfertigung des Menschen allein durch den Glauben und die darin enthaltene Botschaft der Freiheit im Vordergrund stehen -oder die Geschichte der Spaltung der abendländischen Christenheit? Soll die Freude dominieren oder die Klage und das wechselseitige Eingeständnis von Schuld und Versagen?

Streit um evangelischen Grundlagentext

In jüngster Zeit haben die Spannungen zwischen den Kirchen in dieser Frage deutlich zugenommen. Stein des Anstoßes ist ein theologischer Grundlagentext, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im Juni veröffentlicht hat. Kaum war das Dokument mit dem Titel "Rechtfertigung und Freiheit" der Öffentlichkeit vorgestellt worden, hagelte es auch schon Kritik, und zwar aus ganz unterschiedlichen Richtungen.

Der evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann von der Universität Göttingen und sein Historikerkollege Heinz Schilling aus Berlin werfen den Autoren vor, nicht auf der Höhe der Reformationsforschung zu stehen, Geschichtsklitterei zu betreiben und den historischen Abstand zwischen dem 16. Jahrhundert und unserer Gegenwart nicht genügend ernstzunehmen. Die Kritiker scheinen offenbar zu übersehen, dass es sich bei dem EKD-Text nicht um ein Handbuch zur Reformationsgeschichte, sondern um den -durchaus respektablen -Versuch handelt, Grundaussagen reformatorischer Theologie Menschen von heute so zu vermitteln, dass sie mit Begriffen wie Rechtfertigung, Sünde, Glaube und Gnade etwas Sinnvolles anfangen können. Vielleicht spielt auch gekränkte Eitelkeit eine Rolle, weil Kaufmann und Schilling nicht der Ad-hoc-Kommission angehört haben, die von der EKD für diese Aufgabe eingesetzt worden ist. Scharfe Kritik kommt aber auch von römisch-katholischer Seite, allen voran von Kardinal Kasper, dem ehemaligen Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Ihn stört, dass das Reformationspapier der EKD die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 mit keiner Silbe erwähnt. Das Dokument sei daher ein ökumenischer Rückschritt. Der Tübinger Kirchenhistoriker Volker Leppin, Mitverfasser des EKD-Textes, hat diese Kritik als unbegründet zurückgewiesen. Der Hinweis des Dokuments "auf die römischkatholische Kirche, mit der die Rechtfertigungslehre zwar gemeinsam formuliert werden kann, aber kirchentrennende Differenzen über das Verständnis des Amtes und der Sakramente bleiben", sei eindeutig auf die Gemeinsame Erklärung von 1999 gemünzt.

Doch die katholische Kritik ebbt nicht ab. Wolfgang Thönissen, Leiter des Johann-Adam-Möhler-Instituts in Paderborn, wittert in dem Reformationstext der EKD "antikatholische Grundsätze" und versucht das Papier gegen das gemeinsame Dokument zum Reformationsgedenken auszuspielen, das die lutherisch/römischkatholische Kommission für die Einheit im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Auf Basis des EKD-Papiers seien gemeinsame Feierlichkeiten 2017 undenkbar. Thönissens Kollegin Johanna Rahner, die gerade den Lehrstuhl von Hans Küng in Tübingen übernommen hat, attestiert der Evangelischen Kirche in einem Interview mit der Zeit eine "konfessionelle Profilneurose". Es sei "lächerlich", wenn man Luther zum Erfinder der Demokratie, der Freiheit und der Toleranz stilisiere.

Bewährungsprobe auch für Papst Franziskus

Wer die selbstkritischen Texte liest, die von der EKD im Rahmen der Lutherdekade gerade zum Thema Toleranz veröffentlicht worden sind, kann sich über derartige Polemik nur wundern. Hier ist unmissverständlich von den Grenzen des Toleranzgedankens im Reformationszeitalter und von der Schuld der Reformatoren etwa gegenüber den Täufern die Rede.

Es hat den Anschein, als ob manche Vertreter der katholischen Theologie und der Amtskirche nach Vorwänden suchen, um sich der Herausforderung eines ökumenischen Reformationsjubiläums nicht länger stellen zu müssen. Sie besteht in der Frage, was die katholische Kirche möglicherweise der Reformation zu verdanken hat und was daher auch für sie 2017 ein Grund zum Feiern sein könnte. Das bevorstehende Jubiläum wird für die Ökumene zusehends zur Bewährungsprobe -übrigens auch für Papst Franziskus, auf den doch die Katholiken auch in ökumenischen Fragen so große Hoffnungen setzen. Als Protestant darf man gespannt sein, ob er diese Bewährungsprobe besteht.

| Der Autor ist Professor für Systematische Theologie H.B. an der Evangelisch-Theol. Fakultät der Universität Wien |

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