Stolperstein Petrusamt

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Die ökumenische Bilanz des Pontifikates von Johannes Paul II. fällt nicht eindeutig aus. Die zentralen Themen sind von ihm selbst ins Gespräch gebracht worden. Aber hat es in den Grundfragen Aufbruch und Verständigung gegeben?

Die evangelischen Kirchen reagieren mit Betroffenheit auf den Tod von Johannes Paul II. Sie teilen die Trauer der römisch-katholischen Christinnen und Christen um einen Papst, der sich mit ganzer Kraft für eine innere Stärkung der Kirche und für ihren glaubwürdigen Dienst in der Welt eingesetzt hat. Wie kaum einer seiner Vorgänger hat er sein Amt pastoral verstanden. Wenn er in Jerusalem zum Frieden mahnt, in Guatemala zur Gerechtigkeit, wenn er gegen den Irakkrieg auftritt und für den umfassenden Schutz menschlichen Lebens - er wird nicht nur gehört als Bischof von Rom oder Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, sondern als Vertreter der Christenheit gesehen.

Die ökumenische Bilanz dieses Pontifikates ist in der Tat beeindruckend. Abschließende Urteile sind wohl noch nicht möglich. Neben nachhaltigen Aufbrüchen und vielfältigen positiven Signalen stehen irritierende Botschaften und Taten, die eine andere Sprache sprechen. Bleiben wir bei den Aufbrüchen:

Rechtfertigungslehre

Im Verhältnis der christlichen Kirchen zueinander und im Gespräch der Religionen hat Johannes Paul II. bahnbrechende Schritte gesetzt. Er war der erste Papst, der in einer evangelischen Kirche Gottesdienst feierte, der erste, der eine Synagoge besuchte, der erste, der an der Klagemauer und in einer Moschee betete. Für die Evangelischen hierzulande ist der Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Salzburg im Rahmen des ersten Österreichbesuches des Papstes 1983 unvergesslich.

Nicht selten haben Evangelische Johannes Paul II. im Kreis kritischer Katholiken verteidigt, was verständlich ist, weil sie sich auf diese ökumenischen Initiativen konzentrieren konnten, ohne die dogmatischen und ethischen Engführungen mitmachen zu müssen, für die der Name Johannes Paul II. ebenso steht und die aufgrund des päpstlichen Lehramts innerkatholisch Verbindlichkeit beanspruchen.

Bei seinem Besuch in Deutschland 1980 setzte er einen entscheidend wichtigen Schritt für das evangelisch-katholische Gespräch im Rahmen der ökumenischen Bewegung, indem er ermöglicht hat, die gegenseitigen Lehrverurteilungen der Reformationszeit gemeinsam neu zu prüfen und soweit wie möglich aufzuarbeiten. Dieser Weg hat eine neue Grundlage des ökumenischen Gesprächs geschaffen, auf der es zur "Gemeinsamen Erklärung der Rechtfertigungslehre" kommen konnte, deren Unterzeichnung im Jahr 1999 von Johannes Paul II als "Meilenstein" apostrophiert wurde.

Auf dass sie eins seien...

Die wichtigste Vorgabe des ökumenischen Gesprächs hat Johannes Paul II. dadurch gesetzt, dass er sein eigenes Amt ins Zentrum der Auseinandersetzungen rückte. Er war sich dessen bewusst, dass gerade das Petrusamt im Zentrum der ökumenischen Aufmerksamkeit steht. Dazu nimmt er eine Äußerung von Paul VI. auf, der 1967 in einer Ansprache vor dem Sekretariat zur Förderung zur Einheit der Christen gesagt hat: "Der Papst, wir wissen es, ist zweifelsohne das größte Hindernis auf dem Weg der Ökumene." Johannes Paul II. hat dies aufgegriffen und in der Ökumeneenzyklika "Ut unum sint" aus dem Jahr 1995 die folgenreiche Aufforderung ausgesprochen: "Als Bischof von Rom weiß ich sehr wohl, und habe das in der vorliegenden Enzyklika erneut bestätigt, dass die volle und sichtbare Gemeinschaft aller Gemeinschaften, in denen Kraft der Treue Gottes sein Geist wohnt, der brennende Wunsch Christi ist. Ich bin überzeugt, diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu haben, vor allem wenn ich die ökumenische Sehnsucht der meisten christlichen Gemeinschaften feststelle und die an mich gerichtete Bitte vernehme, eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet" (uus, 95).

Frage der Lehrvollmacht

Für das Ziel dieser modifizierten, eventuell sogar neuen Form der Primatsausübung ergeht die Einladung zum Gespräch in Frageform: "Könnte die zwischen uns allen und bereits real bestehende, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft nicht die kirchlichen Verantwortlichen und ihre Theologen dazu veranlassen, über dieses Thema mit mir einen brüderlichen, geduldigen Dialog aufzunehmen, bei dem wir jenseits fruchtloser Polemiken einander anhören könnten, wobei wir einzig und allein den Willen Christi für seine Kirche im Sinn haben und uns von seinem Gebetsruf durchdringen lassen: Sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast' (Joh 17,21)?" (uus, 96). Seine Überzeugung von der zentralen ökumenischen Bedeutung des Papstamtes bestätigte er noch vor dem Angelus am 20. Februar 2005, als er sagte: "Das Petrusamt ist im Wesentlichen Dienst an der Einheit der Kirche."

Der entscheidende Punkt ist, ob das Papstamt auf göttlichem Recht beruht. Wenn so Lehrvollmacht und Jurisdiktionsprimat über die gesamte Kirche postuliert werden, kann es keine Verständigung mit Evangelischen über einen Petrusdienst geben. Damit spitzt sich die Frage zu, ob die Positionen des I. Vatikanischen Konzils im Licht der ekklesiologischen Vorgaben des II. Vatikanums und vor allem der Ökumeneenzyklika von 1995 modifizierbar sind.

Diese Frage richtet sich an die römisch-katholische Schwesterkirche. Nach evangelischem Kirchenverständnis ist ein zentrales Leitungsamt nicht notwendig. Dennoch verdient die Einladung zur gemeinsamen Diskussion des Petrusamtes Hochachtung und ernsthafte Diskussion. Dabei werden die Grenzen deutlich. Wenn es nämlich nur um ein eher repräsentatives Amtsverständnis, um Formfragen der Primatsausübung gehen sollte, die den Jurisdiktionsprimat und den Unfehlbarkeitsanspruch unverändert lassen, bleiben die grundsätzlichen Fragen ausgeblendet. Die Perspektive einer schonenden Auslegung dieses Prinzips genügt durchaus nicht, weil sie die Unterschiede im Amts- und Kirchenverständnis eher zudeckt, als offen zu bearbeiten.

Chancen ausschöpfen

So fällt die ökumenische Bilanz des Pontifikates von Johannes Paul II. nicht eindeutig aus. Gerade im Grundsätzlichen. Die zentralen Themen sind von ihm selbst ins Gespräch gebracht worden. Aber hat es in den Grundfragen Aufbruch und Verständigung gegeben? Ist es nicht realistischer, die Ökumene konzentriert sich auf die neuen Maßstäbe, die sowohl mit der Ökumeneenzyklika wie auch mit dem Ökumenischen Direktorium gesetzt wurden? Da wurden ökumenische Chancen aufgezeigt, die bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. "Gusseiserne Definitionen der Dogmatik und sperrige Botschaften" (so Manfred Kock) werden nicht weiterführen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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