Auch die Priesterin ist ehrenamtlich

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Klein, bunt und - was das Pfarrgebiet betrifft - riesig ist die Wiener anglikanische Gemeinde. Hier wurde kürzlich Österreichs erste Priesterin geweiht.

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Klein, bunt und - was das Pfarrgebiet betrifft - riesig ist die Wiener anglikanische Gemeinde. Hier wurde kürzlich Österreichs erste Priesterin geweiht.

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Ökumenische Begegnung mit dem österreichischen Zweig der anglikanischen Kirche ist auf zwei Arten möglich. Die "Christuskirche" im dritten Wiener Gemeindebezirk steht jeweils am Sonntag, Mittwoch und allen Festtagen den Besuchern offen. Doch über den kleinen Kreis von Anglikanern in Wien hinaus übt das "Church Shop" seine Anziehungskraft aus: In der Salesianergasse 20, unweit der Kirche, betreibt die anglikanische Pfarre ein Geschäft, in dem wunderschöner Hausrat und elegante Kleidung angeboten werden - aus zweiter Hand.

Das "Church Shop" öffnet gleich mehrere Türen zum Verständnis der lokalen anglikanischen Gemeinde. Ganz vordergründig erinnert es an die im angelsächsischen Bereich verbreitete phantasievolle Gestaltung des Kirchenbudgets durch Fundraising. Viele Waren gelangen in den Laden, wenn ein Gemeindemitglied seinen Haushalt in Wien auflöst. Die Zugehörigkeit zur Pfarre fluktuiert stark. Viele Anglikaner sind als Geschäftsleute, Botschaftsangehörige oder UNO-Mitarbeiter nur vorübergehend in Wien.

Größer als Österreich Das Gebiet der anglikanischen Pfarre von Wien umfaßt eine ansehnliche Fläche: ganz Österreich, Slowenien, Kroatien und die Slowakei. Etwa dreihundert Familien halten regelmäßig Kontakt mit der Gemeinde, die tatsächliche Zahl der Gläubigen kann allerdings nicht einmal grob geschätzt werden.

Aus zwanzig Nationen rekrutiert sich die Gemeinde. Den größten Anteil stellen nigerianische Staatsbürger - ein deutliches Indiz, daß die anglikanische Kirche nicht bloß eine britische Erscheinung ist, naturgemäß aber in den Ländern verwurzelt ist, die durch historische Zugehörigkeit zum ehemaligen britischen Empire verbunden waren und sind.

Einen festen Kern bilden jene, die sich durch Heirat in Österreich niedergelassen haben. Die Hauptverantwortung für die anglikanische Seelsorge in Wien trägt Pfarrer Jeremy Peake. Er ist dem Bischof von Europa mit Sitz in London, John Hind, unterstellt.

Zum anglikanischen Pfarrgebiet von Wien gehören weiters Kongregationen in Klagenfurt, Ljubljana, Zagreb und Bratislava. In Innsbruck ist ein altkatholischer Pfarrer für die Betreuung westösterreichischer Anglikaner zuständig.

Priesterin für Wien Vor kurzem waren die österreichischen Anglikaner in den Medien präsent, ihre Pfarrkirche wurde zum Schauplatz eines für Österreich historischen Geschehens: Zum ersten Mal empfing eine Frau die Priesterweihe.

Sally Ursula Wells, eine Australierin, ist 57 Jahre alt und verheiratet. Ihr britischer Ehemann Andrew nahm vor acht Jahren eine Position als Jurist in der Wiener UNO-City an. Seither arbeitet Sally Wells, Mutter von drei erwachsenen Töchtern, in der anglikanischen Pfarre von Wien mit.

Die Weihe wurde von Bischof Jeffery Rowthorn, Beauftragter des Erzbischofs von Canterbury, durch Handauflegung und Salbung vollzogen. Am Festgottesdienst nahm auch der altkatholische Bischof Bernhard Heitz teil: die altkatholische Kirche steht in enger Gemeinschaft mit den Anglikanern. Unter den Ehrengästen befanden sich der armenische Erzbischof von Wien, Mesrob Krikorian, sowie der evangelische Superintendent Werner Horn.

Hausbesuche, Ökumene Sally Wells wird ihre Tätigkeit als Priesterin ehrenamtlich ausüben. Als ihre Aufgaben zählt sie auf: Die Leitung der Eucharistiefeier, also des Gemeindegottesdienstes, Hausbesuche, die Sorge um kranke Gemeindemitglieder, die sich im Spital befinden und die Pflege ökumenischer Beziehungen. Diese liegen ihr besonders am Herzen. "Auf dem Gebiet der Kontakte zwischen den Glaubensgemeinschaften tut sich heute sehr viel Spannendes", erzählt sie. Dies zu verfolgen und zu fördern hält Frau Wells für ungemein wichtig.

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