Nicht mehr dieselbe Sprache

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In der Frage der Homosexualität geht weltweit ein Riss durch die anglikanische Kirche. Im Mutterland will die Church of England ab 2011 Frauen zum Bischofsamt zulassen.

Der Bischof lud zum Festbankett. Zum Abschluss der Frühjahrstagung der führenden Vertreter der weltweiten anglikanischen Kirche hatte Bischof Peter Akinola aus Nigeria am vergangenen Donnerstag etwas zum Feiern: Soeben hatte die Versammlung den liberalen Kirchen der usa und Kanadas wegen ihres liberalen Umgangs mit Homosexuellen einen "freiwilligen vorübergehenden Rückzug" aus dem höchsten Beratungsgremium der Anglikaner "empfohlen".

Verhärtete Fronten

Damit ist eine Kirchenspaltung einen Riesenschritt näher gerückt. Das ist im Sinne von konservativen Hardlinern wie Akinola, die eher eine Verstoßung der liberalen "Abweichler" in Kauf nehmen als ihre doktrinäre Haltung zu homosexuellen Klerikern überdenken wollen. Sie bekämpfen weiter die 2003 erfolgte Weihe des offen homosexuellen Gene Robinson zum Bischof der zur anglikanischen Weltgemeinschaft gehörigen us Episcopal Church in New Hampshire. Und auch die von der anglikanischen Kirche Kanadas erteilte Segnung gleichgeschlechtlicher Ehegemeinschaften lehnen die Traditionalisten völlig ab.

Die Auseinandersetzung wird von beiden Seiten mit Verweisen auf die Bibel geführt. Die Konservativen zitieren das Buch Levitikus, das dritte Buch Mose aus dem Alten Testament, wo es heißt: "Ein Mann soll nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau." (Lev 18, 22) Worauf die Liberalen mit demselben Buch erwidern: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst." (Lev 19,18).

Die tiefen Meinungsverschiedenheiten zwischen den anglikanischen Lokalkirchen, die von beiden Seiten kompromisslos ausgetragen werden, sind auch ein Ausdruck der gesellschaftlichen Realitäten, in denen sich die jeweiligen Ortskirchen befinden. Besonders unter den afrikanischen Vertretern gibt es wenig Toleranz gegenüber Homosexuellen, während die Fortschritte bei der Gleichberechtigung Homosexueller in modernen Gesellschaften wie den usa oder Kanada auch auf die Kirche ihren Eindruck nicht verfehlen.

Damit wird der Ansatz der anglikanischen Kirche, eine "weite Kirche" zu sein, die allen möglichen Differenzen breiten Raum unter einem Dach gibt, bis an die Grenze der Belastbarkeit getestet. Weltweit zählt die anglikanische Kirche derzeit rund 78 Millionen Gläubige. Sie erstreckt sich vom Mutterland England rund um den Globus von Kanada bis Australien und ist - als Erbe des britischen Kolonialreichs - besonders in Afrika stark präsent. Hier bildet der Erzbischof des Sudan, Joseph Marona, eine Ausnahme, wenn er sagt: "Wir haben mit dem Kampf gegen Hunger und Krieg wichtigere Probleme zu lösen, als über Homosexualität zu streiten."

Eine Mittelposition, die aufgrund der harten Haltung der beiden Flügel immer mehr unter Druck geraten ist, versucht als anglikanische Mutterkirche die Church of England einzunehmen. Fast verzweifelt beschwor der Erzbischof von Canterbury Rowan Williams, der Primus inter pares der Anglikaner, bis zuletzt die Einheit der Kirche und warnte Liberale wie Konservative: "Wir werden aus diesem Streit nicht ohne Schaden herauskommen. Fast scheint es, als würden wir nicht mehr dieselbe Sprache sprechen."

Riss auch in England

Vermittlungsversuche des Erzbischofs wurden aber auch dadurch geschwächt, dass auch die Haltung der Church of England zum Umgang mit Homosexuellen alles andere als eindeutig ist. Einerseits spricht sich die Kirche in einem im Vorjahr von der Bischofsversammlung angenommenen Grundsatzpapier für ein "Zugehen auf Homosexuelle und einen echten, aufrichtigen Dialog" aus. Andererseits führte im Jahr 2004 die Wahl des homosexuellen Jeffrey John zum Bischof von Reading zu derartigen Spannungen, dass er schließlich unter massivstem Druck der Kirchenleitung auf sein Amt verzichtete.

Denn auch in der Church of England gibt es im Kleinen jenen tiefen Riss zwischen Konservativen und Liberalen, wie er die große anglikanische Gesamtkirche derzeit gerade bis in die Spaltung führt. Gegen den Willen von Erzbischof Williams, der die Diskussion in den Hintergrund drängen und sich dort beruhigen lassen will, verabschiedetete die Frühjahrssynode der Church of England gerade eine Resolution, in der die us-Schwesterkirche aufgefordert wurde, ihre "Bedauern" über die Wahl von Robinson zum Bischof von New Hampshire zum Ausdruck zu bringen.

Mit ihrer zwiespältigen Haltung zur Homosexualität gerät die Church of England aber immer mehr in Widerspruch zum gesellschaftlichen Konsens. Insbesondere in Großstädten wie London, Manchester oder Birmingham ist Homosexualität längst kein Tabu mehr. Als der erste offen homosexuelle Abgeordnete und frühere Kulturminister Chris Smith vor wenigen Wochen öffentlich bekannte, seit 17 Jahren hiv-positiv zu sein, ging eine Welle der Sympathie durchs Land. Heute ist es selbst für die Konservativen selbstverständlich, deklarierte Schwule und Lesben prominent auf ihrer Kandidatenliste zu führen.

Indem sie aber ein Thema voll Leidenschaft und Selbstzerfleischung diskutiert, das in der Öffentlichkeit längst keines mehr ist, verspielt die Church of England weiter an Ansehen und Gewicht. Ohnehin ist die Situation für die Kirche nicht leicht. Von den rund 60 Millionen Einwohnern Großbritanniens sind etwa 26 Millionen Mitglieder der Church of England. Die Zahl der regelmäßigen Kirchbesucher liegt mit etwa 1,7 Millionen am Sonntag bei nur 6,5 Prozent. Selbst an den höchsten Feiertagen wie Weihnachten und Ostern steigt die Zahl nicht über zehn Prozent.

Erfolgreicher ist die Kirche heute außerhalb ihrer Mission, etwa als Wirtschaftsunternehmen. Historische Stätten wie Westminster Abbey, Canterbury Cathedral oder York Minister werden jährlich von mehr als 12 Millionen Touristen besucht. Kirchliche Privatschulen genießen höchsten Ruf. In den Medien genießen die Aussagen des Erzbischofs von Canterbury große Aufmerksamkeit. Doch im Volk wird der Rückhalt immer schwächer. Mehr als 15 Prozent der Briten bezeichnen sich heute als vollkommen atheistisch.

Vor Bischöfinnen-Weihen

Einen Schritt gegen den Abwärtstrend versucht die Kirche seit Jahren mit einer neuen, offenen Haltung gegen Frauen - und das mit Erfolg. Seit 1994 gestattet die Church of England die Priesterweihe von Frauen. Mittlerweile stellen Frauen ein Viertel des rund 9.000 Personen starken Klerus. Die Erfahrungen der Priesterinnen und die Reaktionen der Mehrheit der Gläubigen sind so positiv, dass sich die Bischöfe nun auf ihrer Synode auf den nächsten Schritt verständigen konnten: Bei ihrer Sommertagung wollen die Kirchenführer den Weg für die Weihe weiblicher Bischöfe ab 2011 freimachen.

Auch dagegen gibt es Widerstand von Konservativen und Traditionalisten. Rund 1000 Gemeinden wollen einen weiblichen Bischof nicht akzeptieren. Dennoch droht in dieser Frage keinesfalls eine Spaltung. Die Priesterin Joy Tetley aus Worchester sagt: "Wenn Gott auf 100-prozentige Zustimmung gewartet hätte, bis er seinen Sohn sendet, würde die Welt noch heute auf Erlösung warten."

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