6889304-1979_40_08.jpg
Digital In Arbeit

Der Papst in „Gottes eigenem Land”

19451960198020002020

Die dritte Auslandsreise des Papstes Johannes Pauls II. - nach Lateinamerika und Polen nun nach Irland - begann wieder als Triumphzug. Aber auch für die Fortsetzung in den USA setzen die Amerikaner alles daran, damit der Besuch würdig und störungsfrei verläuft. „Wenn der Papst ein Land besucht, verfolgt dies die ganze Welt”, sagen sie und setzen ihren Ehrgeiz darein, daß sich auch dieser Besuch in der Welt sehen lassen kann.

19451960198020002020

Die dritte Auslandsreise des Papstes Johannes Pauls II. - nach Lateinamerika und Polen nun nach Irland - begann wieder als Triumphzug. Aber auch für die Fortsetzung in den USA setzen die Amerikaner alles daran, damit der Besuch würdig und störungsfrei verläuft. „Wenn der Papst ein Land besucht, verfolgt dies die ganze Welt”, sagen sie und setzen ihren Ehrgeiz darein, daß sich auch dieser Besuch in der Welt sehen lassen kann.

Werbung
Werbung
Werbung

Unmittelbarer Anlaß für die Reise war die Einladung des UN-General- sekretär Kurt Waldheim. Vor genau 14 Jahren, am 4. Oktober 1965, hielt Papst Paul VI. vor der Vollversammlung eine vielbeachtete Rede. Dieser Papst, der jede seiner großen Reisen geradezu symbolisch unter ein Motiv stellte, wollte damit die Öffnung der Kirche zur modernen Gesellschaft und ihre Bereitschaft, am Aufbau einer neuen , weltumspannenden menschlichen Gemeinschaft mitzuarbeiten, dokumentieren. Der Besuch Johannes Pauls II. zum Sitz der UNO ist als Fortsetzung dieser vorgezeichneten Linien zu sehen.

Die fünf folgenden Tage gelten dem Besuch verschiedener Diözesen im Nordosten der USA. Man legt im Vatikan Wert darauf, diesen Besuch als „rein pastoral” zu werten. Karol Wojtyla hielt sich bereits 1969 sechs Wochen in Kanada und in den USA auf und später noch einmal 1976, als er an der Spitze einer polnischen Delegation von Bischöfen vor allem polnische Gemeinden in Amerika besuchte. In diesem Zusammenhang traf er auch mit dem gegenwärtigen Präsidentschaftsberater Zbigniew Brzezinski, zusammen.

Die tiefgreifende Krise, in der sich die amerikanische Gesellschaft befindet, und die auch die katholische Kirche, noch mehr die evangelische Kirche erfaßt hat, ist Johannes Paul II. nicht unbekannt. In das amerikanische Selbstverständnis ist von Anfang an viel reformatorisches Gedankengut eingeflossen, vor allem englischer Herkunft. Noch 1790 waren 80 Prozent der Bevölkerung Einwanderer aus diesem Gebiet.

Da England nie eine Reformation im mitteleuropäischen Sinn durchgemacht hat, kam weniger das Gedankengut von Martin Luther als vielmehr das von Johannes Calvin und der Puritaner zur Geltung, aus dem sich die Meinung bildete, daß Gott in der Neuen Welt ein neues auserwähltes Volk erstehen lasse, in dem Sittenreinheit, Brüderlichkeit, Demokratie und Verzicht auf machtbegründete Vorrangstellungen tragende Grundwerte seien.

Unter dem Erfolgseindruck auf wissenschaftlichem, technischem und wirtschaftlichem Gebiet nahm diese ursprünglich mehr spirituellreligiöse Überzeugung weltliche Dimensionen an und begründete die Überzeugung, daß Amerika in der modernen Welt eine - vor allem technologisch begründete - Führungsrolle zu übernehmen habe. Die sowjetischen Erfolge in der Weltraumtechnik, der verlorene Vietnamkrieg und ein ganz neues Lebensgefühl in der amerikanischen Jugend sind die Hauptursachen für die tiefe Erschütterung des traditionellen amerikanischen Selbstverständnisses. Eine starke Strömung unter modernen amerikanischen evangelischen Theologen hält das puritanische Erwäh- lungs- und Sendungsbewußtsein als Fehlstart und sieht im biblischen Gottesbüd den Schöpfer und Vater aller Rassen, Nationen und gesellschaftlicher Schichten.

Es brauchte verhältnismäßig lange bis die Katholiken in den USA einen nennenswerten gesellschaftlichen Platz einnehmen konnten. Eine gewiss Überheblichkeit; die ihnen die protestantische Mehrheit entgėgen- brachte, ihre wirtschaftliche Armut und die dadurch verursachte geringe Bildung waren durch lange Zeit hindurch ein Hindernis zum Aufstieg, nicht zuletzt der ständig geäußerte Verdacht, sie hielten sich an geheime Weisungen aus Rom.

Erst 1787 wurde als erste die Diözese Baltimore gegründet, die damals das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten umfaßte. Durch starke Einwanderungen, vor allem aus Irland, Deutschland, Italien und Polen, aber auch aus Frankreich, wuchs die Zahl der Katholiken sehr rasch. Wie sehr das Ansehen der Katholiken in der amerikanischen Gesellschaft während der letzten Jahrzehnte gestiegen ist, zeigt nicht nur die Wahl des Katholiken John F. Kennedy zum Präsidenten, sondern auch die außergewöhnliche Wertschätzung, die Präsident Carter dem Papst bei seinem Besuch in Washington entgegenbringt. Er empfängt den Papst im Weißen Haus, eine Geste zu der sich Präsident Johnson 1965 Paul VI. gegenüber aus Rücksicht gegenüber der protestantischen Mehrheit im Lande, nicht imstande sah.

Heute zählt Amerika fast 50 Millionen Katholiken, was 23 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. 40 Prozent beteiligen sich aktiv am kirchlichen Leben. Es gibt 32 Erzdiözesen und 138 Diözesen. 50 Prozent der Bischöfe und 35 Prozent der Priester sind irischer Abstammung.

Die Katholiken haben im Lauf der Jahre eine typisch amerikanische Lebensweise angenommen. Das kirchliche Leben kennt keine tiefgreifenden Spannungen, wohl aber eine Reihe von Problemen. Auch hier gilt, daß die Religion den Wohlstand gebracht hat, die Tochter aber die Mutter verschlingt.

Daß Schulwesen, einst der Stolz der amerikanischen Katholiken, befindet sich in Krise. Die Laien drängen auf mehr Mitsprache im kirchlichen Leben und ein, wenn auch nicht besonders großer Kreis von Ordensfrauen, kämpft mit für Europa ungewohnten Mittfein um die Zulassung zur Priesterweihe. Die geistlichen Berufe sind rückläufig. Dennoch kann die katholische Kirche in Amerika als sehr vital bezeichnet werden. Ihr Denken ist mehr praktisch ausgerichtet, und das Verständnis für soziales Engagement ist stark entwik- kelt.

Das Zweite Vatikanische Konzil mit seinen weltoffenen Akzenten und seinen ökumenischen Impulsen trug viel dazu bei, konfessionelle Schranken abzubauen und das gegenseitige Verständnis zu fördern.

Die Columbusritter, eine Vereinigung katholischer Laien in Amerika, stellte einen hohen Betrag zur Verfügung, um über die Reise des Papstes einen Dokumentarfilm zu erstellen, der am 28. Dezember von der Fernsehgesellschaft „Abc” in Amerika ausgestrahlt werden soll. Hoffentlich werden wir in Österreich wenigstens Ausschnitte davon zu sehen bekommen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung