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USA-Konservativismus heute

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Es wird heute recht viel über ein plötzliches Aufblühen eines fast rechtsradikalen amerikanischen Konservativismus gesprochen und geschrieben. Manche europäische Kreise sind hocherfreut über diese „Wendung“ des amerikanischen Geistes, welcher in den Augen vieler Beobachter eben daran litt, daß er grundlos liberal, ja linksradikal eingestellt war, und daher für europäische Tradition kein Verständnis haben konnte. Andere Kreise der Europäischen Geisteswelt stehen der neuen Entwicklung eher mißtrauisch gegenüber und befürchten, daß daraus eine aggressive imperialistische Politik folgen könnte, welche die friedliche demokratische Entwicklung Westeuropas in vielen Beziehungen gefährden würde.

Beide Urteile über den heranwachsenden amerikanischen Konservativismus beruhen — meiner Beurteilung nach — auf Unkenntnis der hiesigen ideologischen Entwicklung, welche ich — der schon zwölf Jahre lang in den Vereinigten Staaten lebt — im Folgenden auswerten möchte.

Konservativismus als Ideologie kann am besten als die Hochschätzung traditioneller Geistesgüter, historischer Grundlagen der Gesellschaftsordnung und gewisser politischer und sozialer Institutionen bezeichnet werden, welche der Konservative einerseits aufrechtzuerhalten, anderseits den modernen Bedürfnissen anzupassen bestrebt ist. Die konservative Ideologie Europas beruht auf der Jahrtausende alten Geschichte dieses Kontinentes und seiner Kulturen, welche durch Jahrhunderte die höchste Blüte menschlichen Geistes und Könnens hervorgebracht hatten.

Geschichtslosigkeit — kein Hindernis

Anders steht es in Amerika, einem Kontinent, dessen Geschichte nicht mehr als 300 Jahre zurückreicht. Die sogenannte Kolonialzeit zeigte manche feudalen Züge. William -P e n n, Lord Baltimore und andere durch die britische Krone belehnte „Herrscher“ über Latifundien und Kolonisten sowie die Großgrundbesitzer der südlichen Staaten, wo die Leibeigenschaft der Negersklaven bis weit in die Mitte des vorigen Jahrhunderts dauerte, gründeten ein Amerika, das wohl nicht als demokratisch bezeichnet werden kann. In den Städten und an der sogenannten westlichen „frontier“ waren die Verhältnisse allerdings anders. Eben dort entwickelte sich der spätere Geist der amerikanischen Demokratie. Die Revolution, die dem Kolonialismus Nordamerikas ein Ende brachte, stand im Zeichen der französischen Aufklärung, wobei der Umstand, daß manche Vertreter der feudalen Klasse sich an die Spitze der kleinen Farmer und der Stadtbewohner stellten, es mit sich brachte, daß die Konstitution der Vereinigten Staaten im Geiste eines konservativ gefärbten Liberalismus geschrieben wurde. Aus dem gleichen Grund wies auch die staatliche und soziale Entwicklung der Vereinigten Staaten eine im 19. Jahrhundert ungewöhnliche Stabilität auf; im Gegensatz zu Europa, wo Radikalismus und Reaktion periodisch wechselten. Ein europäischer Konservativer der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sah in den Vereinigten Staaten mit ihren unbegrenzten Freiheitsrechten und einer Staatsgewalt, die auf ein Minimum reduziert war, sicherlich ein radikal demokratisches Staatsgebilde, während sein radikaler Zeitgenosse diesen auf strerig liberalen Grundsätzen beruhenden Staat zweifellos als konservativ einschätzte.

Von der „Monroe-Doktrin“ zum „New-Deal“

Die Entwicklung zur „progressiven“ Ideologie Amerikas erfolgte aus dem Zusammenwirken zweier Umstände: einerseits konnte sich Amerika trotz der Politik eines hermetischen Isolationismus der Monroe-Doktrin nicht den Folgen der liberalen Wirtschaftsordnung entziehen, welche schon früher den Antagonismus der breiten Volksmassen Europas hervorgerufen hatte. Anderseits hatte die ungeheuer stark zunehmende Einwanderung die originale anglosächsische Volkseinheit der Vereinigten Staaten grundsätzlich geändert. Der Sezessionskrieg bedeutete den endgültigen Sieg des aufsteigenden industriellen Liberalismus über die Reste der feudal-kolonialistischen Traditionen der südlichen Agrarstaaten; was darnach folgte, war der Kampf des kleinen Mannes gegen die wirtschaftlichen Großmächte, Industrie und Bankwesen, welche die Staatsgewalt vollkommen beherrschten.

Revolutionäre im Schmelztiegel

Dieser Kampf um die Vormachtstellung der wahren Demokratie verlief ganz anders als in Europa. Im Gegensatz zu Europa, wo die Staatsgewalt als Unterdrücker der Freiheitsrechte betrachtet wurde, sah der amerikanische Anhänger des Fortschritts in der Staatsgewalt den Beschützer seiner Privilegien. Das Prinzip der liberalen Weltanschauung, der „rugged indivi-dualism“, wurzelte so tief in der amerikanischen Seele, daß ihm Staatsgebilde, in welchen die Menschenrechte einer Beschränkung unterliegen würden, als völlig undenkbar erschienen und auch heute noch erscheinen. Schon während der Regierungszeit der Reformpräsidenten Theodore R o o s e-v e 11 und Wilson und noch mehr in der „ New-Deal “-Periode wurde dieser „rugged individualism“ scharf getadelt und als Ursache sämtlicher Übel hingestellt. Er ist aber ein dermaßen organischer Bestandteil der amerikanischen Mentalität, daß es niemals zu einer Kollektivisierung der amerikanischen Gesellschaftsordnung kommen kann. Dies ist der wichtigste Grund, warum die Vereinigten Staaten und auch Kanada kommunistischen Einflüssen gegenüber als immun zu bezeichnen sind.

Diese Ausführungen gelten allerdings nur für die breiten Massen der Bevölkerung, aber keineswegs für die intellektuellen Kreise. Bis vor kurzem hatte Amerika recht wenig für Intellektuelle übrig. Es war der Mann der Tat und nicht der des Gedankens, der für den wirtschaftlichen Aufschwung der Vereinigten Staaten notwendig war. Eine starke puritanisch-protestantische Weltanschauung ergab das konservative Element der amerikanischen Ideologie, die Lehren der Aufklärung und die Prinzipien des Liberalismus die fortschrittliche Seite. Den ideologischen Kämpfen Europas stand man fern, ja man fürchtete europäische Einflüsse und war stolz, daß die amerikanische Lebensform unkompliziert und scheinbar problemlos sei. Doch konnte sich der amerikanische Kontinent trotz aller Bemühungen nicht ganz von den Einflüssen der europäischen Ideologien abschließen, schon gar nicht der enge Kreis der Intellektuellen, der sich um die Universitäten sammelte. Im Sinne der Aufklärung und auch der Tradition, wonach die Vereinigten Staaten ein Kind der Revolution seien, waren sie überwiegend an den radikalen Geistesströmungen der europäischen Linken interessiert. Die geistigen Strömungen der europäischen revolutionären Ideologien wurden aber im berühmten amerikanischen „Melting Pot“ einer „Amerikanisierung“ unterzogen und was blieb, war eine Weltanschauung, die vorübergehend auch in Europa Anklang fand, später aber dort immer mehr verblaßte; die des „bürgerlichen Radikalismus“.

Die Einwanderung von Millionen aus den Gebieten Zentral- und Osteuropas trug viel zu dieser Radikalisierung des amerikanischen Geistes bei. Diese Einwanderer gehörten meist den untersten Schichten der Bevölkerung an; die meisten kamen wegen der drückenden Wirtschaftsverhältnisse ihres Heimatlandes nach Amerika. In manchen Fällen spielten auch Motive der politischen und rassischen Verfolgung mit. Es ist daher erklärlich, daß diese Einwanderer nicht gut über die politischen Verhältnisse ihrer Heimatländer sprachen und dadurch einen guten Resonanzboden der radikalen Ansichten der Intellektuellen boten. Als zwischen den beiden Weltkriegen und während des zweiten Weltkrieges auch radikale Elemente der Intellektuellen Zuflucht in den Vereinigten Staaten suchten, wurde dieser Einfluß, gepaart mit der Kriegspsychose, noch bedeutend stärker.

Strömung und Gegenströmung

Dies alles hatte keinen unmittelbaren Einfluß auf die äußere Lebensform der amerikanischen Gesellschaft, welche unverändert blieb, aber eröffnete eine neue Geisteswelt in akademischen Kreisen, in Theater und Kino, in Literatur und Kunst. Diese scharfe Wendung trug natürlicherweise den Keim einer Reaktion in sich. Viele Bürger Amerikas standen diesen Strömungen fremd gegenüber — die Grundlagen1 des Nachkriegskonservativismus waren hiermit gegeben.

Zweifellos wäre es übertrieben, zu behaupten, daß konservative Tendenzen in den Vereinigten Staaten unbekannt waren und sich erst nach dem zweiten Weltkrieg entwickelten. Sie waren aber meist auf eine kleine Gruppe der höheren sozialen Schichte begrenzt, die während häufiger Aufenthalte in Europa durch den Geist der Tradition beeinflußt waren. Der Historiker Henry Adams (1838—1918) war vielleicht der charakteristischeste Vertreter dieser Richtung. Er wies in seinen Werken darauf hin, daß die Gedankenwelt der Aufklärung des 18. Jahrhunderts nicht als Dogma der amerikanischen Ideologie betrachtet werden kann.

Angst vor dem Kommunismus

Der heutige Neokonservativismus Amerikas beruht auf breiteren Grundlagen und umfaßt Volksschichten, die früher dieser Ideologie abseits standen. Der wichtigste Grund, welcher diese Evolution hervorrief, ist zweifelsohne die Angst vor dem Kommunismus. Als die erste russische Atombombe detonierte und der amerikanischen öffentlichen Meinung bewußt wurde, daß die Ozeane schon keinen sicheren Schutz mehr bieten, konnte der erste Umschwung zum Konservativismus beobachtet werden. Die unkluge Politik der Vereinigten Staaten, welche dem Kommunismus die Tore Zentraleuropa und Chinas öffnete, wurde nicht bloß als Fehler der verantwortlichen Staatsmänner betrachtet, sondern als das Resultat des während des Krieges sich immer stärker entwickelnden Zeitgeistes, welcher sich von Ideen des Linksradikalismus nährte. Während langer Jahre wurden diese Tendenzen in Amerika als Blüten eines fortschrittlichen Geistes betrachtet, der gegen die Tyrannei des Faschismus, aber auch gegen althergebrachte Überreste einer feudalen Ordnung kämpfte und daher dem Geiste der amerikanischen Demokratie entsprach. Alle jene geistigen Strömungen, die sich in Europa entwik-kelten, wurden auf die alte Formel der Aufklärung zurückgebracht und sütp-lifiziert. Eine Monarchie war grundsätzlich schlecht — eine republikanische Staatsform, auch wenn sie die Form einer bolschewistischen Räterepublik hatte, etwas weit besseres. Daß zwischen sich demokratisch bezeichnenden Ideologien Unterschiede bestehen, wurde der amerikanischen Öffentlichkeit erst klar, als sie die ersten Symptome sowjetrussischer imperialistischer Bestrebungen wahrnahm. Die erste Welle der Entrüstung wendete sich gegen die Mitglieder der unbedeutenden Kommunistischen Partei Amerikas; diese bestand nach dem zweiten Weltkrieg, abgesehen von einer Handvoll unzufriedener Einwanderer, denen es nicht gelang, sich an die amerikanischen Verhältnisse erfolgreich anzupassen, aus weltfremden Idealisten, die in der kommunistischen Lehre einen neuen Messianismus erblickten und zu denen auch eine Anzahl von wohlhabenden, ja reichen Leuten gehörte. Diese registrierten Mitglieder der Partei waren gewiß keine ernste Gefahr für die Vereinigten Staaten. Gefährlicher ist zweifelsohne jene Gruppe von Intellektuellen, die den Kommunismus zu „verstehen“ suchen und für einen Kompromiß der demokratischen Ideologie mit jener des Kommunismus eintreten.

In den Vereinigten Staaten herrschte über ein Jahrhundert lang auf dem Gebiete der Wirtschaft das Prinzip des „laissez faire“. Erst am Anfang unseres Jahrhunderts wurde die Gesetzgebung unter dem Druck der öffentlichen Meinung veranlaßt, einigen Auswüchsen der liberalen Wirtschaftsordnung Einhalt zu gebieten. Soziale Gesetze, wie etwa die obligatorische Unfallversicherung der Angestellten—in Deutschland schon 1886 eingeführt — galten jahrzehntelang in den Augen des amerikanischen Bürgers als ein illegales Eingreifen in die Rechte des Arbeitgebers.

Während der „New-Deal“-Periode wurden die liberale Wirtschaftsordnung einschränkende Maßnahmen hastig eingeführt, schon damals unter der scharfen Kritik einer großen Anzahl jener Staatsbürger, die durch die Wirtschaftskrise weniger hart betroffen waren. Der neue Konservativismus, der ein eingehendes Studium des Marxismus mit sich brachte, versuchte alle diese Neuerungen der „New-Deal“-Zeit als sozialistische Maßnahmen anzuprangern und stellte fest, daß die Vereinigten Staaten auf dem besten Wege seien, sich in einen sozialistischen Staat umzuwandeln, wenn dieser Tendenz nicht rechtzeitig Einhalt geboten werden könne. Das konservative Wirt-ichaftsprogramm dagegen kann leicht zusammengefaßt werden: zurück zum klassischen Liberalismus des Adam Smith und David Ricardo. Ein Ziel, das heute schwer durchzuführen ist.

Auch von den feudalen Traditionen der Kolonialzeit ist etwas noch übriggeblieben, nämlich die Frage der Se-gregation. Der neokonservative Amerikaner betrachtet mit tiefem Mißtrauen die Bestrebungen der Regierung und der Katholischen und Protestantischen Kirchen, die Schranken zwischen der weißen und der schwarzen Bevölkerung aufzuheben. Die Schulkonflikte in den südlichen Staaten bieten einen krassen Beweis dafür.

Die stets wachsenden Aufgaben der Zentralgewalt der Regierung, welche eine zwangsmäßige Zentralisierung der Machtbefugnisse erfordern, liefern zusätzlichen Konfliktstoff den Konservativen und den Liberalen. Die möglichst große Unabhängigkeit der Bundesstaaten von Washington beruht auf Traditionen, die bis zum bekannten Konflikt der beiden führenden Staatsmänner der Gründungszeit, J e f -f e r s o n und Hamilton, zurückreichen. Allerdings war damals der Zentralist Hamilton der konservative, Jefferson der fortschrittliche Demokrat. Doch heute betrachten die amerikanischen Konservativen jeden Versuch der Schmälerung der Rechte und Privilegien der die Föderation bildenden Staaten als einen Schritt zur Bildung eines totalitären Zentralstaates im marxistischen Sinne. Auf der anderen Seite aber drängen die konservativen Elemente auf eine starke aktive Außenpolitik, deren Grundlage eine starke Armee bildet. Der traditionelle

Gedanke des Isolationismus wurde völlig aufgegeben. Er besteht mir noch auf wirtschaftlichem Gebiet, wo die Konservativen für die Aufrechterhaltung der Schutzzölle kämpfen. Energische Außenpolitik und kraftvolle Armee benötigen aber vor allem eine kraftvolle Regierung, so daß in dieser Beziehung ein starker Widerspruch zwischen den innen- und außenpolitischen Bestrebungen der Konservativen besteht, was die Durchschlagskraft ihrer Argumente bedeutend schwächt.

Neokonservativismus und Religion

Was die weltanschauliche Einstellung der Konservativen anbelangt, so ist ein Konservativer, der aktives Mitglied einer protestantischen Kirche ist, meist antikatholisch eingestellt. Nach seiner Meinung wurde die Verfassung der Vereinigten Staaten im Geiste des Protestantismus verfaßt. Er betrachtet die Katholiken als ein neu zugewandertes Element, welches durch seinen starken Zuwachs die althergebrachten Traditionen gefährdet. Auch stehen manche von ihnen in starkem Gegensatz zu jenen protestantischen Kirchen, welche die sogenannte „Social Gospel“, das soziale Evangelium, verkünden, das dem Konzept des „Weifare State- nahe steht. Allerdings finden wir unter den Reihen der Konservativen auch viele Katholiken, was um so interessanter ist, als die Anhänger dieser Kirche im allgemeinen nicht zu jenen traditionellen und wohlhabenden sozialen Schichten zählen, welche die ursprünglichen Vertreter des konservativen Gedankens wahren. Der Umschwung einer größeren Anzahl von Katholiken zum Konservativismus, während sie lange Zeit als eines der progressiven Elemente der amerikanischen Gesellschaft betrachtet wurden, läßt sich aus mehreren Gründen erklären: Einer liegt in ihrer streng antikommunistischen Einstellung, die die logische Folge der katholischen Weltanschauung ist. Außerdem wanderte die größte Anzahl von den Katholiken erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit ein, lebt heute noch in Form nationaler Gruppen von Iren, Italienern, Deutschen, Polen, Spaniern, Ungarn und hält die Verbindung mit dem Mutterland noch immer aufrecht. Deshalb stehen sie den europäischen Problemen näher und erfassen die Gefahr des drohenden Kommunismus in einer lebendigeren Form. Drittens — und dies bezieht sich nicht nur auf katholische Einwanderer — begannen die meisten Neuen ihr Leben als Industriearbeiter in den Vereinigten Staaten. Doch mit Fleiß allein erreichten manche von ihnen das Niveau eines Klein- oder Mittelkapitalisten, der seinen neuerworbenen Wohlstand in größerem Maße genießt als der traditionelle Großkapitalist, der schon seit Generationen daran gewöhnt ist. Diese Elemente verspüren daher um so stärker die drückenden Maßnahmen einer zentralisierten Regierung, deren Steuern und Sozialpolitik ihre Einkünfte schmälern.

Querschnitt durch alle Bevölkerungsschichten

Es gibt mehrere Schattierungen im Lager der Konservativen, die keineswegs einen einheitlichen Block bilden. In den Reihen der Demokraten gibt es ebensoviel Konservative wie Liberale bei den Republikanern. Parteilinien spielen hier keine Rolle. Auch die soziale Schichtung ist ohne Bedeutung. Der fortschrittliche Millionär, der bis zur offenen Sowjetfreundschaft geht, ist eine häufige Erscheinung, gerade so wie der kleine Murin der „Birch Society“, der selbst den ehemaligen

Präsidenten Eisenhower kommunistischer Tendenzen beschuldigt. Amerika ist das typische Land des Durchschnittsmenschen, doch diese allgemeine Regel bringt auch Ausnahmen in der extremsten Form mit sich. Das Rassenproblem spielt hier ebenfalls eine gewisse Rolle, doch in einer keineswegs so systematischen Weise wie etwa in der Ideologie des Nationalsozialismus. Unter den Vertretern, ja sogar unter den Leitern der konservativen Bewegung findet man Leute jüdischer Abstammung. Der Antisemitismus beruht meistens auf einer althergebrachten Xenophobie der eingesessenen Bevölkerung gegen Neuankömmlinge, seien sie irischer, italienischer, polnischer oder ungarischer Abstammung.

Wie schon erwähnt wurde, gehört die überwiegende Mehrzahl der amerikanischen Bevölkerung zum Typus des Durchschnittsmenschen. In keiner Gesellschaft der westlichen Kultur kann man Leute mit solcher Leichtigkeit in Kategorien einteilen wie in Amerika. Es gibt natürlicherweise stets auch Menschen, die aus dem Rahmen der allgemeinen Mittelmäßigkeit ausbrechen und neue Lebensformen für sich und ihre Mittmenschen zu schaffen suchen; diese Vertreter des Amerikanischen Geistes sind aber die Ausnahmen, welche die allgemeine Regel verstärken. Wie es aus der geschichtlichen Entwicklung Amerikas erkennbar ist, vollzogen sich manche Wendungen in der allgemeinen Gedankenwelt des amerikanischen Durchschnittsmenschen, die meistens auf äußere Einwirkungen zurückzuführen sind. Die Erkenntnis, daß die geographische Lage Amerikas keinen Schutz mehr gegen Aggressionen des kommenden kommunistischen Imperialismus einerseits und die durch die wachsende Macht der Zentralgewalt geschaffene Änderungen anderseits bildet, führte zu einem Aufschwung der Konservativen.

Ein positives Ergebnis kann man dem amerikanischen Neokonservativismus zugute halten: Den Umstand, daß unter seinem Einfluß die verkalkte Geisteswelt des „bürgerlichen Radikalismus“, welche das 20. Jahrhundert in Europa begraben hat, auch hier, in der Neuen Welt, zu seiner Neige schreitet.

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