Um Gottes Hilfe auf steinigem Weg

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Die "Daughters of St. Paul", ein Frauenorden, der sich der Evangelisierung via Medien verschrieben hat, betreiben in Boston ein bedeutendes religiöses Verlagshaus und in vielen Städten der USA Medienzentren. "Time of Crisis - Time of Faith" ("Zeit der Krise - Zeit des Glaubens") heißt eine Broschüre, die vom Orden USA-weit verbreitet wird, und in der religiöse Antworten in der derzeitigen Krise rund um sexuellen Missbrauch durch katholische Priester der USA versucht werden. Ein Gespräch mit Sr. Kathryn Hermes, einer der Autorinnen der Broschüre.

die furche: Sie sind Mitautorin einer Broschüre, wie man auch in der gegenwärtigen schweren Krise der Kirche in den USA den Glauben bewahren kann.

sr. kathryn hermes: Einige von uns haben überlegt, wie wir in der derzeitigen Situation reagieren können. Das Ergebnis: Wir wollten vor allem die Menschen erreichen, die durch die derzeitige Lage verstört sind und die sich hintergangen fühlen, und ihnen vermitteln: Gott hat seinem Volk immer die Treue gehalten. So können wir auch in dieser Krisenzeit darauf vertrauen, dass uns Gott zu Hilfe kommt. Wenn man etwa im Alten Testament liest, wie oft die Menschen Gott im Stich gelassen haben - sie sind gestrauchelt, sind falschen Göttern gefolgt, bis sie im Exil gelandet sind -, so berichtet die Schrift dennoch immer von einem Propheten, der gesagt hat gesagt: Gott wird euch retten, er wird euch zurückbringen und euch neu machen. Und genau diese Botschaft wollen wir überbringen: Auf Gott kann man zählen - auch in dieser Zeit.

die furche: Sie sehen sich also in einer prophetischen Rolle?

hermes: In gewisser Weise ja. Auch wenn es viel Schmerzliches gibt, bin ich überzeugt, dass der Heilige Geist immer noch unter uns wirkt. Ich glaube, das prophetische Zeugnis, das die verschiedensten Bewegungen, die in der katholischen Kirche vernetzt sind, verbindet, ist das Zeugnis, dass wir alle ein Leib sind. Und deswegen - trotz des Schmerzes, den wir zur Zeit erfahren - müssen wir zusammenstehen, so wie Paulus im ersten Korintherbrief schreibt: Ihr seid der Leib Christi. Wir haben als dieser Leib die Verantwortung gegenüber dem Glauben: Wenn etwas falsch ist, so muss das auch benannt werden. Aber Paulus sagt auch: Wenn dies ausgesprochen ist, dann muss es Vergebung geben, und die Glieder des Leibes müssen zusammenarbeiten. Ich denke, dies ist die prophetische Botschaft dieser Tage.

die furche: Zweifeln Menschen durch die Ereignisse an ihrem Glauben?

hermes: Es kommen Leute zu uns und sagen: Ich kann nicht glauben, dass so etwas in unserer Kirche passiert. Oder: Ich bin so zornig, ich fühle mich so hilflos! Vor allem in den ersten Monaten der Krise waren viele wirklich schockiert. Wir haben das alles gehört und erfuhren uns auch im eigenen Glauben angefochten, ja auch wir waren geschockt und haben gedacht: So etwas kann doch nicht sein! Auch wir selbst mussten durch diese Gefühle erst einmal durch, und waren erst dann fähig, auf Gott zu hören und zu überlegen, wie er wollte, dass wir reagieren. Und so ist diese Broschüre entstanden, die jetzt in vielen Kirchen aufliegt, viele haben sie fotokopiert und weitergegeben - wir haben viele positive Reaktionen erhalten.

die furche: Man könnte aber auch denken: Typisch für die Kirche, dass sie sich vor den Problemen versteckt, indem sie sagt, man muss den Glauben stärken, man muss zusammenstehen und nachdenken, was die Antwort Gottes auf diese Fragen ist; die Kirche will damit doch nur von den schlimmen Dingen, die passiert sind, ablenken ...

hermes: Wir haben einige E-Mails diesen Inhalts erhalten, und ich nehme an, dass auch viele Leute, die uns nicht gemailt haben, darüber ähnlich denken. Zunächst einmal ist in dieser Lage jedem zuzugestehen, solche Gefühle zu haben - wir respektieren diese auch. Es ist klar, dass jede und jeder von uns Zeit brauchen, um mit den Vorkommnissen umzugehen. Dennoch: Ausgangspunkt all unserer Antworten ist die Schrift. Manche denken, dass es sich dabei um Phantasie oder um etwas Irreales handelt, tatsächlich sind die Aussagen der Schrift aber in höchstem Maß real, sie sind die Wirklichkeit neben allen anderen Dingen auf dieser Welt. An unseren Emotionen, an unseren Reaktionen, an unserem Schock zu arbeiten, und wenn wir Opfer sind: die furchtbare Wirklichkeit, die wir erfahren haben, aufzuarbeiten zu versuchen - all das muss unterstützt werden. Aber im Letzten kann nur Gott alles sehen. Eine Mitschwester erzählt dazu immer folgendes: Wenn man sich in einem Museum ganz nahe vor ein Gemälde hinstellt, so sieht man nur ein Haufen kleiner Punkte und Linien, ein Teil des Bildes schaut nur schwarz aus. Man sieht so nie das Ganze, man sieht nicht, wie Schwarzes und Dunkles inmitten von Licht und Schatten liegen. Dieses Bild kann helfen, zu sagen: Geh zurück und schau das Ganze an - und sieh: Das alles hat Gott uns offenbart.

die furche: Glauben Sie wirklich, dass Sie mit dieser Botschaft bei jemandem, der von katholischen Priestern sexuell missbraucht wurde, ankommen?

hermes: Ich kenne eine Frau, die zwei Bekannte, die von einem katholischen Priester missbraucht wurden, zu uns gebracht hat, und deren Ehemann von einem Priester missbraucht wurde und ihr Sohn ebenfalls: Diese Frau benötigte einen langen, langen Weg, um zu einer Beziehung zu Gott zurückzufinden - in dieser Kirche, in der sie das alles erlebt hat. Es gibt sicher viele Missbrauchsopfer, die so etwas derzeit nicht hören können. Aber ich denke, es ist ein feindseliger Gedanke, wie ihn zur Zeit die Medien verbreiten, dass eine Person, die missbraucht wurde, für immer geschädigt bleibt. Was diesen Personen widerfahren ist, ist furchtbar, und ich weiß, dass sie ihr Leben lang damit klarkommen müssen. Aber viele Menschen kommen aus dieser Situation heraus und sind zu "Überlebenden" geworden. Die Gruppe SNAP, das Netzwerk der "Überlebenden" (siehe Seite 4), spricht genau das an. An einem bestimmten Punkt konnten diese Menschen sagen: Ich kann ein Überlebender werden, ich kann mein Leben weiter leben und eine bestimmte Beziehung zu Gott wieder entwickeln. Ich kann das, was geschehen ist, sogar integrieren in das, was ich bin und in das, was den Sinn meines Lebens ausmacht. Aber man muss natürlich feststellen: Wenn ein Christ von jemandem missbraucht wurde, der die Gnade Gottes vermitteln sollte - was ja die innerste Aufgabe eines Priesters ist -, handelt es sich um einen wirklich schweren Schaden. Der Weg daraus ist sehr steinig. Aber mit der Gnade Gottes und mit der Hilfe der Gemeinschaft kann Heilung möglich sein.

die furche: Es gibt es eine zweite Gruppe "Opfer" der gegenwärtigen Krise. Ich meine damit die Priester, die gute Arbeit leisten, und die mit sexuellem Missbrauch nichts zu tun haben. Helfen Ihre Aktivitäten diesen Priestern?

hermes: Die Priester, die mit uns in Kontakt treten, sind sehr, sehr dankbar. Die Priester sind meist nicht in der Lage, etwas tun zu können: die Glaubwürdigkeit ist verloren, die Publicity ist schlecht. Das alles lässt die Priester hilflos zurück. Deshalb haben sie unsere Broschüre, die sie ihren Pfarrkindern in die Hand geben konnten, und die keine "offizielle" Stellungnahme der Diözese ist, dankbar aufgenommen. Wir haben jüngst eine Nachtwache in unserer Kapelle gehalten und dabei die ganze Nacht für die Priester gebetet. Einige Priester, die davon gehört hatten, meinten: Ihr wollt das wirklich tun? Für uns!? Diese Priester leiden gewaltig unter dieser Situation.

die furche: Muss es aber nicht auch strukturelle Veräderungen in der katholischen Kirche, damit diese Dinge nicht wieder passieren können?

hermes: Natürlich muss es die geben. Jedermann kommt im Augenblick mit Ideen, wie und was zu verändern ist. Wir müssen dennoch im Blick behalten, dass es sich hier um eine sehr komplexe Situation handelt. Auf einer einfachen, klar zu benennenden Ebene geht es darum, dass Kindern durch Priester Leid angetan wurde. Das muss beendet werden - welche Maßnahmen immer nötig sind. Darüber hinaus gibt es Fragen, die damit zusammenhängen: Priester sind eine sehr, sehr kleine Gruppe der Bevölkerung. Wir wissen aber auch, dass Missbrauch in der ganzen Welt vorkommt. Das Hauptaugenmerk muss also darauf gerichtet sein, dass Kindern Leid hier angetan wird - in der Kirche, außerhalb der Kirche. Das, was ich weiß, ist, dass wir nicht mehr zurückkönnen vor den Beginn der Krise. Ich denke, wir dürfen nicht im Zorn verharren. Im Zorn findet man allzu einfache Antworten, die aber nicht auf die Komplexität der Situation Rücksicht nehmen. Für wirkliche Veränderung, die in der Vision von Kirche des II. Vatikanischen Konzils wurzelt, müssen wir offen sein und hören, was der Geist uns sagt.

Das Gespräch führte Otto Friedrich in Boston."Time of Crisis - Time of Faith" ist zu finden unter: www.daughtersofstpaul. com/church/enleaflet.html

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