Landeplätze für Gott schaffen

19451960198020002020

Der steinige Acker Gottes wird heute auch von vielen Laien bestellt: Pastoralassistent(inn)en helfen überall in der Seelsorge.

19451960198020002020

Der steinige Acker Gottes wird heute auch von vielen Laien bestellt: Pastoralassistent(inn)en helfen überall in der Seelsorge.

Werbung
Werbung
Werbung

Voll Vertrauen gehe ich den Weg mit dir, mein Gott, getragen von dem Traum, der Leben heißt. Am Ende dieses Weges bist du selbst das Ziel, du, der du das Leben bist!" Aus vielen Kehlen tönt dieses Lied, das sich die Pastoralassistenten und Pastoralassisteninnen zur Eröffnung ihrer Sendungsfeier im Wiener Stephansdom ausgesucht haben. Ministranten, ein Diakon, der feierlich eine riesige Bibel hereinträgt, der Dompfarrer und der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, ziehen zum Klang der Orgel ein: St. Stephan zeigt sich zu Ehren der 20 Menschen, die heute zu ihren Aufgaben entsendet werden sollen, um das Wort Gottes zu verkünden, von seiner besten Seite: eine bunte, lebendige, vielköpfige Schar hat sich eingefunden, um mit ihnen zu feiern.

Seit 1972 gibt es den Beruf des Pastoralassistenten/der Pastoralassistentin, der sich im Spannungsfeld zwischen Priestern und ehrenamtlichen Mitarbeitern einer Pfarre behaupten muß. Nach 27 Jahren ist die anfängliche Skepsis allerdings breiter Akzeptanz und Dankbarkeit gewichen. Das liegt vor allem am hohen Einsatz und der Ernsthaftigkeit, mit dem die Entsendeten je nach Persönlichkeit und Neigung ihr breit gefaßtes Aufgabengebiet mit Sinn erfüllen. "Das Reich Gottes gegenwärtig machen" kann nur, wer glaubwürdig nach dem Wort Gottes lebt. Der vielfältige Dienst kennt keine Präferenz der Geschlechter. Väter und Mütter mehrerer Kinder, Theologiestudenten, Ordensleute: die Menschen, die sich zum Pastoralassistenten ausbilden lassen, stehen mit beiden Beinen im Leben. Religionslehrer, Musikerzieher, Bibliothekarin, Physiotherapeutin, Missionsschwester: zahlreich sind die Berufe, aus denen die Gesendeten kommen - von Äthiopien übers Waldviertel bis nach Indien oder Medjugorje reichen die Orte, an denen sie geboren sind.

Genauso unterschiedlich wie die Herkunft werden die Tätigkeiten sein, denen sie sich widmen: von Kinder- und Jugendarbeit über Taufgespräche, Eheberatung bis hin zur Krankenseelsorge und den Senioren reicht das Spektrum ihres Einsatzgebietes in Pfarren oder Kliniken. Wortgottesdienste, Meditationen, Bibelrunden und Stundengebete dürfen sie auch halten. Die Gnade, Sakramente zu spenden, bleibt aber allein den Priestern vorbehalten.

"Ich möchte, daß Priester und Laien nicht die Angst haben, einander etwas wegzunehmen; durch Taufe und Firmung sind wir gemeinsam miteinander berufen, am Reich Gottes zu arbeiten", wünscht sich Roswitha Sternberg, der als Pfarrassistentin in Wien-Kalksburg eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe zukommt: sie vertritt den Pfarrer, darf zur Wiederaufnahme in die Kirche vorbereiten, die pfarrliche Öffentlichkeitsarbeit erledigen, Wortgottesdienste und Stundengebete leiten, Matriken und Unterschriften leisten, den Haushaltsplan erstellen und Vermögens- und Bauangelegenheiten regeln. Bei Pastoralkonferenzen vertritt die Mutter dreier Kinder die Angelegenheiten der Pfarre.

Beinahe ein Pfarrer ...

Pfarrer Hermann Hofer aus Rodaun fungiert als Moderator, sein Vorgänger Dr. Christoph Benke springt Sonn- und Feiertags ein. Hermann Hofer trifft Roswitha Sternberg einmal wöchentlich, um Termine zu koordinieren. Obwohl kein Pfarrer seinen Wohnsitz in Kalksburgs Kirche "St. Petrus in Ketten" hat, gibt es jeden Samstagabend und jeden Sonntag früh eine Messe. Donnerstags hält die Pfarrassistentin einen Wortgottesdienst, im letzten Jahr kam sogar eine Firmgruppe zustande. Im Marienmonat Mai gestaltete sie den Rosenkranz, alle vier Wochen Seniorenrunden: "In Kalksburg gibt es viele ältere Menschen, ich bin sehr stolz, wenn ich Rückmeldungen auf meine Predigten kriege". Es freut Sternberg, daß sie nach einem Jahr als Verantwortliche von allen Kirchenbesuchern akzeptiert wurde. An guten Wochenenden finden zwischen 70 und 100 Menschen den Weg in das Gotteshaus mit dem ständigen Aushilfspriester. Ambitionen, Frau Pfarrer zu werden, hat Sternberg keine: "Mir ist die Eucharistie sehr wichtig, ich bin froh, daß ich sie nicht halten und jedes Wochenende da sein muß, da bin ich gar nicht neidig".

Das Verwurzeltsein in einer Familie hat auch Vorteile. Manchem, der sein Herz ausschütten möchte, fällt es leichter, sich der Ehefrau und Mutter zu eröffnen, als dem Herrn Pfarrer, dessen Amt für einige eine Hemmschwelle zur Offenheit darstellt. "Ich bin ein Mensch zum Angreifen, ich kann leicht Gesprächsbereitschaft signalisieren", sagt Roswitha Sternberg. In Eheberatung oder Taufvorbereitung hat sie es oft mit kirchenfernen Menschen zu tun. "Da bemühe ich mich um eine sehr schöne Feier, um den Leuten zu zeigen, wie ansprechend eine Kirche sein kann, damit sie das Fest in schöner Erinnerung behalten." Wenn diese Menschen ab und zu wiederkommen, freut sie das besonders.

Sternberg hat nach engagierter ehrenamtlicher Tätigkeit in ihrer Heimatpfarre Brunn am Gebirge bei der Sendungsfeier der jetzigen Kollegin Gerda Wöber Feuer gefangen. Damals entschloß sie sich, trotz einer fertigen Berufsausbildung als Physiotherapeutin, im zweiten Bildungsweg die Ausbildung zur Pastoralassistentin zu machen.

Seit kurzem heißt die Ausbildung "Lehrgang für pastorale Berufe", dauert drei Jahre, beinhaltet die theologischen Kurse und gilt auch als Qualifikation zur Jugendleitung. 16 Leute nehmen heuer daran teil. Jeder Kandidat wird vor Beginn des Lehrgangs im "Referat für pastorale Dienste" am Stephansplatz beim persönlichen Gespräch auf Eignung und Ernsthaftigkeit hin abgeklopft. Außerdem gibt es die Möglichkeit, nach einem abgeschlossenen Theologiestudium das Praktikum zu absolvieren, oder den Lehrgang für Nichtakademiker imSeminar für kirchliche Berufe am Wolfrathplatz in Wien XIII. zu besuchen. Zur Zeit arbeiten in der Erzdiözese Wien etwa 270 Pastoralassistenten und Pastoralassistentinnen.

Im Spital, auf der Uni "Ich bin kein eingefleischter Theologe, hab Medizin studiert, und bin draufgekommen, daß ich gerne als Pfleger arbeite und Menschen begleiten möchte," erklärt Peter Maurer. Er arbeitet in einem psychiatrischen Krankenhaus. Obwohl es dort viele Therapeuten und Psychiater gibt, ist seine Tätigkeit sehr wichtig. "Ich werde oft in religiösen Fragen angesprochen, und kann einzelne spirituell begleiten, was sonst überhaupt nicht zur Sprache kommt." Maurer hat eine dreijährige Tochter Magdalena und ist "in seinem 12. Jahr" als Pastoralassistent.

Einen anderen Arbeitsbereich hat Hans Kouba, es sind die Studenten: er bemüht sich in der Seelsorge an der Wirtschaftsuniversität und an der Universität für Bodenkultur, aufstrebenden Jungmanagern den Weg zur Spiritualität zu weisen: "Es ist schon manchmal ein harter Weinberg, aber es lohnt sich, gerade dort, wo die Leute einmal in die Wirtschaft wollen."

Die Aufgabe seines Berufsstandes faßt Kouba, der auch Vertreter der Pastoralassistenten in der Erzdiözese Wien ist, in einem Satz zusammen: "Wir müssen Landeplätze für Gott schaffen!" lautet das Motto des zweifachen Familienvaters.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung