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Wir müssen welttüchtige Priester bilden

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Aus dem soeben Gesagten ergibt sich nun die Spiritualität des Theologen: Der Theologiestudent (der

Alumne) muß sich um vertiefte Beschäftigung mit der Hl. Schrift bemühen; um besonderes Interesse für die Armen; um ernstzunehmende Bruderliebe; um das Heranreifen in Verzicht und Opfer; um eine innige Beziehung zu den Sakramenten; um echte Weltaufgeschlossenheit.

Das heißt konkret: im Seminar gilt es, nicht weltflüchtige, auch nicht weltsüchtige, sondern welttüchtige Priester, die die Zeit von heute so sehr benötigt, heranzubilden.

Da gegen die Vereinsamung und Überforderung des Diözesanpriesters eine intensive Zusammenarbeit gefordert ist, soll auch im Seminar zur Fähigkeit, miteinander im Geiste des Evangeliums zu arbeiten und zu beten, erzogen werden. Da eine solche Zusammenarbeit am besten in einer kleinen Gruppe geschehen kann, soll im Seminar der Teamgeist herrschen (Dekret über die Priestererziehung III, 7).

Schwerpunkte der Priesterausbildung

Im Grand Seminar (Priesterseminar) iv. Mechelen hatten wir Gelegenheit, mit Prof. Bulckens — er doziert PocJinraJ — flbar diese arwedeuteten

Probleme und Fragenkreise ausführlich zu sprechen.

Drei Schwerpunkte seien hier festgehalten:

• Ausbildung der Persönlichkeit: Die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit des Theologiestudenten wird durch eine „strukturierte Freiheit“ gewährleistet. Es gilt, Atmosphäre zu schaffen, in der die Seminaristen in Eigenverantwortung und Selbstentscheidung ihr Leben im Seminar gestalten. Ordnung ist sicher notwendig — verstanden als Rahmen, in dem größtmögliche Freiheit gegeben wird — auch auf die Gefahr hin, daß dieser Rahmen einmal überzogen wird. Ordnung ist notwendig, sowohl für das Wachstum und die Reifung der Persönlichkeit des einzelnen, notwendig im Interesse der Gemeinschaft als solcher und nicht zuletzt notwendig für das spätere Priesterleben.

• Gruppenwirkung: Die Theologen in Mechelen arbeiten in Gruppen zusammen, um so die Verantwortung gegenüber dem ändern tragen zu lernen. Jede Gruppe zählt auch je einen sogenannten Moderator, einen Priester, zu ihren Mitgliedern. Ein Moderator hat eine ähnliche Aufgabe wie ein Priester als geistlicher Assistent in einer Aktivistenrunde einer Laiengruppierung. Er ist der priesterliche Freund und begleitet als solcher die Gruppe. Er ist nicht Direktor sondern Moderator, also einer von ihnen. — Die Gruppen wurden bis jetzt nach geographischen Gesichtspunkten gebildet. Seit kurzem versucht man als Einteilungsprinzip das der Zusammenwür- felung. Diese Gruppen sind vor allem Lebensgruppen, solche die ein mal wöchentlich gemeinsam eine „Revision de Vie“ durchführen. Die Revision de Vie ist die einzige Gewohnheit, die gut ist, denn sie ist die Gewohnheit, alle alten Gewohnheiten abzulegen. Die Revision ist die gemeinsame Suche nach dem Willen Gottes in den Ereignissen des Lebens mit den Augen des Evangeliums und das entsprechende darauffolgende Handeln. So gesehen ist die Revision nicht etwa etwas gewollt Modernes, sondern eine der ältesten Forderungen des Christentums. Schon Johannes sagt: „Bekehret euch...“, und damit meint er die Metanoia, das heißt die Umkehr vom alten zum neuen Menschen. Genau das will die Revision de Vie. Voraussetzung für eine solche Gruppe ist die Vertrauensbasis, die Offenheit dem Mitbruder gegenüber.

Die Offenheit in der Gruppe und die Verantwortung füreinander gehen sogar so weit, daß mitbrüderlich über Eignung und Nichteignung zum Priesterberuf gesprochen wird und daraus die Konsequenzen gezogen werden. Der Präsident des Seminars fordert selten einen Alumnen auf, das Seminar zu verlassen, denn diese Aufgabe hat die Gruppe übernommen.

So kann für die Gruppe ein zu großer Individualismus ein Zeichen für die Nichteignung sein. „Das Disengagement eines Theologen ist ein Hinweis für die Nichteignung zum Weltpriester.“ So formuliert es Prof. Bulckens. Darüber hinaus gibt es Arbeits- und Freizeitgruppen.

Es gibt also ein großes Maß an Freiheit und Eigenverantwortlich-“ keit. Selbstverständlich ist es notwendig, die gewährte Freiheit richtig zu gebrauchen. Hier gilt es, sich über die Rangordnung der Werte klar zu sein und sich dann so entsprechend zu verhalten. Der einzelne Theologe soll ja nicht zu sehr Individualist werden, sondern sich erziehen zur Offenheit für Mensch und Leben. Das Gefühl der Solidarität mit den Mitmenschen, das Gefühl für das Leben und ein Gespür für die Bedürfnisse. Sorgen und Nöte der Menschen, die dem künftigen Priester dann anvertraut sind, soll durch eine solche Erziehung geweckt werden.

Auch das Dekret über die Priesterausbildung fordert, daß den neueren Erkenntnissen der Psychologie und Pädagogik bei der Erziehung der Alumnen Rechnung getragen werden soll. Als Erziehungsziele werden genannt: menschliche Reife, Charakterformung, persönlicher Mut, Aufrichtigkeit, wacher Gerechtigkeitssinn. Zuverlässigkeit, gute Umgangsformen, Bescheidenheit und

Liebenswürdigkeit im Gespräch. Die Seminarordnung soll also so gestaltet sein, daß sie „schon eine gewisse Einführung in das spätere Leben des Priesters ist“.

Zurück nochmals zur Gruppe im Seminar, so sei noch vermerkt, daß auch der Bischof die einzelnen Gruppen besucht. Jeder Seminarist hat außerdem die Möglichkeit, seine Wünsche bezüglich seines künftigen Pfarreinsatzes oder seines Studiums dem Präsidenten des Seminars mitzuteilen, die dann entsprechend berücksichtigt werden.

• Pastorales Training: Das gesamte Theologiestudium ist — ganz im

Geiste des Konzils — pastoral ausgerichtet. Die pastorale Ausbildung erfolgt also kontinuierlich alle Studienjahre hindurch. Dieses Training umfaßt eine gediegene Kenntnis der soziologischen Struktur des Bistums sowie der Pfarrei, in der jeder Alumne auch als „Lehrling“ in der Zeit der Ausbildung tätig ist. In der jeweiligen Pfarrei nimmt der Seminarist am gesamten pfarrlichen Leben teil

Erziehung zur Pastoral

In Leuven, im Seminarie Johannes XXIII. waren wir Gast bei Moralprofessor Fons D’Hoogh. Dieses Seminar arbeitet eng zusammen mit dem eben genannten in Mechelen. Ergänzend sei einiges erwähnt.

Die Priester sollen Zusammenarbeiten, daher ist eine Erziehung zur Einsamkeit nicht denkbar. Das heißt die Seminaristen leben in „Equipes de Vie“. — So erläutert Prof. D’Hoogh. — Dadurch wird die Selbständigkeit gefördert. Die Ordnung, die im Haus herrscht, ist ein Rahmengesetz. Der heutige Priester muß auch die Glaubensschwierigkeiten, die der moderne Mensch hat, kennen. Das heißt, die Kenntnis einer Anthropologie des Menschen von heute ist Voraussetzung für jeden , künftigen Seelsorger. Das Seminar bildet also Hirten aus, die zu den Schafen gesandt sind und die sie kennen. Erzogen wird auf die Pastoral hin, auf die positive und konstruktive Zusammenarbeit mit Priestern und Laien, sowie auf gesunde Selbständigkeit.

In der priesterlichen Gemeinschaft Wiederum lernen wir ja gläubig hinhorchen auf den ändern; seine guten Absichten, seine Begründung; lernen uns ausdrücken, uns mitteilen; im Gespräch vereinen. Im Dialog geht es nicht so sehr darum mit den anderen über etwas zu reden, sondern mit jemandem zu reden, sich ihm mitzuteilen und ihn anzunehmen.

Die Ausrichtung der Theologen, die in einer Gruppe, in einem Team Zusammenarbeiten, ist also mehr als eine bloße Studiengemeinschaft. Sie will ja bewußt das Pfarrteam anstreben. Die Forderung der zukünftigen Gemeinde an die Theologen, die in einem Team arbeiten, lautet daher: Lebt eure Spiritualität gemeinsam, denn das Zeugnis einer Gruppe ist immer stärker als das des einzelnen, lernet einander lieben, einander zu helfen und zu ergänzen, miteinander zu beten und zu arbeiten, lernt vor allem verzichten.

Wir müssen daher immer von neuem, ja täglich neu beginnen, in den Seminarien, ja in allen kirchlichen Strukturen, selbst die Kirche zu leben!

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