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Unsere jüngste Diözese

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Warum lieben es die Menschen so sehr, zu den Anfängen zurückzublicken, Geschehenes immer wieder zu registrieren und an Gedenktagen aufzuzählen? Ist dies nicht Selbstgefälligkeit oder Flucht in die Vergangenheit? Oberflächliche Kritik könnte sich daran stoßen. Wer aber tiefer schaut, der weiß um die eminente Bedeutung des Geschichts-bewußtseins für den Menschen. Indem er nämlich die Ereignisse miteinander zu einem Sinngefüge verbindet, sieht er sich selbst hineingestellt in einen geschichtlichen Zusammenhang, den er als Auftrag erfährt. Erst aus der kraftvollen Spannung zwischen der Gebundenheit an die Vergangenheit und der freien Entscheidungsmöglichkeit für die Zukunft erwächst verantwortungsbewußtes Handeln in der Gegenwart. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn schon die Alten die Geschichte eine Lehrmeisterin genannt haben.

Kann dies jedoch auch für den Rückblick auf eine so kurze Zeitspanne in Anspruch genommen werden, wie sie fünf Jahre darstellen? Gewiß nicht in dem Sinn, wie die Geschichtsforschung abgeschlossene Perioden überblickt; wohl aber lohnt es sich, aus einer gewissen notwendigen Distanz auf die Herkunft des Geschehens und seine Verknüpfung mit den vorangegangenen Ereignissen zurückzuschauen und dann vor allem die Richtung in die Zukunft zu überprüfen.

Darum, so meine ich, hat unsere junge Diözese zum Anlaß ihres fünften Geburtstages zunächst voll Dankbarkeit festzustellen, daß sie von der Vergangenheit zehrt, von den schwierigen Aufbaujahren der Apostolischen Adminiistratur Burgenland zwischen 1921 und 1960, in denen die Voraussetzungen für die Diözesanwerdung geschaffen wurden. Und jenen, die vor uns gearbeitet haben, gebühren in erster Linie Verdienst und Dank. Das sagen wir mit noch tieferer Überzeugung als im Augenblick der Errichtung vor fünf Jahren, weil wir inzwischen sehen kannten, daß die Diözese schon in so kurzer Zeit ein Eigenleben gewonnen hat, eine Tatsache, die in der Vergangenheit grundgelegt wurde. Denn wenn auch der Status der Administrator nur ein provisorischer war, so stand doch die Diözese immer als Ziel vor Augen, und letztlich galt es damals wie heute, der Reich-gottesarbedt möglichst günstige Voraussetzungen zu schaffen.

Dann aber dürfen wir doch feststellen, daß die fünf Jahre seit dem 11. November 1960 eine besondere Note tragen, schon deshalb, weil die Diözese eben etwas anderes ist als die Apostolische Administratur. War diese in erster Linie ein Verwaltungsorgan, so weiß sich die Diözese als ein lebendiger Organismus innerhalb des Leibes der Kirche, ausgestattet mit einem eigenverantwortlichen Leben, das aber zu seiner Entfaltung der Verbundenheit mit der Gesamtkirche bedarf. So haben wir damals die Diözesanwerdung als einen Auftrag verstanden und sind bemüht, den Erwartungen, die in uns gesetzt werden, gut zu entsprechen.

Diese ersten fünf Jahre bekamen ihre Ausrichtung in sehr starkem Maße auch von dem großen gesamtkirchliohen Ereignis des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in diese Anfangszeit fällt. Wir empfinden dieses Zusammentreffen als eine glückliche Fügung. Die Vorbereitungszeit galt der Überprüfung des Standes nicht nur innerhalb der Gesamtkirche, sondern auch in unserer Diözese. Das Konzil selbst setzt die Schwerpunkte, die unsere Arbeit bestimmen und noch lange bestimmen werden.

So stehen diese fünf Jahre unter dem Programm des aggiornamento, zu dem Papst Johannes XXIII. aufgerufen hat und das von Paul VI. fortgeführt wird. Für uns bedeutet dies vor allem, daß wir die zeitbedingten Wandlungen innerhalb unseres Diözesan-gebietes sehen und in unsere gesamte seelsorgliche Planung einzubauen trachten. Im Vordergrund steht natürlich die innere Erneuerung des kirchlichen Lebens unserer Diözese. So sehr wir die Vergangenheit schätzen, wissen wir doch, daß sich aus ihr allein nicht leben läßt. Unser Bemühen verfolgt daher das Ziel, wieder zu bewußtem persönlichem Christentum zu führen. Die innere Erneuerung soll den Klerus ebenso erfassen wie die Laien. Sie soll durch eine den Zeiterfordernissen angepaßte religiöse Bildung im wedtesten Sinn gut fundiert werden. Das Nachziehen auf dem Bildungssektor hat uns daher in den letzten Jahren stark beschäftigt und wird dies auch in der kommenden Zeit noch tun. Denn heute können wir eine bewußte Christentat und ein übefr* zeugtes Christenleben nicht ohne Einsicht und Bewußtsein erwarten. Das Christentum würde aber nicht ganz gelebt, wäre es nicht ein missionarisches. Gerade diese Haltung aber ist in vielen Christen fast ganz erstorben, was nicht ohne Auswirkung auf den christliehen Charakter eines Landes bleiben kann.

Selbstverständlich dürfen wir die Strukturänderungen nicht übersehen, die in unserem Burgenland auf allen Gebieten im Gange sind und sich auch im religiösen Bereich bemerkbar machen. Aus einem Agrarland, das es zwar nie ganz war, wird immer mehr ein von der Industrie bestimmtes Land. Aus einem stark abgeschlossenen Land, das sein Eigenleben führen und sein Brauchtum pflegen konnte, wird immer mehr ein Fremdenverkehrsland, das sich den mancherlei Einflüssen von außen öffnet und sich mit den Sitten oder Unsitten anderer auseinandersetzen muß. Aus einem Land mit wenig eigenen Bildungsmöglichkeiten wird immer mehr ein Land, das Jahr für Jahr neue Schulen errichtet und immer mehr Menschen einer höheren Bildung zuführt. Aus einem Land, das durch seine Einfachheit und Bescheidenheit bekannt war, wird immer mehr ein Glied der modernen Konsumgesellschaft, das ebenso von der Vergnügungsindustrie überschwemmt wird. Das und manches andere, was auf dem kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Sektor im Umbruch ist, beeinflußt auch das Leben der Diözese und muß daher in Rechnung gestellt werden,keineswegs nur als Minusposten, sondern ebenso auch als Chance.

Die Kirche des Burgenlandes versucht ihre Mission in der Gegenwart auf dem skizzierten Felde zu erfüllen. Die Priester allein, selbst wenn ihre Zahl größer wäre, können die Arbeit nicht bewältigen, ja sie sollen sie gar nicht allein tun. Hier kommt dem katholischen Laien eine sehr wichtige Aufgabe zu. Auch unsere Diözese bemüht sich seit Jahren um die Aktivierung der Laien und wird es in Zukunft noch intensiver tun müssen. Ein kleines Land mit großen Aufgaben kann es sich nicht leisten, daß es seine Kräfte verzettelt. Darum strebt die Diözese auf verschiedenen Gebieten nach einer möglichst engen Zusammenarbeit mit den Organen des Landes. Ich freue mich feststellen zu dürfen, daß auf beiden Seiten einiges gelungen ist. Wir hoffen, daß wir auch in der Zukunft in einem guten Miteinander zum geistigen und leiblichen Wohl unseres Volkes noch manche Probleme gemeinsam lösen können.

Ich bin mir bewußt, das erste Quinquen-nium der Diözese Eisenstadt nicht erschöpfend gezeichnet zu haben. Doch das wollte ich gar nicht, stehen wir doch noch zu nahe daran. Eines aber darf ich zusammenfassend wohl sagen: Wir haben die Diözesanerhebung als einen Auftrag erfahren und versuchen ihn nach den Zeichen der Zeit zu erfüllen. Viele Menschen sehen das neue Feld, und viele sind es, die an der Arbeit sind. Gott gebe uns dazu seinen Segen!

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