Was kommt nach den Machos & Emanzen?

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Momentan scheint niemand ein Rezept dafür zu haben, wie die Gleichstellungsfrage vorangetrieben werden kann. Ist es gefährlich, einen neuen Feminismus zu fordern?

Da waren wir doch schon weiter. So hatten wir gedacht. Fast ungläubig muss man zur Kenntnis nehmen, dass die schönen Worte beim letzten Frauentag vor fast einem Jahr wieder nur Worthülsen waren.

Denn seither, ehe der nächste 8. März gefeiert wird, mussten wir ernüchtert feststellen: Die Einkommensschere zwischen Mann und Frau geht wieder auseinander. Vor den Parlamentswahlen Ende September letzten Jahres hockten lauter Spitzenkandidaten im Anzug bei den TV-Duellen zusammen, bis es dem ORF in einem Anflug von Political Correctness zu viel wurde und er eine extra Damenrunde mit Politikerinnen einrichtete. Nach denselben Wahlen sitzen weniger Frauen im Parlament als zuvor. Die einzige Rektorin einer öffentlichen Universität, Ingela Bruner, wirft nach einem Jahr im Amt das Handtuch. Bruners Abgang mag viele Gründe gehabt haben, Faktum ist: Die Rektorenrunde ist wieder rein männlich.

"Die so genannte gläserne Decke ist eher aus Beton", meinte die Politikwissenschafterin Birgit Sauer in einem Resümee über die österreichische Frauen- und Gleichstellungspolitik kürzlich.

Wie umgehen mit Silberrücken?

Und zu allerletzt brach ausgerechnet bei den Grünen ein Macht- und auch Geschlechterkampf aus. Ziemlich deutlich oder subtil schwang dieser bei einigen Wortmeldungen betroffener Politiker und Parteianhänger mit, nachdem EU-Parlamentarier Johannnes Voggenhuber vom Bundeskongress und Bundesvorstand der Partei abgewählt worden war. Die neue weibliche Führungsriege gegen alte graue Machos?

So sagte die frühere Grün-Politikerin Monika Langthaler im Standard: "Die Machos wie Voggenhuber und Pilz halten es nicht aus, dass eine Frau Chefin wird." Johannes Voggenhuber wiederum vernahm Sexismus in die andere Richtung. Der Silberrücken müsse erlegt werden, hätte man ihm gegenüber gesagt, betonte er im Standard. Und all das nach Jahrzehnten der Frauenbewegung? Ist es also vorbei mit der Gleichstellungsrhetorik, sobald es um das Eingemachte geht, um Macht und Geld? Nehmen Frauen tatsächlich männliche Herrschaftsmuster zur Hand, wenn sie selbst an der Spitze sind?

Angesichts dieser Rückschläge könnten sich jene bestätigt fühlen, die schon seit Längerem davon reden: Der Feminismus steckt in der Krise, wird zu abgehoben in akademischen Zirkeln diskutiert, befindet sich in einer Sackgasse, ist eh schon tot, wären Alice Schwarzer und ihr Blatt Emma nicht so lebendig. Es müsse einen neuen Feminismus geben, wie auch immer dieser gestaltet werden könnte.

Und manche warnen genau vor diesen Rufen, denn zu oft würden sich hinter diesen Forderungen ganz andere Motive verbergen: "Frauen, haltet den Mund, es ist eh schon alles perfekt. Sind nicht die so genannten neuen Feministinnen oder Alphamädchen jene, die meinen, alles zu schaffen, was sie nur wollen? Sollen sie es probieren."

Sibylle Hamann, Journalistin und Autorin des Buches "Weißbuch Frauen, Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen" (Deuticke 2008) sieht das Modewort daher kritisch. In einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung sagt sie: "Diese Haltung scheint mir unter jungen Frauen zurzeit verbreitet, und ich kann nicht verhehlen, dass ich zeitweise auch so dachte. Wenn man jung, gut ausgebildet und frei von familiären Pflichten ist, glaubt man, dass einem die Welt gehört." (Siehe auch Debatte Seite 22, 23.) Bis ungefähr Mitte 30 scheint es mit der Gleichberechtigung mehr oder weniger gut zu klappen. Dann wird es zäh, dann geht es auch um hohe Positionen. Hamann und ihre Mitautorin Eva Linsinger plädieren daher für einen neuen Geschlechtervertrag: Männern müsse auch klargemacht werden, dass alle von Gleichberechtigung profitierten, auch sie selbst. Nicht nur die Männer sollten sich endlich in der Rolle des Hausmanns und Papas wohlfühlen. Die Frauen sollten auch etwas lernen: abgeben und loslassen. Mann schaukelt das Kind schon.

Wie aber den Männern die Rolle des Hausmanns schmackhaft machen, wenn die Frauenbewegung davor eben diese Rolle verteufelt hat? Meist heißt es dann, man müsse diese Funktion eben wieder aufwerten, zu Recht, aber auch hier liegt eine Gefahr: Sobald Männer in einem vorher typischen Frauenberuf Fuß fassen, wird dieser oft aufgewertet, doch auch das umgekehrte Phänomen kann beobachtet werden: Dringen Frauen in eine Männerdomäne ein, führt das mitunter zu einer Abwertung des Berufs, wie auch Hamann und Linsinger anmerken. In der Abwertung der Hausarbeit und Kindererziehung liegt sicher ein Grund für den momentanen Stillstand in der Gleichstellungspolitik, so wichtig der Ausbruch aus der alten Hausfrauenrolle auch war. Die Wirtschaft blieb großteils bei ihren alten, männlichen Strukturen, die Frauen änderten währenddessen ihre Rollenbilder.

Teile der Frauenbewegung gingen sogar so weit, auch in den berüchtigtsten Branchen männlicher Unterdrückung Rollenbilder zu ändern: Aus der Prostituierten soll eine selbstbestimmte Sexarbeiterin werden, die einen Job wie jeden anderen macht; sie soll arbeitsrechtlich abgesichert sein, um, wenn sie will, aus dem Beruf leichter aussteigen zu können. Schluss also mit der Opferrolle! So sinnvoll und richtig diese Ansätze erscheinen würden, so gefährlich sei ihre Symbolwirkung, warnen einige Frauenrechtlerinnen.

Aufbrechen aller alten Machtsysteme?

Sympathisantinnen dieser "Hurenbewegung", etwa Grünpolitikerinnen hierzulande und in Deutschland, gerieten sich in dieser Frage mit Alice Schwarzer in die Haare. Die Symbolfigur der deutschen Frauenbewegung kritisiert diesen Kurs vehement. Gerade die Diskussion um diesen Extrembereich macht ein großes Problem der heutigen Frauenbewegung sichtbar: Man passte sich alten Strukturen an, ohne es zu wollen. Man meint, die Stellung der Frauen zu stärken, stärkt aber vor allem eines: Systeme männlicher Dominanz, wo Frauen zum überwiegenden Teil Opfer sind. Die Frauen änderten ihre Rollen, die Strukturen blieben aber gleich. Es ist daher eine Illusion, dass man die Gleichberechtigungsdebatte wiederbeleben kann, solange in einer mächtigen Schattenwelt Frauen weiterhin als Sexobjekte erniedrigt werden. Freie und selbstbestimmte Sexualität sollte anders ausschauen. Entlang dieser Frage könnte sich der Feminismus neu definieren.

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