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Milde Software Fraueneinsicht

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Gesellschaft sind wir alle, Politik ist, wie wir miteinander leben. Wir Frauen sind nicht nur verschieden durch Aussehen und Charakter, unser Leben hat vm-terschiedliche Phasen, weil wir durch das weibliche Geschlecht eine andere Bindung zum Leben haben als Männer.

Die unterschiedlichen Lebens-phaseri gegenseitig zu verstehen und als gemeinsam zu empfinden ist eine Voraussetzung für die Solidarität, die wir brauchen, um

Erfolg zu haben. Die tiefere Ver-netztheit mit dem Leben ist auch der Unterschied zum Mann. Männer haben Laufbahnen - flach oder steil, aber kontinuierlich. Die Kontinuität ist ein Teil des männlichen Systems unserer Gesellschaft, von der alle sagen, daß sie im Aufbruch und Umbruch ist.

Ohne den komplementären, den ergänzenden weiblichen Beitrag wird es nicht gehen. Die Gestaltung der Zukunft bedarf nicht nur des Weitblickes, sondern auch der Umsicht, und deshalb muß die Gesellschaft sich so verändern, daß die Anforderungen, um mit-zugestalten, nicht allein auf die Männer zugeschnitten sind.

Wenn der Krieg der Vater aller Dinge war, braucht die zukünftige Politik — und ich meine damit den Einfluß -, braucht die Gesellschaft die Frauen - nicht als Quote, sondern als Voraussetzung zur Vernetzung imd Gesundung (von denen sehr oft die Rede ist), braucht die Gesellschaft den

weiblichen Beitrag auf allen Ebenen — nicht leise und unauffällig wie bisher, sondern akzeptiert und bewertet.

Frauen brauchen die Quote nicht, aber noch viele Männer — nicht alle—brauchen die Quote als Bewußtseinsbildung, um zu erkennen, daß ohne Frauen kein Staat zu machen ist.

Andere Gewichtung heißt andere Bewertung in beiden Bereichen der Frau, Familie und Beruf. Hausfrauen sind nicht nur „Hausfrauen“, sie alle sind damit auch Unternehmerinnen kleiner, mittlerer oder größerer Betriebe. Im Steuersystem müßte das Beachtung finden.

Nicht nur Betriebe sind förderungswürdig, Förderung statt Hilfe braucht auch unsere Familienpolitik. Zum Beispiel ein weit kinderfreundlicheres Familienkonzept wäre, statt des bisherigen Haushaltseinkommens nicht das Arbeitseinkommen, sondern das Pro-Kopf-Gesamteinkommen anzunehmen. Die viele unentgeltliche Frauenarbeit, ist sie „umsonst“?

„Warum leben Frauen länger?“, war die Frage eines Internisten neulich kuf einem Kongreß, und.

die Antwort seines Kollegen: „Weil sie das Leben anders verstehen, weil sie ansprechbarer sind auf sinnvolle Lebensgestaltung.“

Bleibt diese Weisheit draußen, außerhalb des Systems der gegenwärtigen Politik, dann wird auch weiterhin Reparatur, die teuer ist, die milde Software der weiblichen Einsicht dominieren. Dieser wichtige Beitrag der Frauen wird bisher total unterschätzt.

In zirka 70 Jahren Demokratie hat sich der Prozentsatz der Frauen im Nationalrat zum Beispiel mühsam von 6,5 auf 11,5 Prozent hin bewegt. Besser - aber auch oft ganz schlecht — ist es in den Landtagen der verschiedenen Bundesländer, die Steiermark gehört zur ersten Kategorie. Am schlechtesten schaut es aber dort aus, wo wirklich in Österreich Politik gemacht wird, in den Vorständen, den Auf Sichtsräten, den Gremien verschiedenster Körperschaften, zum Beispiel der Sozialversicherung.

Sowohl im „Betrieb“ daheim wie im Beruf kämpfen Frauen nach wie vor mit der Unfähigkeit, ihren Beitrag ins rechte Licht zu rücken.

Das müssen wir in der Politik stehenden Frauen endlich verändern. Eine Generation des Wiederaufbaus hat sich zum Beispiel „Trümmerfrauen“ nennen lassen, Männer hätten sich von Anfang an als „Wiederaufbauexperten“ ins Buch der Geschichte eingetragen.

Die Unterbewertung der Frauen im politischen Bereich hat zu einer Uberschätzung des Machbaren, das letztendlich nicht mehr machbar ist, geführt. Rücksicht auf Frauen nehmen heißt, menschengerechte Größenordnungen, Humanisierung der Politik und vernetzte Verantwortlichkeit einzusetzen - nicht der Frauen wegen, sondern damit wir alle nicht nur einen Fortschritt, sondern auch eine Zukunft haben.

Die Autorin ist Dritte Präsidentin des Stei-ermärkischen Landtages. Aus: „Osterreichische Monatshefte“ (7/88).

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