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Der Mann als Feind, das Kind als Gefahr

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„Unterschreiben Sie das Frauenvolksbegehren?”, wurde ich kürzlich gefragt. „Nein”, war meine Antwort und: „Typisch Macho” die Reaktion...

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„Unterschreiben Sie das Frauenvolksbegehren?”, wurde ich kürzlich gefragt. „Nein”, war meine Antwort und: „Typisch Macho” die Reaktion...

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Sich als Mann zu „Frauenfragen” zu äußern, ist schwer geworden, wenn man sich nicht den Kanon der feministischen Forderungen zu eigen macht. Zur „political correctness” gehörte es nämlich, „Feministin” zu -sein. Aber vertritt man damit auch die Interessen der Frauen?

Der Abfassung dieses Beitrags ist ein langes Gespräch mit meiner Frau vorangegangen. Sie wird das Frauenvolksbegehren nicht unterschreiben. Warum? Einige der Punkte trägt sie aus Solidarität mit berufstätigen Frauen durchaus mit. Aber wie soll sie zum Ausdruck bringen, daß ihre Interessen so gut wie nicht vertreten werden? Ihre Interessen, das heißt die Anliegen der nicht berufstätigen Frau, die den Schwerpunkt ihres Lebens auf Kinder, Enkel, Betreuung von Kindern berufstätiger Freunde, kranker Verwandter und Nachbarn, auf den Haushalt und das Einspringen in Notfällen ausgerichtet hat.

Wieder einmal sei keine Rede von den Bedürfnissen der Kinder, die auf liebevolle Betreuung durch ihre Mütter angewiesen sind, würde nicht nach Ansätzen gesucht, es Frauen finanziell zu erleichtern, bei ihren Kindern zu bleiben. Dabei würde das dem Staat eine Menge Geld ersparen: Krabbelstuben, Hortbetreung, Krankenhauskosten, Altenbetreuung usw. ...

Dennoch möchte ich klarstellen: Das Volksbegehren vertritt eine Reihe von Anliegen, die unterstützens-wert sind: Wer kann etwas dagegen haben, daß gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird, Teilzeitarbeit aufgewertet, die Zeit der Kindererziehung und Pflegearbeit zur Pension angerechnet wird, daß Frauen bessere Möglichkeiten zum Wiedereinstieg ins Berufsleben geboten werden und die Karenzzeit angehoben wird?

Gerade bei der letzten Forderung aber erkennt man die ideologische Einseitigkeit des Volksbegehrens: Mehr Karenz nur für Alleinerzieherinnen. Frauen will man nur dann mehr Zeit für Kinder einräumen, wenn es gar nicht anders geht, wenn sie allein verantwortlich sind.

Daß es eine besondere Beziehung von Mutter und Kind gibt, paßt nicht wirklich in das Weltbild der Volksbe-gehren-Proponentinnen. Echte Männer machen den gängigen Vorstellungen nach „halbe-halbe”: Mann und Frau als austauschbare Rollenträger in Familie und Beruf, Familiengründung als Quelle der Benachteiligung für die Frau, nicht jedoch für den Mann, das Kind der vorprogrammierte „Karriereknick”.

Zitate von Volksbegehrensbefür-worterinnen illustrieren den geistigen Hintergrund, auf dem die Forderungen formuliert werden: „Frauen haben selbstverständlich Interesse an Veränderung, denn sie können gewinnen: Einfluß, Geld und Möglichkeiten. Männer hingegen verteidigen den Ist-Zustand, denn sie können nur verlieren” (FURCHE 7/1997).

Um Macht, Geld und Einfluß geht es: „Es ist höchste Zeit, daß wir Frauen uns selbst um eine gerechte Verteilung der bezahlten und der unbezahlten Arbeit, der Macht und des Geldes kümmern” (Eva Rossmann, Journalistin und Mitinitiatorin des Volksbegehrens).

„Es geht um die Verteilung von Privilegien, um die Neuverteilung von gesellschaftlichen Positionen, von Arbeitsplätzen ... Und es geht natürlich um Macht ...” (Johanna Dohnal). Und: „Wenn der Mann nicht bereit ist, von seinen 90 Prozent an Macht 40 Prozent abzugeben, wird das unerträglich”, so die Therapeutin Rotraud Perner. Viele Paare würden heute nicht mehr zusammenziehen, weil die Frau sich „sicherheitshalber” den Rückzug offenhalten will. „Frauen wissen heute, daß sie ohne Mann glücklicher werden. Aber manchmal kommt halt noch die Liebe dazwischen” (Perner). Klingt fast bedauernd, nicht wahr?

Diese Art, über die Mann-Frau-Beziehungen zu denken, teilen sogar die Kritikerinnen des Volksbegehrens, wie die OVP-Generalse-kretärin Maria Rauch-Kallat. Ihre Einwände sind nämlich nur wirt-schaftsbezogen: zu teuer, zu viele Lasten für die Unternehmen, die Frauen noch weniger anstellen würden. Aber: „Der ÖVP geht es um die unabhängige und eigenverantwortliche Frau, die über ihre eigene wirtschaftliche und soziale Situation entscheiden können muß.” Der Kampf der Geschlechter, das grundsätzliche Mißtrauen dem Mann gegenüber ist angesagt. Dazu der Soziologe Ulrich Beck: „Das Gegeneinander der Geschlechter bestimmt die kommenden Jahre.”

Das ist marxistische Tradition: Der Mann sei in der Familie der Bourgeois, die Frau das Proletariat, so Friedrich Engels. Und: „Die moderne Einzelfamilie ist gegründet auf die offene oder verhüllte Haussklaverei der Frau.”

Auf diesem Hintergrund hat Simone de Beauvoir ihre Vorstellungen von der Befreiung der Frau in ihrem Werk „Das andere Geschlecht” formuliert und damit die Grundlage des heutigen Denkens gelegt. Ihrer Meinung nach komme man nicht als Frau zur Welt. Man werde von der Gesellschaft dazu gemacht. Die Mutter-Kind-Beziehung sei die Quelle des Übels: „Dieses gegenseitige Zueinandergehören stellt in Wirklichkeit nur eine doppelte verhängnisvolle Unterdrückung dar”, schreibt sie.

Diese Grundstimmung der Kinderfeindlichkeit zieht sich unausgeprodurch das gesamte Volksbegehren. Die Frau wird nicht als Mutter, sondern als selbständige Erwerbsperson, als gleichberechtigtes Rädchen im Wirtschaftsgetriebe gesehen, der die Geburt der Kinder die Gefahr eines „Karriereknicks” beschert. Um das zu verhindern, fordert das Volksbegehren Ganztagsbetreuungsstätten „für Kinder aller Altersstufen”. Ob das die Drogen- und Jugendkriminalitätsprobleme erleichtern wird?

Jedenfalls scheint es den Anliegen der Menschen unseres Landes zu widersprechen: „Die Hälfte der österreichischen Frauen und Männer sieht es neuen Umfragen zufolge als Ideal an, wenn Mütter bei ihren Kindern zu Hause bleiben und nicht arbeiten gehen”, so eine 1995 veröffentlichte repräsentative Studie über „Familie und Familienpolitik in Osterreich”. Drei von vier vollberufstätigen Frauen mit Kindern würden lieber zu Hause bleiben oder kürzer arbeiten, jede zweite Teilzeitbeschäftigte lieber ganz bei den Kindern sein.

Mejir Freiraum der Mütter für ihre Kinder, das wäre die unbedingt notwendige Ergänzung für manche sinnvolle Forderung des Volksbegehrens gewesen. Aber sie paßt eben nicht ins Konzept, gilt als „ideologischer Rückschritt” (Rossmann).

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