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Für Frauen keine Chancengleichheit?
Warum beschäftigen sich Frauen so wenig mit Politik? Vielleicht, weil sie der Meinung sind, daß Parlamentsbeschlüsse und politischer Alltag mit ihren Interessen nichts zu tun haben.
Den Versuch, Frauen politisch zu mobilisieren, ihnen verständlich zu machen, daß Politik nichts Abstraktes ist, sondern in ihr tägliches Leben eingreift, unternimmt die österreichische Frauenbewegung mit konkreten Problemen, die Frauen besonders betreffen.
Ein solches Thema ist beispielsweise der Wohnbau. Vor allem für kinderreiche Familien sind die meisten neuerbauten Wohnungen in Wien viel zu klein und auch viel zu teuer. In den Jahren 1971 bis 1975 betrug die Durchschnittsgröße der neuerbauten Wohnungen in Wien 68, der gesamtösterreichische aber 85 Quadratmeter. Und wegen der hohen Kosten stehen rund 75.000 der
804.0 alten und neuen Wiener Wohnungen leer.
Besonders trist ist die Wohnsitua- tion am Stadtrand, ln den künstlichen Siedlungen ohne Infrastruktur sind Kontakte zwischen den Bewohnern und den verschiedenen Altersgruppen kaum möglich, ist die Jugendkriminalität und die Zahl der Neurosen - vor allem bei Frauen - auffallend hoch. Warum sollte der Ausbau des Verkehrsnetzes, die Errichtung von Einkaufs-, Freizeit- und Bildungszentren Frauen weniger angehen als Männer?
Das besondere Anliegen aller Frauenorganisationen gilt der berufstätigen Frau. Auch die Frauenbewegung will die Benachteiligung der Frau in der,Öffentlichkeit deutlich aufzeigen und damit Unternehmer und Verwaltungsbehörden zwingen, ihr in Hinkunft dieselben Berufschancen einzuräumen wie dem Mann. In diesem Zusammenhang war die Frage des Wiedereinstiegs der Frau in den Beruf Anlaß einer Podiumsdiskvission, bei der Fachleute aus verschiedenen Lebensbereichen Stellung bezogen.
Es geht jedoch nicht darum, ein neues Rollenklischee zu schaffen, etwa von der Frau, die wieder ins Berufsleben eintreten muß (Bundesvorsitzende Herta Haider). Tatsache ist aber, daß sich immer mehr Frauen für eine „zweite Karriere“ entschließen und vor einer Reihe ungelöster Probleme stehen.
Aus vieljähriger Erfahrung weiß die Psychologin Liselotte Huber, daß viele Frauen unsicher und passiv sind und über die Bedeutung der Kindererziehung, ihre Möglichkeiten zur Weiterbildung und auch über eine zweite Berufslaufbahn im Rahmen der Arbeitsmarktförderung viel zu wenig informiert sind. Für die psychische Bewältigung der Doppelbelastung ist die bewußte Entscheidung und die Unterstützung durch den Ehepartner sehr wesentlich.
Nur eine selbstbewußte Frau kann ihre Kinder zu gesunden, vollwertigen Menschen erziehen. Sozialanalytiker Herbert Rauch regt eine „Kultur der Erziehung“ an; Kindererziehung sollte einer der qualifiziertesten Berufe in der Gesellschaft sein. Die Einwände der Wirtschaft gegen die Aufnahme von Frauen über Vierzig konnten längst widerlegt werden, der Vorwurf der mangelhaften Ausbildung trifft leider noch bei vielen Frauen zu, weiß Sigrun Schlick aus ihrer Tätigkeit als „Betriebsratsobfrau“ zu berichten.
Ein heißes Eisen haben die Frauen hier aufgegriffen. Das wurde jedenfalls in der sachlichen und engagierten Diskussion deutlich. In der heutigen Auf bruchsituation fällt es der Frau immer schwerer, ihr Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und Selbständigkeit mit ihrer Rolle als Mutter in Einklang zu bringen.
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