7013861-1988_19_08.jpg
Digital In Arbeit

Dilemma des Feminismus

19451960198020002020

Der Vorwurf, unsere Welt sei männerdominiert, wird häufig erhoben. Die Frauenbewegung tritt gegen weibliche Benachteiligung auf, schießt aber auch übers Ziel.

19451960198020002020

Der Vorwurf, unsere Welt sei männerdominiert, wird häufig erhoben. Die Frauenbewegung tritt gegen weibliche Benachteiligung auf, schießt aber auch übers Ziel.

Werbung
Werbung
Werbung

„Auch heute ist der Anteil an männlichem Engagement für diese Thematik gering, obwohl ihnen die Auseinandersetzung mit Konzepten feministischer Phüoso-phie durchaus zugemutet werden könnte.“ Diese Worte aus einer Erklärung Wiener Phüosophie-studentinnen sind beispielhaft für viele Klagen, die in der Frauenbewegung erhoben werden. Männer kümmern sich nur selten um die Benachteüigung der Frau, sie informieren sich kaum über die Ziele und Aktivitäten der Frauenrechtlerinnen.

Das mangelnde Interesse der meisten Männer ist bedauerlich, und die Feministinnen haben

recht, wenn sie darauf hinweisen und von Männern mehr Engagement verlangen. Aber es ist die Frage, ob sie an diesem Zustand ganz unschuldig sind. Denn es gibt genug Fälle, in denen sie Männer massiv davon abhalten, sich über Frauenfragen zu informieren.

Im „WUK“ (Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser in Wien) und in der Urania veranstaltet man Frauenseminare, wo Männer nicht zugelassen und im Bedarfsfall an der Teilnahme gehindert werden. Während der dritten „Frauen-sommeruniversität“, die 1986 in Innsbruck stattfand, wurden Männer generell von den Veranstaltungen ausgeschlossen. Als sich der Rektor der Universität dennoch Zutritt verschaffte, wurde er von empörten Feministinnen aus dem Saal getragen.

Man hört in diesem Zusammenhang häufig die Unterstellung, daß Männer sich ja doch nicht informieren, sondern bloß die Diskussion stören wollen, aber dieser Einwand ist nur eine Ausrede, denn auch im Wiener Uni-Frauenzentrum, einer Bibliothek über Frauenliteratur, ist Männern der Zutritt untersagt.

Diese Politik bringt Männer in eine unangenehme Situation: Wenn sie sich nicht informieren, werden sie der Ignoranz beschuldigt. Wenn sie sich aber informieren wollen, werden sie ausgeschlossen und davongejagt. So prekär diese Lage für Männer ist, für Feministinnen ist sie noch unangenehmer. Denn ihre Strategie, von Männern Engagement zu fordern, um es dann zu sabotieren, hat fatale Folgen:

Erstens geben sie damit jenen Männern Auftrieb, die das Klischee verteidigen, daß Frauen inkonsequent handeln und „nicht logisch denken“ können.

Zweitens arbeiten sie den Frauen und Männern in die Hände, die behaupten, daß der Feminismus gar kein gesellschaftliches, sondern ein psychologisches Problem sei.

Drittens bestätigen sie konservative Männer in ihrer Einstellung, Frauen von Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft fernzuhalten. Diese Leute haben jetzt ein Argument mehr: „Ihr sperrt Männer aus. Also behalten wir uns das Recht vor, wie gehabt auch Frauen auszusperren. Dann

sind wir quitt.“

Viertens werden informations-wülige Männer vor den Kopf gestoßen. Die potentiellen männlichen Anhänger werden entmutigt und vergrault. Dies zeigt sich auch bei der zuweilen angewandten Praxis, daß man Männern bei Frauenveranstaltungen “ höhere Eintrittspreise abverlangt: diese „Kollektivstrafe“ trifft nicht diejenigen, die für die berufliche Benachteiligung der Frau verantwortlich sind, sondern die potentiellen Verbündeten, die Männer, die „es besser machen wollen“.

Die Abgrenzungspolitik der Feministinnen trifft also immer die Falschen, denn ihre wirklichen Gegner sehen über die Sorgen der Frauen hinweg und haben anderes zu tun, als sich feministische Reden und Diskussionen anzuhören.

Fünftens stößt diese Maßnahme auf Unverständnis bei allen Frauen, die sich nicht zur Emanzipationsbewegung zählen. Diese Folge ist besonders prekär. Denn Feministinnen können unsere Gesellschaft nur verändern, wenn sie eine Breitenwirkung entfalten.

Dazu müssen sie sich aber so verhalten, daß ihre Ziele und Methoden für die Mehrheit der Frauen akzeptabel werden. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Mehrheit auf ihre Seite zu bringen, können sie auch keine gesellschaftlichen Veränderungen erreichen.

Die Feministinnen, die auf eine zunehmende Radikalisierung hinarbeiten, sollten sich überlegen, warum so viele Frauen der Frauenbewegung desinteressiert oder ablehnend gegenüberstehen. Es müßte ihnen zu denken geben, daß die Mehrheit der Frauen die „Tina“, die .Petra“, die „Brigitte“ oder die „Freundin“ liest, aber nur eine kleine Minderheit von 75.000 die „Emma“.

Da Frauen sich ihre Lektüre freiwillig aussuchen, kann die Schuld daran (aus-

nahmsweise einmal) nicht beim Mann liegen. Wo hegt sie denn?

Die Feministinnen müssen sich entscheiden, ob sie die Gesellschaft verändern wollen oder ob sie sich lieber in kleinen Gruppen abkapseln, um über die schrecklichen Lebensverhältnisse im Patriarchat zu debattieren.

Wenn Frauengruppen dazu auf-

rufen, „alle Männer zu boykottieren“ und „keine gemeinsame Sache mit ihren Unterdrückern zu machen“, dann werden sie nie über den Status einer Sekte hinausgeraten. Der Weg zu einer gerechteren Gesellschaft verlangt eine Öffnung nach außen, auch gegenüber den Männern.

Der Autor ist Mitarbeiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Neuere Osterreichische Geistesgeschichte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung