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Frauen haben’s besser

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Man müßte sich als Anhänger der Emanzipation dauernd über die Unterschiede ärgern, die man in jeder kleinsten Nachricht zwischen Frau und Mann macht: „Eine Frau bestieg den Gipfel X“, „Eine Frau wird Ministerpräsidentin“. Als ob Frauen nicht genauso Menschen wären, wie die Männer und die Geschlechtslosen.

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Man müßte sich als Anhänger der Emanzipation dauernd über die Unterschiede ärgern, die man in jeder kleinsten Nachricht zwischen Frau und Mann macht: „Eine Frau bestieg den Gipfel X“, „Eine Frau wird Ministerpräsidentin“. Als ob Frauen nicht genauso Menschen wären, wie die Männer und die Geschlechtslosen.

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Eine Fernsehkomödie wird so angekündigt; „Die Hauptheldinnen sind zwei rivalisierende Literatinnen. Sie rivalisieren nicht so sehr im Beruf, sondern mehr als Frauen, im Kampf um einen Mann.“ Dies ist wirklich skandalös! Es geht ja um Literatinnen, also wohl um recht emanzipierte Menschen, und trotzdem betont man, daß es Frauen sind, man zwingt sie in die traditionellen Frauenrollen zurück! Würde man über Literaten männlichen Geschlechts auch so schreiben?

Andererseits - wie hätte man es schreiben sollen? Die Literaturmen- schinnen kämpften doch um einen Mann als Mann, sie wollten ihn ja nicht als Leser gewinnen. Sie sind trotz der hohen Stufe ihrer beruflichen Emanzipation doch Frauen geblieben. Und wahrscheinlich schämten sie sich nicht einmal dessen, so veremanzipiert waren sie wiederum nicht.

Wäre die Situation im Stück umgekehrt, kämpften zwei Literaten um eine Frau, würden sie es auch als Männer tun und nicht als Berufskollegen. Als der große russische Dichter Puschkin im Jahre 1837 den miserablen Schreiber d’Anthes zu dem für Puschkin tödlichen Duell aufforderte, ging es nicht ums Versmaß, sondern um die Frau des Dichters.

Mögen die Frauen die ganze Leiter der Berufe und Positionen bis nach oben erklimmen - ich gönne es ihnen! - sie werden dennoch Frauen bleiben. Die Männer haben es seinerzeit geschafft, im Prozeß der Befreiung vom Matriarchat, und haben ihr Geschlecht dabei nicht ganz verloren.

Man behauptet zwar, daß Frauen in verantwortlichen „Männer“berufen ihre Weiblichkeit verlieren, was kämpferische Emanzen - je nach Einstellung - bestreiten oder begrüßen. (Man hat es schon immer behauptet. Der polnische

Dichter Julian Tuwim sagte: „Eine Frau, die schreibt, begeht zwei Sünden - sie vermehrt die Zahl der Schreibenden und vermindert die Zahl der Frauen.“ Dieser Spruch wird unter anderem durch das erwähnte Fernsehspiel widerlegt.)

Es gibt aber auch Statistiken und Studien, die beweisen, daß gestreßte Männer einen Teil ihrer Männlichkeit einbüßen. Der Konflikt zwischen Sexualität und Berufsstreß ist also nicht geschlechtsbedingt. Man muß hier eine allgemeine Lösung finden, damit Frauen immer Frauen und Männer Männer bleiben. Es wäre schade, diesen kleinen, aber keineswegs reizlosen Unterschied vermissen zu müssen. Diese Gefahr ist Gottseidank gering.

Und solange Frauen Frauen bleiben, ist selbst die Vision einer radikalen Frauenherrschaft nicht so grauenvoll - es bleiben den Männern noch gewisse Chancen, zumindest die, die die Frauen heute haben. Damit läßt sich noch leben.

In einem alten jüdischen Witz sagt ein armer Hauslehrer: „Wenn ich so reich wie Rothschild wäre, wäre ich reicher als Rothschild - ich könnte mir noch mit Nachhilfestunden zuverdienen.“ Also, jede Frau, die Direktorin, Präsidentin oder Spitzenwissenschqft- lerin wird, kann noch mehr sein - auch noch eine Frau.

In der Zeitung stand, daß die Amerikaner Schwierigkeiten mit den weiblichen Soldaten ihrer Rhein-Armee haben -jeweils zehn bis zwanzig Prozent von ihnen sind schwanger. Ich zitiere es nicht als Beweis, daß Frauen für den

Beruf des Soldaten ungeeignet sind - kein Mensch, Frau oder Mann, soll sich zum Soldatensein eignen; die besonders Geeigneten mag ich besonders nicht. Es .geht nur darum, daß viele Soldatinnen absichtlich in die Schwangerschaft flüchten, um aus der Armee entlassen zu werden.

Es ist also nicht immer ungünstig, eine Frau zu sein - denn Männer haben diese Möglichkeit nicht.

Meine lieben Mitmenschinnen, es lebe der kleine Unterschied.

Zu guter Letzt

Moskovitz ist ein treues Parteimitglied.

Ein Bekannter fragt ihn: „Was ist das, bolschewistische Kritik und Selbstkritik?"

Moskovitz antwortet: „ Wenn ich auf einer Parteiversammlung sage: .Genossen, der Goldberg war unser Genosse, er gehörte unserer Parteizelle an, er hatte unser Vertrauen. Und dann ist dieser Goldberg zum Verräter geworden. Er ist mit seiner Familie nach Israel gegangen. Er hat unser sozialistisches Vaterland im Stich gelassen' - das ist Kritik."

„ Und was ist dann Selbstkritik?"

„Das ist ganz einfach. Wenn ich sage: .Genossen, was für ein Trottel war ich, daß ich nicht auch mit meiner Familie nach Israel gegangen bin', das ist Selbstkritik."

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