Was ist noch dran Am Mann?

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Was waren das für Zeiten, als die Luft noch nach John Wayne roch und der eine oder andere auf Männerabenden mit Stolz von seinen nächtlichen Eroberungen berichtete? Bei manchem ruft solches Nachsinnen Nostalgie hervor. Lange ist es her, dass Don Juan und Casanova als gefeierte Heroen eines festen Männlichkeitsbildes daherkamen. Heute werden Herrenwitze der Couleur Rainer Brüderle und allerlei anrüchige Machismen ohnehin und glücklicherweise kritisch beäugt. Die moderne Frau ist längst zum politischen Subjekt herangereift. Mehr noch: Wirtschaft, Politik und Bildungssysteme werden immer weiblicher. Längst kann nichts mehr darüber hinwegtäuschen, dass Mädchen die Jungen in Schulen und Universitäten überholen. Nie war das Bild der Powerfrau, die sich zwischen Mutterschaft und erfolgreicher Führungskraft als das eigentlich "starke“ Geschlecht zu präsentieren wusste, so im Zentrum gesellschaftlicher Realität wie heute.

Vom Urwaldgetöse zur Metrosexualität

Nur, wo sind eigentlich die Männer geblieben? Zerfiel spätestens durch Judith Butlers postfeministische Wende, die alle Formen von Geschlechtszuschreibung als Ideologie entlarvte, jedwede Berechtigung für patriarchales Urwaldgetöse, galt es zunehmend, das bislang testosterongeladene Männlichkeitsbild in pluralis zu denken. Die Schwulenbewegung machte gleichgeschlechtliche Partnerschaften auch im homophoben Männerzirkus salonfähig und aus den biederen Anzugträgern wurden teils metrosexuelle Großstadturbanisten, die mit maskulinen Modeklischees zugunsten freierer Selbstpräsentationen abrechneten. Wer noch klassisch auf dicke Hose zu machen versucht, wird schnell eines vorsintflutigen Gesellschaftsmodells verdächtigt.

Aber wann ist der Mann (noch) ein Mann nach all diesen rapiden sozialen Veränderungen? Und was gilt in unseren Tagen überhaupt als männlich? Dass Krimikommissare nur selten ihrer Verantwortung als Vater nachkommen, dass zahllose Westernfilme der letzten Jahre wieder mit dem alten Haudegen sympathisieren, dass in Funk und Fernsehen die Ikone des eiskalten Aufsteigers unverblümt in die Ecke gedrängt wurde, zeigt deutlich: Unsere emanzipierte Gesellschaft ist in einer Männlichkeitskrise angekommen.

Glücklicherweise ist das, was man mit der einstigen Krone der Schöpfung noch assoziierte, durch allerhand Liberalisierungen revidiert worden. Statt Rambos und Egostars, Strategen und Unternehmenspatriarchen setzt die Wirtschaft der Nuller-Jahre auf weibliche Kompetenzen: Teamfähigkeit, Sensibilität, Kommunikationsgabe und die Kunst des guten Moderierens sind gefragt. Der Mann fürs Grobe wurde durch die multifunktionale "Familienmanagerin“, die Kind, Kegel und Beruf vereint, ersetzt.

Männer in der Zwickmühle

Wer die daraus resultierenden Verunsicherungen auf das ehemals "starke“ Geschlecht außer Acht lässt, verstellt den Blick auf die Wirklichkeit. Während Frauen endlich beginnen, ihren Marsch durch die Institutionen anzutreten, mangelt es zunehmend an einem authentischen, männlichen Selbstbewusstsein.

Die Revolverhelden und Sprücheklopfer von gestern sind nun in einer Zwickmühle: Einerseits fordert man ihnen eine fürsorgliche Vaterrolle ab, hält sie zur Trias aus Zuhören, Verstehen, Einfühlen an und ermahnt sie stets zum gendergerechten Verhaltenskodex; anderseits lässt sich doch beobachten: Zu viel Weichspülerei ist unter den Frauen auch nicht gern gesehen. Natürlich, Männer sollen kochen können und den Putzeimer nicht scheuen.

Aber wer hat letztlich die besseren Karten bei der Partnersuche? Der Hausmann oder der erfolgreiche Anwalt? Ersterer wäre wohl die Antwort der politischen Korrektheit. Dass die meisten Frauen, gerade jene, die den täglichen Stress zwischen Job und Erziehung erleben, noch immer auf einen starken, selbstsicheren, gut verdienenden Begleiter an ihrer Seite setzen, mag jedoch mehr der Wirklichkeit entsprechen. Man muss daher fragen, ob die gesellschaftliche Emanzipation verkrusteter Rollenbilder auch der privaten Wirklichkeit standhält.

Dass die Gleichstellung der Geschlechter bei einer kritischen Prüfung auch für neue Ungerechtigkeiten sorgt, gehört zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme. Unbestritten ist zunächst die noch immer massive Benachteiligung von Frauen in vielen Lebensbereichen. Das Privileg der (sozialen) Mutterschaft bleibt jedoch bei alledem beinah unberührt und ist letztlich doch Ausdruck einer alten Ordnung, die es zu überwinden gilt. Nachdem alleinerziehende Mütter jahrzehntelang für mehr Rechte kämpfen mussten und heute teils noch immer einen zu langen Atem für ausbleibende Unterhaltsleistungen brauchen, wird es dafür den überzeugten Vätern von heute nicht immer leicht gemacht. Im Gegenteil: Treten sie im Scheidungsfall dafür ein, die Kinder bei sich aufziehen zu wollen, verspricht dieses Votum oft ein hartes Gefecht vor Gericht. Und selbst die Praxis des Besuchsrechts kann nach manch einem Beziehungsdesaster für sie zur Alltagshölle auf Erden werden. Die traditionelle Lebensaufteilung, welche Frauen die Erziehung und Männern das öffentliche Dasein zuerkennt, scheint ein beharrliches Relikt zu sein. Es schadet nicht nur den verbrämten Vätern, sondern auch den Frauen, die qua Recht in das alte Muster des "schwachen“ Geschlechts zurückverwiesen werden.

Debatte mit Schere im Kopf

Als um Gender-Fragen engagierter Mann über diese Aspekte zu schreiben, mutet zugegebenermaßen heikel an. Michel Foucault und Judith Butler wussten schon: Das eigentliche Machtregime drückt sich in der Sprache aus. Desto mehr überdenkt man in der Position des jungen, noch etwas idealistischen Schreibers jedes Wort, um sich keiner (allzu großen) Häme auszusetzen. Doch diese Schere im Kopf erweist sich als symptomatisch in der fehlenden Debatte um eine bedrohte, männliche Identität.

Politiker meiden regelrecht Überlegungen zur Förderung von Jungen in der Schule. Der Begriff "Maskulismus“ klingt zu mächtig, als dass sich liberale Männer auf einen solchen berufen würden. Wer dann und wann doch den Mut aufbringt, etwas zu Männlichkeit und dessen, was sie ausmachen kann, zu sagen, begibt sich in unsicheres Gewässer. Der Vorwurf des Machismus ragt wie ein Damoklesschwert aus den medialen Horizonten hervor. So bleibt alles, wie es ist. Frauen kämpfen für die Frauenquote, Frauen kämpfen für eine längst überfällige Gleichberechtigung in Lohnfragen und Frauen erobern zu Recht die klassischen Ressorts und Bezirke der Männer. Doch sollte es nicht auch Anliegen des weiblichen Pendants sein, zu Fragen der Gleichberechtigung eine differenzierte Stellung zu beziehen. Betrifft eben GLEICH-berechtigung nicht immer zwei Seiten? Und können nicht auch Männer wie Frauen in Wirtschaft und Politik gleichermaßen von einer solchen Entwicklung profitieren?

Wer sich diesen Überlegungen ernsthaft stellt, muss eine herkulinische Aufgabe meistern, die allen voran auf die Riege der Herren zukommen dürfte. Nachdem die Frauen seit Jahrhunderten gegen patriarchale Doktrinen zu Felde zogen, scheint es nun an der Zeit zu sein, einen Denkraum zu eröffnen, in dem Gendercodes nicht mehr an ideologische Altlasten geknüpft sind. Basierte das maskuline Selbstverständnis noch bis kürzlich auf Vorherrschaft und Selbstverwirklichung, ist das einstige "Herrschaftsgeschlecht“ nun am Zuge, ein Selbstbild jenseits hierarchischer Positionen zu entwickeln. Dabei muss klar sein, dass keinerlei soziale Anforderungsprofile wie die Vater- oder die klassische Ernährerrolle von außen kommen dürfen. Den Männern stünde es gut zu Gesicht, nun eigene Kreativität an den Tag zu legen.

Die schwächere Hälfte

Was ist dran an der viel beschworenen Krise der Männlichkeit? Werden Buben inzwischen benachteiligt? Diverse Statistiken zeigen, dass Männer heute öfter mit sozialen Problemen zu kämpfen haben als Frauen. Psychoanalytiker August Ruhs wirft einen Blick in die Geschichte der Geschlechter. Und ein Mann erzählt über seinen Zugang zu einer neuen Männlichkeit.

Redaktion Sylvia Einöder

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