Der gute Tag für das schlechte Gewissen

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Wieder einmal "Muttertag" - der langjährige Versuch, die Gesellschaft an die Leistung eines Teiles ihrer Mitglieder zu erinnern, die zur Bestanderhaltung eben dieser Gesellschaft erbracht werden. Leistungen, die mit schönen Sprüchen, Feiern und Festreden garniert werden, um so das schlechte Gewissen aufzupolieren.

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Wieder einmal "Muttertag" - der langjährige Versuch, die Gesellschaft an die Leistung eines Teiles ihrer Mitglieder zu erinnern, die zur Bestanderhaltung eben dieser Gesellschaft erbracht werden. Leistungen, die mit schönen Sprüchen, Feiern und Festreden garniert werden, um so das schlechte Gewissen aufzupolieren.

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Muttersein": Einst Lebensziel, Traumrolle und Selbstverwirklichungsmöglichkeit für die meisten Mädchen und Frauen; Heute: Karrierehindernis, Belastung, Gratisleistung für die Gesellschaft, benachteiligt auf vielen Gebieten, übersehen auch von den offiziellen "Frauenvertreterinnen", die offensichtlich nur berufstätige Frauen als "vertretungswürdig" betrachten und ihre Ziele und Aktivitäten danach ausrichten.

Daher stellen sich viele Frauen immer öfter die Frage: Wo bleibt eigentlich die Politik für uns Mütter?

Und wo bleibt die Politik für unsere Kinder, die nicht vom Geld allein, sondern vor allem von zeitlichen wie mentalen Zuwendungen ihrer Eltern, speziell ihrer Mutter, leben?

Der Familienminister setzt Steuererleichterungen für die Familie durch - sichtbar am außerhäuslich erworbenen Einkommen des "Familienerhalters" - pflegt also weiter das männliche Image des gestreßten und vom Staat in die Steuerzangen gepreßten "Alleinverdieners", der Frau und Kinder erhalten muß (obwohl die "Versorgungsehe" längst passe ist).

Die Frauenministerin setzt sich für die Beseitigung der beruflichen Benachteiligung der Frauen ein, möchte sie von den Zwängen der Familienpflichten entlasten und durch die allseits geförderte (sozial fast erzwungene) Berufstätigkeit in die finanzielle Unabhängigkeit führen, um sie gleichzeitig dem unbarmherzigen Diktat des Arbeitsmarktes auszuliefern und die Lebensleistung und Altersversorgung der Frauen nur mehr an der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit messen.

Und wo bleiben die Kinder? Die zukünftigen Wähler und Steuerzahler? Wer fragt sie nach ihren Bedürfnissen? Ob sie wirklich die Kinderkrippe, die Tagesmutter, den Kindergarten dem Leben in der Familie zusammen mit ihrer Mutter vorziehen?

Wie werden diese außerhalb der Familie aufwachsenden Kinder einmal mit der älteren Generation umgehen, die sie so früh und unsanft aus der Geborgenheit der Familie in kommunale Ersatzeinrichtungen transferiert hat?

Was ist das für eine Politik, die bereits jetzt schon pausenlos über die "Pensionsproblematik" durch die Langlebigkeit der alten Leute und über die Kinderarmut der mittleren Generation jammert und gleichzeitig die kinderhabenden Mütter durch Löcher des sozialen Netzes fallen läßt - besonders dann, wenn sie "so dumm sind" und mehr Kinder haben als derzeit "in" ist?

Warum gibt es in unserer Gesellschaft noch immer die Mütter, die vier, fünf und mehr Kinder aufgezogen haben, dadurch keinen Beruf ausüben konnten und deshalb kein einziges Pensionsjahr angerechnet bekommen, während ihre Kinder die Pensionen jener Menschen zahlen, die unbelästigt von Kindern ihrer Berufsarbeit nachgehen konnten?

Warum müssen bei uns die Mütter 15 (in Kürze 20) Jahre Berufstätigkeit nachweisen, um die "Kindererziehungszeiten" überhaupt in die Pension eingerechnet zu bekommen - und warum müssen die Abstände zwischen den Geburten vier Jahre betragen (psychologisch unsinnig), um für jedes Kind die volle Anrechnung zu bekommen? Was haben Kindererziehungszeiten mit Berufstätigkeit zu tun?

Grundpension Hat der Generationenvertrag überhaupt noch Gültigkeit?

Warum sagt man nicht (wie schon in anderen Ländern): Das Aufziehen von Kindern ist eine pensionsbegründende Leistung - und mit drei bis vier großgezogenen Kindern hat sich die Mutter eine eigene Grundpension verdient - unabhängig von einer sonstigen Berufstätigkeit?

Warum rechnet sich die Betreuung fremder Kinder mehr als die der eigenen?

Warum gelten Zwillinge in der Anrechnung gleichviel wie ein Kind? Gilt hier das Prinzip der Wirtschaft, daß eine größere Stückzahl rentabler sein muß? Eine Doppelleistung zum halben Preis?

Warum hat man den Karenzgeldkorb wieder höher gehängt und verlangt von der werdenden Mutter nun 16 Wochen Berufstätigkeit vor der Geburt statt der bisherigen vier Wochen?

Warum verlangt man überhaupt eine Berufstätigkeit vor einer Entbindung? Wie sollen Studentinnen, Hausfrauen mit mehreren Kindern diese leisten? Gerade sie haben das Karenzgeld aber besonders nötig!

Wo bleibt der politische Aufschrei der Frauenvertreterinnen bei so vielen Ungerechtigkeiten?

Warum rührt sich nichts beim Kinderbetreuungsscheck? Mit der Hälfte der geforderten Kinderbetreuungsmilliarde ließe er sich vielleicht doch realisieren! Guten Willen und Einsicht vorausgesetzt!

Absurde Situation Überlegungen dazu: Ein Kinderkrippen- beziehungsweise Kindergartenplatz kostet dem Staat monatlich zwischen 15.000 und 16.000 Schilling. Wenn die Mutter 50 bis 60 Prozent dieses Betrages erhielte, mit der Auflage, damit entweder diesen Platz zu finanzieren oder das Geld zu behalten und die Zeit bis zum 4. oder 5. Lebensjahr des Kindes daheimzubleiben, würde dies dem Staat 40 bis 50 Prozent Kostenersparnis bringen und eine sehr kinderfreundliche Leistung darstellen. Dann könnte in den Kindergärten tatsächlich mit Kleingruppen von acht bis zehn Kindern gearbeitet werden und nicht mit 20 bis 30 Kindern so wie derzeit üblich.

Ist es nicht Nonsens: die kleinen Kinder würden dringend ihre Mütter brauchen - diese aber müssen außer Haus erwerbstätig sein, um zu den Familienfinanzen beitragen zu können, und um ihre Altersversorgung zu sichern - als ob es nicht auch möglich wäre, alle Transferleistungen der Gesellschaft an die Familie (Familienbeihilfe, Erziehungsgeld oder Kinderbetreuungsscheck etc.) auf das Konto jenes Elternteils zu geben, der hauptberuflich die Familienarbeit leistet - und nicht automatisch auf das Lohnkonto des außer Haus arbeitenden Partners! Damit hätte die Mutter eine gewisse wirtschaftliche Eigenständigkeit, die Aussicht auf eine eigene Pension, die Kinder aber die Betreuung durch die eigene Mutter wenigstens bis zum vierten Lebensjahr!

Um den Frauen den beruflichen Wiedereinstieg zu erleichtern, müßte die geringfügige Beschäftigung gefördert werden, damit sie beruflich am Ball bleiben können, ebenso die Teilzeit- und Telearbeit. Schließlich müssen auch Männer heutzutage mehrere berufliche "Umstiege" bewältigen.

Leere Versprechen Wo sind übrigens die vielen Arbeitsplätze und Karrierechancen, von denen da immer wieder die Rede ist, zu finden? Daß wirkliche Spitzenpositionen in der Wirtschaft, wenn schon nicht die Ehe, aber meist eigene Kinder ausschließen, wird mittlerweile immer öfter zugegeben. Will aber der Großteil der Frauen nicht beides verwirklichen - Beruf und Familie? Warum wird dann nur die "Berufsfrau" gefördert und die "Familienfrau" psychologisch und finanziell gezielt benachteiligt?

Beispiel gefällig? Wer weiß es schon, daß ein Familienvater, der ein Häusl baut oder eine Eigentumswohnung kauft und seine nicht berufstätige Frau und Mutter als Miteigentümerin in das Grundbuch eintragen will, Schenkungssteuer an den Staat zahlen muß, weil ja seine Frau "nichts verdient"? Die Arbeit in der Familie hat also keinen Wert, wie damit ausgedrückt wird.

Es geht nicht darum, Frauen wieder nur auf ihre Mutterrolle zu fixieren, sondern ihnen die Möglichkeit der freien Wahl zwischen zwei anerkannten, gleichgestellten und sozial abgesicherten Lebensbereichen zu geben beziehungsweise diese je nach Familiensituation miteinander oder nacheinander verbinden zu können, ohne dies entweder auf Kosten der nächsten Generation oder ihrer eigenen sozialen Absicherung tun zu müssen.

Darum nochmals die Frage: Was sind unserer Gesellschaft die Mütter wert? Was sind ihr die Leistungen für die nächste Generation wert?

Was ist uns die Geborgenheit einer Kindheit innerhalb der Familie wert? Und jene Frauen, die für diese Geborgenheit sorgen, die als Tag- und Nachtmütter für ihre Kinder da sind? Was ist mit ihnen?

Lassen wir sie weiterhin im Regen stehen und in die sozialen Löcher fallen? Sollte das Gleichbehandlungsgesetz nicht endlich auch auf die Mütter ausgedehnt werden?

In diesem Sinne: Alles Gute zum Muttertag!

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