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Trostpflaster fiir Kindererziehung

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Viele Frauen unterbrechen ihre berufliche Tätigkeit, um ihre Kinder aufzuziehen. Welche Regelungen gleichen die dabei entstehenden Nachteile bei der Pensionsberechnung aus?

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Viele Frauen unterbrechen ihre berufliche Tätigkeit, um ihre Kinder aufzuziehen. Welche Regelungen gleichen die dabei entstehenden Nachteile bei der Pensionsberechnung aus?

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Im Familienrecht ist es zwar zu einer rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau gekommen. Viele andere Bereiche der gesetzlichen Regulierung kennen j edoch nach wie vor Sonderbestimmungen, die dem Geschlecht des Menschen Rechnung tragen. Dies gilt unter anderem auch für das Pensionsrecht.

Die 40. Novelle des ASVG enthält allerdings nur eine Regelung, die auf die besondere Situation der Frau abstellt: Für jedes lebendgeborene Kind erhöht sich die Pension um drei Prozent der Bemessungsgrundlage, allerdings mit gewissen Einschränkungen.

Damit wird der besonderen Situation von Frauen Rechnung getragen, die „wegen der Geburt eines Kindes ihre Beschäftigung für längere Zeit unterbrechen", wie es in den Erläuterungen zur Novelle heißt.

Da die Adoption auch im übrigen Recht immer wieder der Geburt eines Kindes gleichgestellt wird, kommt es auch aufgrund der ASVG-Bestimmungen zur Gewährung des Kinderzuschlages im Falle der Adoption unter der Voraussetzung, daß sie vor Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes erfolgt ist. In einem solchen Fall gebührt der Kinderzuschlag nur zur Pension der Adoptivmutter und nicht auch zur Pension der leiblichen Mutter.

Die folgenden Beispiele zeigen, wie die Pension zu berechnen ist. Im ersten Beispiel wird davon ausgegangen, daß eine Frau fünf Versicherungsjahre (also 5X1.9 Prozent = 9,5 Prozent Steigerungsbetrag) hat, während im zweiten von 240 Versicherungsmonaten, also 20 Jahren, ausgegangen wird (20 X 1,9 = 38 Prozent Steigerungsbetrag).

Da dieser Zuschlag den Zweck verfolgt, einen Ausgleich für den Entfall von Beitragsjahren wegen Kinderbetreuung zu schaffen, tritt eine Senkung des Zuschlags ein, wenn die Versicherte ohnedies über eine hohe Anzahl von Versicherungsmonaten verfügt.

Die Berechnung dieser Senkung ist äußerst kompliziert, würde im Falle von Beispiel 2 aber dazu führen, daß einer Mutter von drei Kindern nicht 47 (38 Prozent + 9 Prozent), sondern nur 45 Prozent der Bemessungsgrundlage zustünden. Frauen, die bereits 30 Versicherungsjahre aufzuweisen haben, steht kein Kinderzuschlag mehr zu.

Der Kinderzuschlag gebührt der Mutter auch dann, wenn das Kind unmittelbar nach der Geburt stirbt oder wenn der Vater im Gefolge einer Scheidung die Kinder aufzieht.

So sehr die Pensionsreform auch dadurch den Eindruck erweckt, kinderfreundlich zu sein, stellt sie doch gegenüber der früher gültigen Regelung vielfach eine Verschlechterung dar. So würde beispielsweise eine Frau, die 15 Versicherungsjahre hat, erst bei vier Kindern so viel Alterspension erhalten, wie nach der bisherigen Regelung.

Soweit also die Neuerungen der 40. Novelle. Welche anderen Bestimmungen gibt es aber, die für Frauen besondere Regelungen vorsehen?

Da ist zunächst ein Sonderfall der Berufsunfähigkeitspension: Hat eine Frau mindestens vier Kindern das Leben geschenkt und wird sie Witwe, so gilt sie ab Vollendung des 55. Lebensjahres als berufsunfähig, auch wenn sie sich noch bester Gesundheit erfreut. Das bedeutet, daß sie auch dann einen Pensionsanspruch hat, wenn sie nicht ausreichend Versicherungszeiten für eine vorzeitige Alterspension nachweisen kann. Interessant sein könnte diese Bestimmung vor allem für den ländlichen Raum, wo größere Kinderzahlen weniger selten sind als in der Stadt.

Hingewiesen sei auch darauf, daß sogar Frauen, deren Ehe aufgehoben, für nichtig erklärt oder geschieden worden ist, Anspruch auf diese Berufsunfähigkeitspension nach dem Tod des früheren Ehegatten haben. Allerdings muß in einem solchen Fall nachweislieh eine Verpflichtung des Mannes zur Leistung von Unterhalt bestanden haben: Entweder aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder Vergleichs, oder aber einer vor Auflösung der Ehe vertraglich eingegangenen Verpflichtung.

Diese Regelung gilt übrigens ganz allgemein auch für die Zuer-kennung einer Witwenpension für Frauen, deren Ehe nicht mehr aufrecht ist. So kann also die Situation eintreten, daß nach dem Ableben eines Mannes mehrere Frauen Anspruch auf Gewährung einer Witwenpension haben. Hinterläßt beispielsweise ein Versicherter eine Witwe und eine geschiedene Gattin (der Alimente zu zahlen waren)', so bekommen beide Frauen eine Pension.

Allerdings steht den Gattinnen aus früheren Ehen nur eine Witwenpension in der Höhe der Ali-mentationsleistung und höchstens so viel zu, wie die rechtmäßige Witwe bekommt.

Einen Riegel vor allzu offensichtlichem Mißbrauch der Witwenpension hat das Gesetz vorgesehen: Es nützt nichts, wenn alte Männer zum Schein eine Ehe eingehen, um einer jungen Frau einen lebenslangen Versorgungsanspruch zu „vererben". Heiratet ein mehr als 65jähriger Versicherter, so muß seine Ehe mindestens zwei Jahre gedauert haben, damit die Witwe aus dieser Ehe Anspruch auf Witwenpension hat.

Schließt ein Pensionist eine Ehe, so entsteht Anspruch auf eine Witwenpension nur unter den in der Tabelle angeführten Bedingungen. Sonst vermutet das Gesetz, daß nur eine „Versorgungsehe" vorliegt.

Wird allerdings in einer solchen Ehe ein Kind geboren, ist die Frau zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes schwanger oder wird ein vorehelich gezeugtes Kind durch diese Ehe legitimiert, so entfallen die genannten Ausschließungsgründe.

Soweit also die Witwenpension.

Eine Sonderregelung für Frauen gibt es weiters im Zusammenhang mit der Anrechnung von Zeiten vor und nach der Geburt eines Kindes. Neben den Beitragszeiten werden zur Berechnung der Pension auch Ersatzzeiten herangezogen.

Zu letzteren zählt jener Zeitraum, in dem eine Frau von der gesetzlichen Krankenversicherung Wochengeld bezogen hat. Gleichfalls dazugerechnet werden die ersten 12 Monate nach der Entbindung, jedoch nur für Kinder, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren wurden.

Der Geburt eines Kindes wird also in doppelter Weise Rechnung getragen: durch die Ersatzzeit und den Kinderzuschlag.

Neben diesen anrechenbaren Ersatzzeiten kennt das Gesetz noch eine andere Kategorie von Zeiträumen, denen für die Berechnung von Pensionen ein eigener Stellenwert beigemessen wird. Es handelt sich um die „neutralen Zeiten". Man könnte sie auch als Fristerstreckungen ansehen, etwa wenn es um die Erfüllung der Wartezeit geht.

Bei Frauen werden nun Zeiten eines Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz oder Zeiten, die für Kindererziehung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes verwendet wurden, als neutrale Zeiten betrachtet.

Ebenfalls für die ersten drei Lebensjahre ihrer Kinder gilt eine weitere Sonderregelung, die für Frauen von besonderer Bedeutung ist: die Selbstversicherung und die begünstigte Weiterversicherung.

Sie ermöglicht, daß eine Frau, die sich der Kindererziehung voll widmen will, für das zweite und dritte Lebensjahr ihrer Kinder (das erste wird kostenlos als Ersatzzeit angerechnet) durch Zahlung von Versicherungsbeiträgen Versicherungszeiten erwirbt. Der Unterschied zur „normalen" freiwilligen Weiterversicherung ist, daß eine vorangehende Pflichtversicherung nicht gefordert wird und daß die Beiträge nur die Hälfte kosten. Statt 19,5 Prozent beziehungsweise ab 1. Jänner 1985 20 Prozent Beitragsgrundlage sind nur 9,75 Prozent beziehungsweise ab 1. Jänner 1985 10 Prozent als Beitrag zu bezahlen, was dem Arbeitnehmeranteil an der Pflichtversicherung entspricht.

Weiters müssen die Beiträge nicht sofort entrichtet werden. Es genügt, wenn alle Beiträge bis zum 6. Lebensjahr vollständig eingezahlt sind, allerdings kommen verspätet eingezahlte Beiträge teurer.

Das ASVG trägt somit dem Umstand Rechnung, daß viele Frauen für längere Zeit ihre Berufstätigkeit unterbrechen, um sich ihren Kindern zu widmen. Es versucht, die sich daraus ergebenden Nachteile in der Pensionsbemessung zu verringern. Von einer Gleichbehandlung der Kinderbetreuung mit der Berufstätigkeit sind wir jedoch weiterhin weit entfernt.

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