6612137-1955_07_02.jpg
Digital In Arbeit

Soll das Rentenkonkubinat verewigt werden?

Werbung
Werbung
Werbung

Auch der Entwurf des neuen Sozialversicherungsgesetzes sieht den Verlust der Witwenrente im Falle der Wicderverehelichung vor.

Diese Bestimmung gründet sich auf das Hofkanzleidekret vom 5. April 1814 (!) und ist dann in das Pensionsrecht der öffentlich, später auch der Privatangestellten übernommen worden.

Nur wiederverehelichten Kriegerwitwen, deren Gatte im Bezug einer Invalidenrente steht, wird nach 56 (3) des Pensionsgesetzes 1921 jener Beitrag ihrer Witwenpension belassen, um den ihre Pension gegenüber der normalen Witwenpension erhöht worden ist — aber das betrifft ja nur seltene Ausnahmen.

Wozu führt häufig der Entzug der Witwenrente? Kann eine Witwe leichten Herzens auf ihre Existenzgrundlage verzichten, wenn sie heiratet? Gewiß, wenn ihr zweiter Mann ausreichend verdient. Wenn dies aber nicht der Fall ist, steht sie vor der Gewissensfrage: „Wenn ich heirate, ist unser bisheriger Lebensunterhalt nicht gesichert. Wenn ich aber ein .eheähnliches Verhältnis' eingehe, haben wir beide genug zum Leben.“

Zahlreich sind die Fälle, in denen diese Erwägung den Ausschlag gibt. Meist wird das Konkubinat getarnt. Die Frau nimmt den Mann, den sie nicht heiraten kann, als „Untermieter“ auf, oder der Mann die ersehnte Frau als „Wirtschafterin“. In beiden Fällen bezieht die Witwe ihre Pension weiter — denn dem Buchstaben des Gesetzes ist Genüge getan!

Aber auch der Moral? Liegt es im Interesse der Oeffentlichkeit, derartige „Rentenkonkubi-nate“ zu fördern, die Zahl der unehelichen Kinder zu vennehren? Im Durchschnitt ist ein Drittel, im Burgenland sogar zwei Drittel der Konkubinate auf den drohenden Verlust der Witwenrente (= Pension) zurückzuführen. (Mitteilung des Sekretärs der österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof-Koadjutor Doktor Jachym.)

Wie steht es um die Rechtsgrundlage?

Mit der Pragmatisierung hat der öffentlich Angestellte, mit der Entrichtung der Versicherungsbeiträge (ein Zehntel des Einkommens oft durch Jahrzehnte) hat der Privatangestellte den gesetzlichen Anspruch auf seine und seiner Witwe Versorgung erworben. Die Witwenrente ist also keine Fürsorgeeinrichtung, sie ist unabhängig vom sonstigen Einkommen der Witwe. Sie wird nicht eingestellt, wenn die Witwe vermögend ist oder (etwa durch eine Erbschaft) wird oder eine gut bezahlte Erwerbstätigkeit aufnimmt.

Nur in zwei Fällen sieht das Gesetz „das Erlöschen des bereits erworbenen Anspruches auf den Versorgungsgenuß“ vor:

1. Im Falle der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens;

2. im Falle der Wicderverehelichung.

Darnach wäre also die neuerliche Heirat einem Verbrechen gleichgestellt? Nicht ganz: Denn die wiederverehelichte Witwe kann sich (bei Verzicht auf die Abfertigung) die normalmäßige Pension für den Fall eines abermaligen Witwenstandes vorbehalten, was der Ver-brecherin nicht zusteht.

Immerhin gibt dieser Vergleich zu denken:

Nicht die Versorgung der Witwe durch das Einkommen eines neuen Lebensgefährten ist für den Entzug der Witwenpension maßgebend, sondern lediglich die „Trauung“. Gegen den Weiterbezug der Witwenrente bei Aufnahme einer Lebensgemeinschaft hat das Gesetz nichts einzuwenden!

Gegen diese amtliche Gutheißung des Konkubinats wenden sich begreiflicherweise weite Kreise der Bevölkerung, vor allem die Religionsgemeinschaften. Sie schadet dem Ansehen und der Achtung vor der Familie, bedroht aber auch das Ansehen des Staates. Wohin sie auch führt, wurde kürzlich in einer Tagung des Familienbundes angeführt: Von den in den Wiener Jugendhorten untergebrachten Kindern stammen 37 Prozent „aus einem nicht geordneten Familienverband“, 20 Prozent von geschiedenen Eltern, 14 Prozent sind uneheliche Kinder.

Die Forderung, die Zahl der „Rentenkonkubi-nate“ durch eine zeitgemäße Aenderung des Pensionsrechtes einzuschränken, ist somit berechtigt und muß neuerlich mit aller Dringlichkeit erhoben werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung