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Witwen ohne Pension

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Der Rechtsanspruch der Witwe auf Versorgung gründet sich auf das Reskript der Kaiserin Maria Theresia vom 4. November 1771. Daraufhin wurde mit Hofkammerdekret vom 30. November 1771 ein „Pensionsnormale“ erlassen, das zum erstenmal allgemeine Vorschriften über die Zuerkennung von Pensionen an Witwen und Waisen nach Staatsbediensteten enthielt.

Die Beamten selbst waren noch durch weitere zehn Jahre auf Gnadenakte des Monarchen angewiesen, der nach und nach einzelne Verwaltungsbehörden zu solchen Gnadenakten'-er- mächtigte. - . ’ -

Erst am 24. März 1781 stellte Kaiser Josef II. Grundregeln über die Ruhegebühren der Staatsbediensteten auf — als Fortsetzung des Dienstverhältnisses in anderer Form.

Jahrzehntelang blieb es bei dieser Regelung. Erst das Hofkanzleidekret vom 5. April 1814 brachte eine einschneidende Aenderung. Die Napoleonischen Kriege hatten eine beträchtliche Vermehrung des Standes an Berufsoffizieren erforderlich gemacht, und allzu viele hatten ihr Leben für Kaiser und Vaterland geopfert. Die Zahl der häufig jungen Witwen war stark angestiegen, und die Staatskassen waren leer (Staatsbankerott 1811). Die nötigen Sparmaß-', nahmen betrafen — wie üblich — vor allem die Linie des geringsten Widerstandes. Und so kam es zum Verlust der Witwenpension im Falle der Wiederverehelichung. Und dabei blieb es bis heute! Alle seither erschienenen Pensionsgesetze — auch das vor wenigen Jahren in Kraft gesetzte Allgemeine Sozialversicherungsgesetz — übernahmen diese Bestimmung. Nur wiederverehelichten Kriegerwitwen, deren Gatte eine Invalidenrente bezieht, wird seit 1921 die (geringe) Differenz zwischen der normalen und ihrer erhöhten Witwenpension belassen.

Geändert aber haben sich die Folgen des Entzuges der Witwenpension. Früher fanden sich die Witwen mit dem Entfall ihres eigenen Einkommens ab und heirateten trotzdem. Denn die öffentliche Moral diffamierte Konkubinate, machte manche Witwe gesellschaftsunfähig. Heute wird eheähnliches Zusammenleben schon von manchen Gesetzen anerkannt, weite gesellschaftliche Kreise finden sich mit den Folgen des Pensionsentzuges ab. Daher schließen viele Witwen mit dem Mann įhrer Wahl keine Ehe, sondern gehen mit ihm ein „eheähnliches Ver- hältnis" ein und behalten ihre Pension. Meist Wird dieses „Rentenkonkubinat“ getarnt. Der Mann nimmt die ersehnte Frau ais MWittschäftd-,’; ‘ rin aufe. die‘Frau deri"Mann,/dbn‘ki’e tiibht‘ įrei- ’ raten kann, als „Untermieter“. Wer kennt nicht Dutzende oder Hunderte solcher Rentenkonkubinate, die noch dazu meist der Haushaltsbesteuerung entgehen?

Ist der Entzug des durch die Dienstleistung des verstorbenen Gatten wohlerworbenen Rechtes auf Witwenpension gerechtfertigt? Die Gleichstellung der Witwe, die eine Ehe eingeht, mit Schwerverbrechern? Denn nur in diesem .Falle „erlischt zu ihren Lebzeiten der bereits erworbene Anspruch der Witwe auf den Versorgungsgenuß" (Pensionsgesetz 1921).

Wenn eine Witwe über ein Vermögen oder über ein eigenes Einkommen (etwa über eine Rente auf Grund ihrer früheren Berufstätigkeit) verfügt, so berührt das nicht die Witwenpension. Sie verliert sie jedoch, wenn sie heiratet.

Alle Bemühungen um eine Aenderung der gesetzlichen Bestimmungen blieben bisher erfolglos. Eine solche würde sicherlich besonders von den Witwen begrüßt werden, die durch die materielle Lage zum ihnen moralisch nicht zusagenden Konkubinat veranlaßt wurden. Aber weder die letzte Regierungserklärung noch das Forderungsprogramm des Gewerkschaftsbundes enthalten auch nur eine Andeutung einer geplanten Reform des Pensionsrechtes. Allein der Verband der geistig Schaffenden bemüht sich seit zehn Jahren um die „Witwen ohne Pension“.

Auch die Bischofskonferenz hat seinerzeit zur Frage der Stillegung der Pensionen von Witwen bei Wiederverehelichung Stellung genommen. „Ein Großteil der Betroffenen“, führte Erzbischof-Koadjutor Dr. Jachym in einem Rundschreiben aus, „flüchtet, um dem drohenden Verlust der für ihre Lebenshaltung notwendigen Witwenbezüge auszuweichen, in eheähnliche Verhältnisse aller Art.“ Die Bemühungen der österreichischen Bischöfe bei der österreichischen Bundesregierung um Abänderung dieser Bestimmungen seien jedoch angesichts der fehlenden Mittel erfolglos geblieben. Es bleibe daher nach Ansicht der Bischöfe nur wieder ihr Vorschlag übrig: Weiterbezug der Witwenrente trotz Wiederverehelichung zumindest dann, wenn der Bezug des neuen Ehegatten zum standesgemäßen Lebensunterhalt der neu gegründeten Familie nicht ausreicht. Eine Revision der gesetzlichen Bestimmungen in diesem Sinne würde eine rechtliche Sanierung, eheähnlicher Verhältnisse staatlicher- und kirchlicherseits in Tausenden von Fällen ermöglichen.

Erzbischof-Koadjutor Dr. Jachym stellt dann fest, Erhebungen der Bischöfe hätten ergeben, daß im Durchschnitt ein Drittel aller Konkubinate im drohenden Verlust der Rente bei Wiederverehelichung der Witwe begründet seien. In einzelnen Diözesen sei der Hundertsatz noch größer. Im Burgenland betrage er zum Beispiel sogar 65 Prozent. Durch diesen Notstand leide das Ansehen des Staates und seiner Gesetze und schade in der Praxis dem Ansehen und der Achtung vor der Familie.

Der Vorschlag der Bischofskonferenz würde freilich zu schwierigen „Grenzfällen“ führen. Wenn beispielsweise jene Einkommensgrenze des neuen Ehegatten, die zum Beibehalt einer Witwenpension von 500 Schilling berechtigt, mit 1500 Schilling festgesetzt wird, beträgt das Gesamteinkommen 2000 Schilling. Bei einem Einkommen des neuen Gatten von 1600 Schilling sollte aber die Witwe ihre Pension verlieren? Und was geschieht, wenn sich das Einkommen ändert? Die „fehlenden Mittel“ werden unschwer aufzubringen sein. In sehr vielen Fällen wird ja derselbe Betrag statt an eine „Konkubine“ an eine „Wiederverheiratete“ zu überweisen sein.

Sowohl die Witwe nach öffentlich Angestellten (Pensionsgesetz) als auch jene nach Privatangestellten (ASVG) verlieren nach den bisherigen Bestimmungen bei neuerlicher Verheiratung den Anspruch auf Versorgung. Erstere erhalten (seit dem Hofkanzleidekret vom 5. April 1814) dafür eine Abfertigung im Betrage der dreifachen Jahres-Witwenpension. Sie können aber darauf verzichten und sich den neuerlichen Bezug ihrer Pension im Falle des abermaligen Witwenstandes vorbehalten. Eine Witwe nach einem Privatangestellten erhält (nach dem ASVG) auf alle Fälle eine Abfertigung im Ausmaß der fünffachen Jahrespension. Wenn auch die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten endet, erhält sie — jedoch frühestens fünf Jahre nach Bezug der Abfertigung — wieder ihre Witwenpension, aber nur, wenn sie nach dem Tode ihres zweiten Gatten „unversorgt“ zurückbleibt.

Der Zusammenbruch der Habsburgermonarchie hatte auch auf dem Gebiete des Rechtes auf die Witwenpension einschneidende Aenderungen zur Folge. Die Auflösung der k. u. k. Armee hatte die Zahl der pensionierten Offiziere außerordentlich vermehrt (Militärabbaugesetz vom 17. März 1920). Aus den Nachfolgestaaten waren viel mehr Oesterreicher in ihre klein gewordene:'Heimat zurückgekehrt-'fbder -hatten für. Oežreft’ėidr „optiert“) -als Fremdsprachige in die Nadhfoigeštaaten abwanderten. Das ergab eine enorme Ueberzahl an Staatsbeamten. Sie wurde durch das Pensionsbegünstigungsgesetz vom 30. Juli 1919 und das Angestelltenabbaugesetz vom 24. Juli 1920 auf ein finanziell tragbares Ausmaß verringert.

Unter den vielen tausenden „neuer“ Pensionisten gab es viele in jungen Jahren, noch unverheiratet. Dies machte gesetzliche Maßnahmen für die Versorgung von Witwen aus Ehen nötig, die erst im Ruhestände geschlossen wurden. (Bis dahin waren infolge des hohen Alters der „ausgedienten“ Pensionisten solche Ehen so selten, daß mit Gnadenpensionen ihr Auslangen gefunden worden war.) Die Versorgung der Witwen aus Ruhestandsehen wurde mit dem Pensionsgesetz vom 17. Dezember 1921 geregelt, das zum großen Teil noch heute in Geltung ist.

Als Bedingung für den Anspruch auf die Witwenpension nach erst während des Ruhestandes geschlossenen Ehen wurde folgendes festgesetzt:

1. Der Gatte durfte im Zeitpunkt der Eheschließung das 65. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. 2. Er mußte in der Aktivität mindestens 15 Jahre tatsächlich zurückgelegt haben (entfällt bei Ruhestandsversetzung wegen Kriegsbeschädigung). 3. Der Altersunterschied der Ehegatten durfte nicht mehr als 25 Jahre betragen. 4. Die Ehe mußte zumindest drei Jahre gedauert haben (entfällt, wenn ein Kind vorhanden ist oder bei Schwangerschaft).

Diese Einschränkungen haben zu schweren Härtefällen geführt. Hierfür zwei Beispiele:

Kurz nach dem ersten Weltkrieg heiratete ein Offizier seine um 26 Jahre jüngere Krankenpflegerin, deren außergewöhnlich sorgfältige Pflege in einem primitiven Feldspital ihn vor dem Tode (er war schon mit den Sterbesakramenten versehen worden) errettet hatte. Um den ihn zu erwartenden Entfall einer Witwenpension machte sich das Ehepaar keine Sorgen, da die Gattin ein gut gehendes Papiergeschäft besaß. Zehn Jahre später erlitt der Gatte eine schwere Lähmung, zu seiner Pflege mußte die Gattin ihr Geschäft verpachten. Zwanzig Jahre lang wurde der nunmehr betagte Offizier liebevoll betreut, täglich im Rollstuhl spazieren geführt — manche Grazer dürften sich noch an das führende Ehepaar im Stadtpark erinnern. Inzwischen ging das Geschäft zugrunde, dann starb der Gatte. Die hinterbliebene Gattin erhielt nach dreißigjähriger Ehe keine Witwenpension,

auch keine Gnadenpension, sie ist auf die öffentliche Fürsorge angewiesen.

Ein nach dem Militärabbaugesetz vorzeitig in den Ruhestand versetzter Offizier hatte vierzehn effektive (mit den Kriegsjahren neunzehn anrechenbare) Dienstjahre aufzuweisen und erhielt durch 39 Jahre den ihm Zustehenden Ruhegenuß. Er heiratete, beide Gatten hielten es für selbstverständlich, daß die Witwe Anspruch auf Versorgung hatte. Aber als nach dem Tode des Offiziers seine Witwe um die Witwenpension einreichte, wurde sie abgewiesen. Obwohl der Mann zu seinen vierzehn effektiven Dienstjahren in der k. u. k. Armee von 1939 bis 1945 sechs effektive Dienstjahre in der Deutschen Wehrmacht zurückgelegt hatte, also zusammen zwanzig Jahre lang aktiven Militärdienst geleistet hatte. Aber — die deutsche Dienstzeit zählt nicht. Die Witwe steht buchstäblich vor dem Nichts.

Nach dem zweiten Weltkrieg entstand wieder eine neue Gruppe „Witwen ohne Pension“. Wenn der Beamte stirbt, bevor seine Ehefrau das 35. Lebensjahr vollendet hat, erhält die Witwe die Witwenpension dauernd nur nach zumindest zehnjähriger Ehedauer oder wenn ein Kind hinterblieben ist. Sonst nur für die Dauer eines Jahres.

Da der Verfasser dieses Beitrages 1923 bis 1938 im Rahmen des Offiziersverbandes und seit 1950 im Verband der geistig Schaffenden „Wit- wenbetreuer“ -ist, suchen ihn imanche y;ent/ täÜschte WftMÄS aber’er "kanw Ihnen nicht helfen. Bitter empfindet er auch den Besuch alter Kameraden, die ihm ihre Sorgen anvertrauen: „Wovon soll meine künftige Witwe leben?“ Die geistig Schaffenden bemühen sich seit Jahren leider erfolglos, daß derartigen Witwen wenigstens nach zehnjähriger Ehedauer die Witwenpension zugestanden wird. Sie verweisen auf die großzügige Versorgung geschiedener Frauen (außer der Witwe erhält auch die. schuldlos Geschiedene volle Witwenpension): Erlaß des Finanzministeriums vom 24. Jänner 1951, ZI. 92.615-1950.

DIE GRENZEN FALLEN! MENO MALE! Die Ausländer kommen nach Oesterreich, die Oesterreicher reisen ins Ausland. Die Statistiken der Grenzübertritte steigen mit jedem Jahr. Die selbstverständliche Folge davon: Wir alle wollen jetzt die Fremdsprache können... für den Erfolg im Beruf, für das Ansehen in der Gesellschaft, für erhöhte Freude an der Reise. Meno male (um so besser) für uns alle, daß die moderne, Sprachwissenschaft gerade zur rechten Zeit eine ganz neue und verblüffend erfolgreiche Methode des raschen und leichten Sprachunterrichts gefunden hat. 1953 wurden die neuen Schnellfernkurse Progreß für Reise, Beruf und Gesellschaft in Oesterreich eingeführt und mit größter Begeisterung lernt jetzt alles, ob alt oder jung, arm oder reich, vielbeschäftigt oder bequem, blutiger Anfänger oder Fortgeschrittener die Umgangssprache in kürzester Zeit ohne das bisherige Auswendiglernen und Büffeln. Jetzt soll und braucht es sich wirklich keiner mehr überlegen, sich die so wichtige Fremdsprache auf diese rasche, kinderleichte, praktische und zugleich höchst amüsante Weise anzueignen. Wir verweisen unsere Leser auf den dieser Zeitung beiliegenden Prospekt (auch kostenlos erhältlich von Internationaler .Sprachdienst, Salzburg, Lasserstr. 37).

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