6648220-1958_37_04.jpg
Digital In Arbeit

Renten- und Steuerkonkubinate

Werbung
Werbung
Werbung

Die Ehescheidungsziffern in Oesterreich sind zwar im Rückgang, aber noch immer bedenklich hoch. Nun ermöglicht die Gesetzgebung nicht nur die Wiederverheiratung Geschiedener (Dispensehen), sondern begünstigt auch die geschiedenen Witwen gegenüber manchen Witwen, die ihrem Mann bis zum Tod getreu waren.

Wenn ein öffentlich Angestellter vor dem 6. Juli 1938 (Inkrafttreten des Deutschen Eherechts) geschieden wurde und wieder geheiratet hat, haben die geschiedene Frau und die Witwe denselben Anspruch auf Versorgung. Hierfür ein groteskes Beispiel: Kurz nach Kriegsausbruch 1914 schloß ein junger Offizier — wie so viele damals — eine überstürzte Kriegsheirat. Schon die Feldpost ernüchterte ihn, und als sich gelegentlich seines Fronturlaubs seine junge Frau standhaft weigerte, in den Krankenpflegedienst zu gehen, kam es zum Bruch: Nach kaum mehr als einjähriger Ehe wurden sie „von Tisch und Bett“ geschieden. Bald darauf wurde der junge Offizier lebensgefährlich verwundet. Der aufopfernden Pflege seiner Krankenschwester gelang es im Verein mit den Aerzten, ihn am Leben zu erhalten. Am Vorabend der Krise versprach er seiner Pflegerin, sie nach Kriegsende zu heiraten, wenn er es erleben sollte. Er hielt 1919 sein Versprechen, aber die Verschiedenheit der Erziehung und Bildung („des Milieus“) zerbrach nach zwei Jahren auch diese Ehe. Beide „Verlassenen“ waren auf die natürlich bescheidene Alimentation nicht angewiesen; auf eine neuerliche Ehe verzichteten sie. Nach einigen Jahren fand der Offizier eine Frau, mit der er fast dreißig Jahre in Gemeinschaft lebte. Nach seinem Tode erhielten seine letzte Frau (30 Jahre Efie)„fihM'(sHrfe,;2wei ehemaligen' Gattinnen '(fern bzw. zwei Jahre Ehe) die g 1 'eT'c ti e'Versorgung: nahezu die volle Witwenpension (alle drei Versorgungsgenüsse dürfen die Höhe des Ruhegenusses des Verstorbenen nicht überschreiten). Sie war nicht gering, da der Offizier inzwischen mehrmals befördert worden war, und betrug ein Vielfaches der bisher ihnen zukommenden Alimentation. Diese großzügige Regelung beruht auf dem Erlaß des Finanzministeriums ZI. 19 215-1950 vom 24. Jänner 1951.

Für die seit dem Inkrafttreten des Deutschen Eherechts „aufgelösten“ Ehen (es gibt seither keine „Scheidung von Tisch und Bett“ mehr) öffentlich Angestellter gilt diese Regelung freilich nicht.. Diese ehemaligen Frauen haben keinen Rechtsanspruch auf Versorgung, erhalten aber häufig einen „außerordentlichen Versorgungsgenuß“ (Gnadenpension).

Das neue Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) regelt diese Frage nach Schweizer Muster: „Keine Frau soll aus dem Tode ihres Mannes einen Vorteil ziehen.“ Daher darf die Witwenrente einer (schuldlos) geschiedenen Frau keinesfalls die Hohe des der Frau bei der Scheidung gerichtlich zugesprochenen Unterhaltsbeitrages („Alimentation“) übersteigen. Aber diese Witwenrente gebührt nicht nur den vor dem 6. Juli 193 8 „von Tisch und Bett geschiedenen“ Frauen, sondern auch den Frauen aus den seither „aufgelösten“ Ehen.

Eine bemerkenswerte Rechtsungleichheit, die das in Bearbeitung stehende neue Pensionsrecht der öffentlich Angestellten wohl beseitigen sollte.

Viel weniger großzügig als die Versorgung geschiedener Frauen regelt das Pensionsgesetz 1921 die Witwenversorgung öffentlich Angestellter.' Insbesonders zwei Bestimmungen führen zu schwer tragbaren Härten:

Wenn die Witwe um mehr als 25 Jahre jünger als ihr verstorbener Gatte ist, hat sie keinen Anspruch auf Versorgung. Auch wenn die Ehe volle 3 5 Jahre gedauert hat, ist die Witwe auf die öffentliche Fürsorge angewiesen; denn für einen Beruf ist sie meist nicht ausgebildet und „zu alt“. Gnadengesuche blieben leider erfolglos. Bedauerlicherweise enthält auch das ASVG diese harten Bestimmungen.

Die zweite Härte: Wenn ein Berufsoffizier 15 „anrechenbare“, aber weniger „effektive“ Dienstjahre aufzuweisen hatte, erhielt er wohl durch Jahrzehnte seine Pension. Aber nach seinem Tode steht seine Witwe vor dem Nichts.

„Kein Rechtsanspruch“ — auch wenn der Offizier im zweiten Weltkrieg die Zahl seiner effektiven Dienstjahre auf mehr als 15 erhöhen konnte. Leider kennen viele Pensionisten diese Bestimmung nicht, weshalb sie es unterlassen, für Versorgung ihrer Witwe durch private Versicherung vorzusorgen. Das ASVG kennt diese Härte nicht.

Viele vereinsamte Witwer, viele Witwen, die nach dem Tod ihres Gatten ihren Lebensstandard herabsetzen müssen (und ihre für sie zu große Wohnung beibehalten), wollen wieder heiraten. Das liegt sowohl im bevölkerungspolitischen als auch im wohnungspolitischen Interesse (eine Wohnung wird verfügbar). Leider erschweren die Versorgungsgesetze die Wiederverheiratung von Witwen. Denn sie verlieren ihre Witwenpension, wenn sie neuerlich heiraten. Wohl können sich Witwen öffentlich Angestellter bei Verzicht auf die Abfertigung ihren Versorgungsgenuß für den Fall des Ablebens ihres zweiten Gatten „vorbehalten“ — aber die neue Ehe ist auf den Verdienst des Gatten beschränkt. Nach dem ASVG bekommt die Witwe im Falle ihrer neuerlichen Ehe auf alle Fälle die Abfertigung (fünf Jahresbezüge) und erhält trotzdem die Witwenrente aus früherer Ehe wie- . der, wenn die neue Ehe durch Tod des Ehegatten oder durch Aufhebung oder Scheidung ohne Verschulden der Ehegattin geendet hat, aber frühestens nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Erhalt der Abfertigung und nur, wenn sie „unversorgt“ zurückbleibt.

Ueber die Folgen des Entzugs der Witwen-pension hat „Die Furche“ am 12. Februar 1955 geschrieben: Wozu führt häufig der Entzug der' Witwenrente? Kann eine Witwe leichten Her-; zens auf ihre Existenzgrundlage verzichten, wenn sie heiratet? Gewiß, wenn ihr zweiter Mann ausreichend verdient. Wenn dies aber nicht der Fall ist, steht sie vor der Gewissensfrage: „Wenn ich heirate, ist unser bisherigen Lebensunterhalt nicht gesichert. Wenn ich aber ein eheähnliches Verhältnis eingehe, haben wir beide genug zum Leben.“

Zahlreich sind die Fälle, in denen diese Erwägung den Ausschlag gibt. Meist wird das Konkubinat getarnt. Die Frau nimmt den Mann, den sie nicht heiraten kann, als „Untermieter“ auf oder deT Mann die ersehnte Frau als „Wirtschafterin“. In beiden Fällen bezieht die Witwe ihre Pension weiter — denn dem Buchstaben des Gesetzes ist Genüge getan!

Aber auch der Moral? Liegt es im Interesse der Oeffentlichkeit, derartige „Rentenkonkubi-nate“ zu fördern, die Zahl der unehelichen Kinder zu vermehren? Im Durchschnitt sind ein Drittel, im Burgenland sogar zwei Drittel der Konkubinate auf den drohenden Verlust der Witwenrente (-pension) zurückzuführen. (Mitteilung des Sekretärs der österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof-Koadjutor Doktor Jachym).

„Die Furche“ hat damals — vor dreieinhalb Jahren — gefordert, die Zahl der „Renten-konkubinate“ durch eine zeitgemäße Aenderung des Pensionsrechtes einzuschränken. Die Forderung blieb unerfüllt. Im Gegenteil: das seither erschienene ASVG behält die Einstellung der

Witwenpension im Falle der Wiederverehelichung bei.

Daß es auch „Steuerkonkubinate“ gibt, ist eine Folge der ominösen „Haushaltsbesteuerung“ : bei Eheleuten wird das Einkommen der Ehepartner in vielen Fällen summiert und infolge der Steuerprogression weit höher besteuert als bei getrennter Fatierung der Einkommen zweier im Konkubinat lebender Personen ...

Auch in diesen Fällen ist Abhilfe nötig!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung