6912808-1981_15_04.jpg
Digital In Arbeit

Wer Ehe meidet, scheut Pflicht

Werbung
Werbung
Werbung

Während früher unter „Familienpolitik“ vor allem eine Politik der Beihilfengewährung und der steuerlichen Erleichterungen für Familien verstanden wurde, ist man heute fast einheitlich der Auffassung, daß unter diesem Begriff all jene Maßnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden zu verstehen sind, die für das Wohlergehen der Familie gesetzt werden und dazu dienen sollen, deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation anzuheben und die Eltern in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben bestmöglich zu erfüllen.

Sowohl in den Bereichen der Sozialpolitik als auch bei der Wohnungspolitik und vor allem im Familienrecht wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte, insbesondere aber in den siebziger Jahren, viele Förderungsmaßnahmen gesetzt und damit grundlegende Veränderungen der die Familien betreffenden Rechte geschaffen.

Welche Form der Familie ist aber eigentlich gemeint, wenn von „familienfördernden“ Maßnahmen gesprochen wird?

Das vergangene Jahrzehnt hat in steigendem Maß eine gesellschaftlich beachtliche Toleranz auch anderer Formen des Zusammenlebens als der der ehelichen Verbindung gebracht, so daß es nicht verwundert, wenn auch entsprechende sozialpolitische Wünsche laut wurden.

Wenn nun eine pluralistische Gesellschaftsordnung wie die unserige zweifellos auch pluralistische Familienstrukturen enthält, können sich familienpolitische Forderungen sicher nur auf jene Formen der Familie beziehen, die mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit als auf Dauer angelegt anzusehen sind; das sind Eheleute mit Kindern, unverheiratete Mütter und geschiedene Elternteile mit Sorgepflichten für Kinder.

Diese Einschränkung beruht auf zwei grundsätzlichen Überlegungen: Einmal kann es kaum statthaft sein, die Rechte einer Verbindung in Anspruch zu nehmen, ohne gleichzeitig deren Pflichten tragen zu wollen; zweitens, zu wessen Gunsten beziehungsweise zu wessen Lasten eigentlich andere Formen des Zusammenlebens, vor allem die der sogenannten „Lebensgemeinschaften“, gehen.

Zu der ersten Frage eine sehr persönliche Auffassung: Wer nicht gewillt ist, all jene Verpflichtungen auf sich zu nehmen, die eine Eheschließung mit sich bringt, kann nicht die Vorteile beanspruchen, die sich daraus ergeben.

Der zweite Gesichtspunkt betrifft weniger die finanziellen Folgen, die die Allgemeinheit und damit jeder einzelne bei einer allgemeinen Gleichstellung von Ehen und Lebensgemeinschaften zu tragen hätte, sondern die Folgen des Verzichts auf Eheschließung, die sich sehr häufig für Frau und Kinder ergeben.

In zunehmendem Maß zeigt es sich - und hier darf die Autorin auf die vieljährigen Erfahrungen aus dem Parteienverkehr der Wiener Arbeiterkammer verweisen -, daß immer mehr Männer offensichtlich dazu neigen, unter Hinweis auf soziale Leistungen, wie zum Beispiel das erhöhte Karenzurlaubsgeld für alleinstehende Mütter, die Sondernotstandshilfe für denselben Personenkreis sowie die Einbeziehung der Lebensgefährtin in die Krankenversicherung des Partners, die Frau von einer Eheschließung abzubringen.

Der Verzicht darauf bringt - zumindest im ersten Augenblick - einige finanzielle Vorteile, die gerade für finanziell schlechtgestellte Paare von großer Bedeutung sind. Nur wird - und dies ausschließlich zum Nachteil der Frauen und Kinder - nie in Betracht ge

zogen, daß eine Verbindung ohne gesetzliche Verpflichtungen unter Umständen bereits bei einer geringen Belastung bricht, während Ehen, bei deren Lösung doch sehr viele schwerwiegende Probleme zu klären sind, diese Schwierigkeiten häufig überwinden, weil die Partner zu einer realistischen Wertung der aufgetauchten Probleme gezwungen werden.

Handelt es sich bei der Auflösung von Lebensgemeinschaften um sehr junge Paare und ihre Kinder, so können sich zumeist die Elternteile ein neues eigenes Leben aufbauen; die hauptsächlich Leidtragenden sind jedoch in fast jedem Fall - genauso wie bei Scheidungen-die Kinder. ,

Sind aber solche Verbindungen von längerer Dauer gewesen, so ist es fast stets die Frau, die oftmals auch fast Unzumutbares erträgt, um die Lebensgemeinschaft zugunsten der Kinder, aber auch zu ihren Gunsten aufrechtzuerhalten, da sie häufig schon längere Zeit hindurch aus dem Berufsleben aus

geschieden ist und ihre Chancen für einen Wiedereintritt nach einer längeren Zeit der Abwesenheit vom Arbeitsmarkt ungünstig sind.

Natürlich gibt es Fälle, für die diese Bedenken nicht zutreffen - zum Beispiel für Frauen, die hochdotierte Positionen im öffentlichen Leben oder als Künstlerinnen einnehmen und bei denen finanzielle Fragen keine große Rolle spielen.

Gerade bei Lebensgemeinschaften von Frauen im mittleren Alter mit Kindern ist aber die sogenannte „Freiheit“ lediglich eine des Mannes. Für die Frauen ist sie zumeist eine Scheinfreiheit mit vielen Pflichten und ohne Rechte. Vielen „fortgeschrittlichen“ Frauen ist dies bisher offensichtlich noch nicht klargeworden.

Die Gesellschaft sollte sich daher ehestens darüber klarwerden, welches die „Familie“ sein sollte, für die sie Politik machen will - in die Rechtsordnung eingebettete Gemeinschaften oder jederzeit einzugehende und willkürliche aufzulösende Beziehungen.

Um jedes Mißverständnis auszuschließen: Zweifellos trifft auch für die derzeitige Form der Ehe das Churchill- Wort über die Demokratie zu, nach der diese Regierungsform zwar eine miserable sei, er aber keine bessere wisse. Meines Erachtens nach kann daher unter dem Begriff „Familienpolitik“ im Regelfall nur eine Politik für die gesetzlich fundierten Gemeinschaften beziehungsweise für unverheiratete Mütter oder geschiedene Eheteile mit Kindern verstanden werden.

Die Autorin ist Frauenreferentin der Wiener Ar- beiterkammer und langjähriges Mitglied des Familienpolitischen Beirates; der Beitrag ist der gekürzte Auszug eines Artikels in der April-Nummer von „arbeit&wirtschaft".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung