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Die Liebkinder der Steuer

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Wenn eine familienpolitische Stellungnahme zur neuen Einkommensteuernovelle erst zu - einem Zeitpunkt erscheinen kann, in dem der Gesetzentwurf bereits den Regierungsbeschluß passiert hat und damit unabänderlich ist, so liegt diese Verspätung am Mangel rechtzeitiger Informationen. Die zu einer solchen Begutachtung Entschlossenen konnten sich nur aus den dürftigen und erst wenige Tage vor dem maßgeblichen Regierungsbeschluß erschienenen Pressemitteilungen über den monatelang hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Entwurf informieren Man kann sich aber auch _dann, wenn es für eine Einflußnahme zu spät sein sollte, der publizistischen Verpflichtung nicht entziehen.

Gegen eine solche Stellungnahme wird zwar eingewendet, daß eine wirksame Familienförderung auf dem Wege der Besteuerung nicht möglich sei. Denn das Einkommen der kinderreichen Familien liege — im Zusammenhang mit der Kinderermäßigung — sowieso in den meisten Fällen unter der steuerpflichtigen Grenze. Wer keine oder fast keine Steuer mehr zu bezahlen habe, dem könne man mit Steuerermäßigungen keine fühlbare Hilfe bringen. Daher sei den Familien nur auf dem Wege der Kinderbeihilfen zu helfen.

Diese These läßt sich aber finanzwissenschaftlich nicht halten. Denn abgesehen davon, daß die Notwendigkeit von staatlichen ‘Beihilfeleistungen an unterentlohnte Familien die ebenso notwendige steuerliche Gerechtigkeit gegenüber den überbesteuerten Familien nicht ausschließt, hat es der Gesetzgeber auch gar nicht in der Hand, die einkommenslenkende Wiricung der Besteuerung etwa gegenüber der Familie neutralisieren zu können. Denn jede Art von Besteuerung bedeutet einen Eingriff in die Einkommensbildung und eine nachträgliche Aenderung der Einkommensverteilung.

Die familienmäßige Struktur der öffentlichen Gesellschaft bewirkt, daß die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht nur von der Höhe des besteuerten Einkommens, sondern ebenso stark vom Familienstand abhängig ist, der auf das jeweils konkrete Einkommen angewiesen ist. Werden diese beiden Komponenten der „steuerlichen Leistungsfähigkeit” bei der Verteilung der sonst eigentlich einem fiskalischen Zweck dienenden Steuerlasten nicht ausreichend berücksichtigt, so entstehen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, die neben ihren unvermeidlichen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auch Strukturänderungen in der Gesellschaft zur Folge haben können.

Strukturänderungen der Gesellschaft sind nicht so sehr in Form der sich verbreitenden Kinderlosigkeit zu befürchten (denn Kinderlosigkeit berührt die Familienstruktur überhaupt nicht), sondern vielmehr in Form g e- s t ö r t e r Familienverhältnisse. Die Wirkung gestörter Familienverhältnisse entsteht, neben anderen vorkommenden Ursachen, auch durch die außerfamiliäre Erwerbstätigkeit der Mütter. Diese ist zwar bei vielen Ehepaaren auch die Ursache ihrer Kinderlosigkeit, aber wo die Mutter wegen ihrer Erwerbstätigkeit sich nicht persönlich den Kindern widmen kann, sind die der öffentlichen Gesellschaft aus. der Erziehungsvernachlässigung (in Verbindung mit dem ebenfalls die mütterliche Berufstätigkeit zur Ursache habenden Einkindsystem) entstehenden Schäden noch unvergleichlich größer als bei völliger Kinderlosigkeit. Und je mehr die gesunde, von der Mutter persönlich betreute Vollfamilie durch das doppelt verdienende Ehepaar verdrängt wird, dessen Kind nur noch die so traurige Rolle eines „Abfallproduktes der Ehe” spielt und daran seelisch verkümmert, um so ernster wird das Problem der Strukturgefährdung für die öffentliche Gesellschaft.

Zur Verbreitung der Frauen- und Mütterberufstätigkeit wirken natürlich mehrere Faktoren zusammen. Einmal ist es der Wunsch, an den Früchten der derzeitigen Wohlstandspolitik teilzuhaben. Zweitens ist die eheliche Doppelberufstätigkeit der zielführende Weg, um die Anzahlung auf. eine (im übrigen aus Steuergeldern finanzierte) Eigentumswohnung aufzubringen oder zu einer billigen Mietwohnung zu kommen, indem man die geforderte Ablöse bezahlt. Auch die doppelte Rentenanwartschaft und die größeren Geldleistungen im Falle der Erkrankung oder Arbeitslosigkeit sind starke Anreize zum Doppelverdienertum von Ehegatten. Die doppelte Wohnungsbeihilfe soll nur der größeren Vollständigkeit wegen erwähnt werden, denn sie fällt neben dem Ausmaß der sonstigen Bevorzugungen kaum noch ins Gewicht.

Zu den ergiebigsten laufenden Vorteilen der Doppelverdienerehepaare gehören die Begünstigungen bei der Lohn- oder Einkommensteuer. Sie wurden im Zuge vieler Steuernovellierungen etappenweise ausgebaut. Ihre weitere Vergrößerung und die Einbeziehung auch der letzten bisher :r~ch nicht begünstigten Doppelverdienerehepaare gehört auch zu den Grundtendenzen des vorliegenden neuen Entwurfs. Darnach wird beispielsweise ein Jahreseinkommen von 42.0 S für einen Selbständigen (Familie mit 1 Kind) ab 1. Jänner 1958 wie folgt zu versteuern sein, je nachdem, ob dieses Einkommen

Entstanden im Jahre 1941 als Kriegsmaß- ,nähme mit dem, ZtK ck, yden verhewapeten Frpuen und, den her3flwac.I15pn.den flpeh j&kl , volljährigen Kindern zur Arbeitsaufnahme in der Rüstungsindustrie auch steuerliche Anreize zu bieten, beschränkte sich die Steuerbegünstigung doppelt verdienender Ehepaare bis zum Jahre 1953 auf Lohneinkünfte der Ehefrau (beziehungsweise minderjähriger Kinder) aus einem haushaltsvorstandsfremden Betrieb. Die Methode ist verblüffend einfach. Durch Ausnahme von den Zusammenrechnungsvorschriften der Haushaltsbesteuerung werden die Einkünfte solcher Ehepaare nach Art des Splittingverfahrens getrennt und einzeln mit dem sonst auf die Haushaltsbesteuerung eingerichteten Tarif besteuert. Der Steuervorteil ist enorm, wie das vorangeführte Beispiel b) zeigt, und wird um so größer, je höher das Einkommen ansteigt. Da ihnen alle seit Kriegsende durchgeführten Tarifsenkungen jeweils doppelt zugute kamen und im Jahre 1946 auch die als teilweiser Ausgleich bis dahin bestandenen höheren Tarifsätze der Steuergruppe II abgeschafft wurden, erfuhr diese Sonderbegünstigung in der Nachkriegszeit bis jetzt (und auch im vorliegenden Entwurf) eine so bevorzugte Förderung, daß die resultierenden Steuersätze nur noch einen Bruchteil des (für Alleinverdienerfamilien gültigen) Normaltarifes ergeben.

Lieber Bemühung der Standesvertretung der gewerblichen Wirtschaft wurde mit der Einkommensteuernovelle 1953 dieser Einbruch in das System der Haushaltbesteuerung auch auf Selbständige erweitert, indem die im Betrieb des eigenen Ehegatten mitarbeitenden Ehefrauen einen Freibetrag von 5000 S für Gewerbesteuer und Einkommensteuer bekamen. Diese Ermäßigung (nach Beispiel c) war nicht so weitgehend, wie die der in einem fremden Betrieb berufstätigen Ehefrauen, und wird nun im neuen Entwurf auf zehn Prozent des Gewinnes erhöht, wobei der bisherige Freibetrag von 5000 S als Mindestbetrag und 10.000 S als Höchstbetrag festgelegt werden. Die praktische Durchführung dieser Begünstigung brachte bisher (und nach dem Entwurf auch weiterhin) den Antragstellern selbst eine Enttäuschung. Denn durch Einfügung des Wortes „voll- beschäftigt” in den Gesetzestext ist es den Finanzbehörden verwehrt, diesen Freibetrag in jenen Fällen anzuerkennen, wo nach gutem altem Brauch die Ehefrau eines Gewerbetreibenden ihre Zeit zwischen Familie und Mitarbeit im Betrieb je nach den Erfordernissen zu teilen pflegte, wobei dank der Tüchtigkeit und des Fleißes solcher Frauen weder die Familienoch der Betrieb zu kurz kamen. Aber das paßte nicht in das Konzept, und daher wird der Freibetrag nur bei Vollbeschäftigung im Betrieb bewilligt.

Von den Doppelverdienerehepaaren harrten nunmehr nur noch jene einer entsprechenden steuerlichen Bevorzugung, die bisher aus einem Formalhindernis heraus noch die vollen Sätze des Haushaltstarifes bezahlen - mußten; wenn nämlich die Ehefrau ihre Einkünfte ‘nicht aus einem Lohnverhältnis bezog, sondern selbständig war, konnte keine getrennte Veranlagung stattfinden. Dem wird im neuen Entwurf damit teilweise abgeholfen, daß künftig ihr Gewinn bis zu 10.000 S Höchstgrenze steuerfrei bleiben wird.

Voll steuerpflichtig nach dem Tarif der Haushaltsbesteuerung wird künftig nur noch das Einkommen der geordneten Familien und Ehepaare bleiben, in denen die Hausfrau und Mutter keiner außerfamiliären Erwerbstätigkeit nachgeht. Denn auch das Einkommen der Ledigen ist im Zuge der wiederholten Steuersenkungen’ lohn- und einkommensteuerlich so entlastet worden, daß die Tarifsätze weit unter den auf das Pro-Kopf-Einkommen umgerechneten Steuerlasten der Alleinverdienerfamilien liegen.

Einen Tiefpunkt sozialen Taktgefühls verrät jene Bestimmung des Entwurfs, wonach Einkünfte aus Dividenden von Aktien usw. bis zu einem Betrag von 3600 S einkommensteuerfrei bleiben und die davon einbehaltene, Kapitalertragsteuer zurückerstattet Werden soll. Da werden sich jene fleißigen Familienväter wundern, die aus bitterer Notwendigkeit für die Familie ihre freien Halbtage oder Samstage für einen’ Nebenerwerb verwenden und dafür prompt einen Jahresausgleich mit hohen Nachzahlungen präsentiert bekommen — wundern, wie leicht für andere Einkünfte Steuerbefreiungen möglich sind. Obwohl es von diplomatischem Geschick zeugt, daß diese erstmalige Steuerbefreiung arbeitslosen Einkommens einerseits nur für Arbeitnehmer gelten soll (um dem Koalitionspartner die Zustimmung zu erleichtern) und außerdem sehr vorsichtig dosiert ist, kann man sich die in petto bereits geplante und in manchen Fachblättern längst geforderte Ausweitung dieser Steuerbefreiung etappenweise in den nächsten Steuernovellierungen bereits jetzt vorstellen. Man will derzeit alles, mit Ausnahme der Familie, mittels Steuerermäßigungen fördern, also auch die Einführung der Volksaktien. Den Familien bleiben allerdings solche Einrichtungen trotz der damit verbundenen steuerlichen Anreize versperrt.

Zielbewußte Familienpolitik kann sich nicht damit begnügen, aktiv? Familienförderungsmaßnahmen zu treffen, sondern muß notwendigerweise familienstörende Maßnahmen unterlassen oder verhindern.

Es ist familienstörend, wenn man für Ehefrauen und Mütter als Anreiz zur außerhäuslichen Berufstätigkeit Steuerermäßigungen schafft. Das verstößt auch gegen die einfachsten Grundsätze der .Gerechtigkeit gegenüber den Familien. Diese hätten einen zusätzlichen Arbeitsverdienst der Mutter zwar auch nötig und um so nötiger, je mehr Kinder zu erhalten sind; aber aus demselben Grunde ist auch die Erwerbstätigkeit der Mutter nicht möglich.

Auf die Spitze getrieben wird das Moment der Ungerechtigkeit aber vor allem deshalb, weil alle diese Steuerbegünstigungen nur auf Kosten der Ueberbesteuerung der Vollzahler gehen. Denn der Staat kann nichts verschenken, was er nicht wieder einhebt. Und da die erwähnten Steuerbegünstigungen ein Loch von schätzungsweise 2 Milliarden ins Budget des Staates reißen, muß das Ausmaß der Ueberbesteuerung der Nichtbegünstigten ebenso groß sein. Damit ist auch die eingangs aufgestellte Behauptung erwiesen, daß es der Staat gar nicht in der Hand habe, die einkommenslenkende Wirkung der Besteuerung etwa gegenüber der Familie neutralisieren zu können.

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