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Diesseits und jenseits der „Haushaltsbesteuerung”

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Ein Kuriosum des Steuerrechtes, das dem Staat jährlich weit mehr als eine Milliarde Schilling als Steuerausfall kostet, seit Jahren von vielen Seiten heftig kritisiert, aber immer noch aufrechterhalten wird, ist die „Haushalts- besteuerung’”.

In den Paragraphen 26 und 27 unseres Einkommensteuergesetzes ist vorgeschrieben, daß Einkünfte der Ehefrau und der minderjährigen Kinder mit denen des Haushaltsvorstandes (das heißt des Familienvaters) zusammenzurechnen sind. Die Einkommensteuer ist dann vom gemeinsamen Einkommen zu berechnen. Dieser Bestimmung unterliegen auch die Lohneinkünfte, aber mit einer wichtigen Ausnahme: Lohneinkünfte der Ehefrau und minderjähriger Kinder aus einem haushaltsvorstandsfremden Betrieb sind von der Zusammenrechnungsvorschrift befreit. Diese werden getrennt besteuert und kommen so tariflich viel besser weg. Denn der Lohn- und Einkommensteuertarif ist in den Steuergruppen II und III darauf eingestellt, daß von dem der Berechnung zugrundeliegenden Einkommen nicht nur eine Person, sondern ein ganzer Haushalt Jeben muß. Bei .eųį m doppelt ,yer- dienenden Ehepaar stimmt diese Voraussetzung des Lohnsteuertarifes, daß jedes der beiden Eheleute von seinem Einkommen je ein Ehepaar erhalten müsse, mit der Wirklichkeit nicht mehr überein und verschafft ihnen eine sehr bevorzugte Behandlung.

Es liegt also nicht an der Haushaltsbesteue-’ rung selbst, sondern eher an der „Ausnahme von der Haushaltsbesteuerung”, daß auffallende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in der Lohnbesteuerung und Einkommenbesteuerung auftreten. Die finanziellen Auswirkungen sind sowohl auf den Geldbeutel der Betroffenen als auch auf den Fiskus des Staates so bedeutend, daß sie die von einem viel größeren öffentlichen Aufsehen begleiteten Probleme der Milch- und Brotpreiserhöhung um ein Mehrfaches überragen. Wenn die Bevölkerung über die Frage der „Haushaltsbesteuerung” hinreichend aufgeklärt wäre, hätte es schon längst zu Streiks und Demonstrationen kommen können.

Merkwürdig: Die am heftigsten gegen die Haushaltsbesteuerung Sturm laufen, sind ausgerechnet Doppelverdiener-Ehepaare, aber solche, die wegen eines geringen Formalhindernisses nicht zum Zuge kommen. Die Begünstigung gilt nämlich bei doppelt verdienenden Ehepaaren nur dann, wenn die Ehefrau es ist, die die Lohneinkünfte bezieht, auch wenn die Einkünfte des Gatten aus anderen Quellen zufließen. Aber ja nicht umgekehrt! Diese von der Zusammenveranlagung Betroffenen bilden aber nur einen ganz geringen Prozentsatz der doppelt verdienenden Ehepaare. Was sie wollen, ist nicht die Beseitigung der ungerechten Ausnahmebestimmung des § 26 (3), sondern ihre Ausdehnung auf sich selbst.

Viel größer ist aber die Gruppe derer, die deshalb zu den Benachteiligten gehören, weil sie das gesamte Haushaltseinkommen allein verdienen und daraus Frau und Kinder erhalten. Die allein verdienenden Eheniänner und Famlienväter werden von einer mehr als doppelt so hohen Lohn- und Einkommensteuer getroffen, obwohl sie ihre Einkünfte nicht für sich allein verbrauchen können. Ein angemessener Anteil, auf den sie sogar einen klagbaren Anspruch hätten, steht davon der Ehe fau und den unversorgten Kindern zum standesgemäßen Lebensunterhalt zu.

Dieses Einkommensteuerrecht benachteiligt also nicht so sehr die Familien an sich, als vielmehr die allein verdienenden Ehemänner und Familienväter. Die Familie kommt zwar scheinbar wenigstens in späteren Jahren, wenn die Kinder schon mitverdienen können, zu ihrem Ausgleich, Das ist aber in bezug auf die Familie wirklich nur ein Schein, denn das Gesetz verwechselt die Zeiten der steuerlichen Leistungsfähigkeit und der steuerlichen Schonungsbedürftigkeit der Familie. Steuerlich am schonungsbedürftigsten ist eine Familie nämlich in jenen schweren Jahren, in denen der Familienvater die wirtschaftliche Last der Familie noch allein zu tragen hat, weil die Kinder noch nicht berufsreif sind und die Ehefrau als Mutter durch ihre häuslichen Pflichten an einer außerhäuslichen Berufstätigkeit behindert ist. Später hingegen, wenn die Kinder schon mitverdienen können und der ständigen Anwesenheit ihrer Mutter nicht mehr bedürfen, verbessert sich ihre wirtschaftliche Situation und steigt ihre steuerliche Leistungsfähigkeit.

Ob die Ausnahmevorschriften der Haushaltsbesteuerung bei ihrer Einführung am Beginn des letzten Krieges wirtschaftlich begründet waren, etwa als zusätzlicher Anreiz für Heranwachsende Kinder und verheiratete Frauen zur Arbeit in der Rüstungsindustrie, hat heute keine Bedeutung mehr. Derzeit gibt es keine wirtschaftliche oder soziale Rechtfertigung dafür, den doppelt verdienenden Ehepaaren und Mehrverdiener-Familien, somit geradezu den wirtschaftlich gutsituierten Kreisen, steuerliche Vorrechte in solchem Ausmaße zu verschaffen.

Allerdings gibt es aber eine andere, nicht unbeachtliche „Rechtfertigung” dafür, daß die Ausnahmebestimmungen nach §§ 26 und 27 auch heute noch aufrechterhalten werden. Sie ist in der Verwaltungsvereinfachung begründet. Den Finanzämtern ersparen diese Bestimmungen nämlich eine ins Gewicht fallende Verwaltungsmehrarbeit, die darin bestünde, daß man sonst für hunderttausende mitverdienende Ehefrauen und minderjährige Kinder einen Jahresausgleich mit ihrem Haushaltungsvorstand durchführen müßte. Sie ersparen den ganzen daran anschließenden Rattenschwanz von Einhebungsschwierigkeiten nachträglich vorgeschriebener Steuern, von Rechtsmittelverfahren, von Stun- dungs- und Erlaßanträgen, Strafverfahren usw. Sie ersparen der Bevölkerung eine überflüssige weitere Komplizierung des Lebens. Von der Aufhebung der Ausnahmevorschriften wäre also schon aus diesen Gründen abzuraten; eher, könnte man sogar die Ausdehnung auf die Lohneinkünfte auch des Ehemannes anregen.

Wer der Sache auf den Grund geht, wird finden, daß es auch gar nicht notwendig ist, die Ausnahmevorschriften aufzuheben oder durch ein kompliziertes Verfahren zu ersetzen. Die §§ 26 und 27 EStG, enthalten nur verfahrensrechtliche Maßnahmen. Als solche brauchten sie keine tariflichen Auswirkungen zu haben, wenn der Tarif in Ordnung wäre. Die Finanzverwaltung müßte es sich doch eigentlich leisten können, jede ihr zweckmäßig erscheinende Vereinfachung der Einhebungsmethode durchzuführen, ohne daß deswegen der Tarif schon so aus dem Gleichgewicht kommt. In unserem Falle liegt es nicht an der „Haushaltsbesteuerung” und ihren Ausnahmen im §§ 26 und 27, sondern am Tarifparagraphen 32. Der Fehler steckt im Tarif, und zwar bei den Steuergruppen. Ihr Sinn und Zweck scheint in Vergessenheit geraten zu sein.

Steuergruppen (einschließlich Kinderermäßigungen) braucht man nur dann, wenn man einen Progressionstarif hat. Die Progression (d. h. der prozentuell immer breiter werdende Zugriff der Lohn- und Einkommensteuer, je höher das Einkommen ansteigt) ist wiederum in finanzwirtschaftlichen und sozialen Ueber- legungen begründet. Gerechterweise darf aber ein Tarifsystem nur den entbehrlichen Teil des Einkommens besteuern, und zwar um so höher, je entbehrlicher es wird. Die Entbehrlichkeit von Teilen des Einkommens ist aber nach dem Familienstand verschieden. Für nur eine Person enthält ein Monatseinkommen von 5000 S verhältnismäßig viele entbehrliche Teile. Für eine Familie mit fünf Kindern (das sind sieben Personen) ist von monatlich 5000 S gar nichts entbehrlich, denn es trifft auf jede Person nur 700 S. Deswegen mußten Steuergruppen und Kinderermäßigungen gleichzeitig mit der Progression geschaffen werden. Sie sind Schaltstufen zur Berücksichtigung des Familienstandes in der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Sie sollen verhindern, daß die für Frau und Kinder notwendigen Einkommensteile mit „entbehrlichem Einkommen” verwechselt und dadurch Familienstand auf einen jeweils um eine Stufe gemilderten Tarif „zurückgeschaltet”, d. h. wenn ein Einkommen nur für eine Person reichen muß, gilt Steuergruppe I; wenn es für zwei Personen (Ehepaar) reichen muß, gilt Steuer- grüppe II; wenn es für drei oder mehr Personen (Ehepaar mit Kindern) reichen muß, gilt Steuergruppe III/l oder III/2. Diese beiEinfüh- rung der Progression konsequent durchdachten Grundsätze sind aber seither durcheinander geraten. In § 12 reiht man Steuerpflichtige, deren Einkommen nur für eine Person reichen muß (z. B. doppelt verdienende Ehegatten und Ledige über 40 Jahren) in Steuergruppe II ein und unterstellt damit die steuerliche Fiktion, daß jedes von ihnen aus seinem Einkommen ein Ehepaar zu erhalten habe. Dasselbe gilt auch von einem doppelt verdienenden Ehepaar mit zwei Kindern, wenn beide Teile nach Steuergruppe III/2 besteuert werden, obwohl die beiden Kinder ihr Einkommen inzwischen schon selbst verdienen.

Neben diesen bei uns üblichen Steuergruppierungen und Kinderermäßigungen gibt es aber auch noch eine zweite Methode, um den Familienstand innerhalb der Progression zu berücksichtigen. Man nennt sie „Splittingverfahre n”. Sie ist beispielsweise in U S A und Frankreich gebräuchlich. Zur Bemessung der Steuer wird das Einkommen des ganzen Haushaltes nach einem festgesetzten Schlüssel — entweder in gleiche oder in ungleiche Teile — auf die einzelnen Familienmitglieder aufgeteilt („aufgespalten”) und auf jedes dieser Anteile die zutreffende Steuer er-mittelt. Die Summe dieser anteiligen Steuern wird in einem Betrag dem Haushaltungsvorstand vorgeschrieben bzw. einbehalten. Das ist das einfachste und auch das gerechteste Verfahren. Seine Einführung wird auch in Oesterreich erwogen. Es erspart alle Steuergruppen und Kinderermäßigungen und bringt in mehrfacher Hinsicht Verwaltungsvereinfachungen.

Für einen Teil der Steuerpflichtigen ist das Splittingverfahren in Oesterreich schon längst eingeführt, nämlich für die aus der Haushaltsbesteuerung ausgenommenen Doppelverdiener- Ehepaare und Mehrverdiener-Familien. Ihr Familienstand wird derzeit zweifach berücksichtigt: Einmal, indem ihre Anteile am Haushaltseinkommen — genau wie beim Splittingverfahren — getrennt besteuert werden (§§ 26 und 27) und zweitens durch die Anwendung der Steuergruppen und Kinderermäßigungen (§ 32). Es ist der wirtschaftlich am besten situierte Teil der Bevölkerung, der schon jetzt im vollen Genuß der Vorteile des Splittingverfahrens steht.

Der Hauptvorteil des Splittingverfahrens bestünde in der Wiederherstellung der steuerlichen Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit. Es würden dann entweder alle hoch besteuert oder alle niedrig besteuert sein, mutmaßlich aber käme der einheitliche Steuersatz ungefähr in die gesunde Mitte zwischen den gegenwärtig so auseinanderklaffenden Steuersätzen zu liegen. An der Budgetfrage brauchte die Einführung des Splittingverfahrens nicht zu scheitern, wie sie anderseits auch wieder nicht zu einer unerträglich hohen Tarifgestaltung führen müßte. Es gäbe eben dann nur noch einen einheitlichen Tarif. Dieser brauchte nicht höher zu sein als der der gegenwärtigen Steuergrucpe I, zumal wenn man die für die nächste Steuersenkungsaktion bereitgestellten 800 Millionen ins Kalkül zieht. Die Anwendung des Tarifs der Steuergruppe I im Splittingverfahren würde aber bedeuten, daß die Ledigen gleich wie bisher, aber die verheirateten Alleinverdiener und Familien wesentlich besser als bisher abschneiden können.

Auch der Vorteil der V erwaltungs- vereinfachung wäre im Splittingverfahren nicht zu unterschätzen. Eine Reihe von Paragraphen, Verordnungen und Erlässen, die heute für das komplizierte System der Steuergruppen und Kinderermäßigungen erforderlich sind, erübrigen sich. Ferner würde das Splittingverfahren Ehescheidungen aus steuerlichen Gründen überflüssig machen, weil das Einkommen der Ehefrau auch dann getrennt besteuert würde, wenn die Ehe aufrecht bleibt.

Auch familienpolitische und bevölkerungspolitische Erwägungen sprechen für die Einführung des Splittingverfahrens. Dann würde es nämlich steuerlich keine Rolle mehr spielen, ob die Ehefrau ausschließlich im Haushalt tätig ist oder ob sie einem außerhäuslichen Beruf nachgeht. Und damit fällt der steuerliche Anreiz zur außerhäuslichen Erwerbstätigkeit der Ehefrauen weg.

So kann man abschließend feststellen, daß zur Beseitigung eines Teiles der gegenwärtigen Ungerechtigkeiten eine Tarif-Verbesserung nach Art des „Splittingverfahrens” am zielführendsten wäre. Sie wäre budgetmäßig und tariflich tragbar und bedeutete eine spürbare Verwaltungsvereinfachung für die Behörden und für die Bevölkerung. Darüber hinaus wäre sie ein wertvoller legislativer Beitrag zum Schutze von Ehe und Familie und zur Beseitigung bevölkerungspolitischer Hindernisse.

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