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Familienbesteuerung: Eine Frotzelei

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Gegen Ende des Vorjahres befand der Verfassungsgerichtshof, daß Einkommensbezieher mit Kindern gegenüber solchen ohne Kinder bei gleichem Einkommen steuerlich besser zu stellen sind. Den Weg dazu ließ das Höchstgericht dem Gesetzgeber frei.

Vermutlich, weil sich die Verfassungshüter in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen konnten, was jetzt Wirklichkeit zu werden droht: Werden die geplanten Absetzbeträge für jedes Kind (im Gespräch sind 300 für das erste, 500 für das zweite und 700 Schilling für jedes weitere Kind) tatsächlich aus der Streichung der Kinderbegünstigung beim 13. und 14. Gehalt finanziert, dann zahlen sich die Familien die Reform nicht nur selbst, sondern werden teilweise schlechter als vorher gestellt. Derzeit reduziert sich die Besteuerung der Sonderzahlungen bei einem Kind von sechs auf zwei, bei zwei Kindern auf ein Prozent und ab drei Kinder auf Null.

Künftig aber sollen die Sonderzahlungen einheitlich mit sechs Prozent besteuert werden. Für Familien mit einem Kind heißt das ab einem Einkommen von etwa 45.000 Schilling brutto pro Monat, daß der neue Steuerabsetzbetrag (zwölf mal 300 Schilling) weniger als der Verlust der Kinderbegünstigung (vier Prozent von zwei mal 45.000 Schilling) bei Urlaubsund Weihnachtsgeld ausmacht.

Kein vernünftiger Mensch hätte etwas dagegen, wenn die Reform der Familienbesteuerung in erster Linie den Beziehern geringerer Einkommen zugute kommt. Die geplanten Absetzbeträge sind daher völlig zu Recht vom Einkommen unabhängig (inhaltlich läuft das auf eine Erhöhung der Kinderbeihilfe hinaus).

Daß die Umverteilung aber ausschließlich innerhalb der Familien erfolgt, daß in einzelnen Fällen Familien schlechter als bisher gestellt werden, Kinderlose aber in jedem Fall gleich gut wie bisher, kann nicht im Sinne der Entscheidung der Verfassungsrichter sein, und ist sachlich unhaltbar, ja geradezu zynisch.

Bei der Beurteilung der finanziellen Belastung der Familien wird im übrigen gerne übersehen, daß die Lasten nicht bloß durch die größere Zahl der im Haushalt lebenden Personen (und den eventuellen Wegfall eines zweiten Einkommens), sondern auch durch die geringere Flexibilität steigen.

So zahlen beispielsweise die Eltern schulpflichtiger Kinder zur Strafe dafür, daß sie das Hotelzimmer just dann wollen (müssen), wenn es ohnehin mehrfach verkaufbar ist (in den Schulferien also), Zuschläge bis 50 Prozent, ihre kinderlosen Bürokollegen können sich über günstigere Preise, ruhigere Strände und leere Pisten freuen. Sie bekommen dafür, daß sie ihren Urlaub außerhalb der Ferienzeit konsumieren (welch' Opfer!), gelegentlich - so etwa bei der Oesterreichischen Nationalbank und bei der Bank Austria - sogar zusätzliche Urlaubstage...

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