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Der Staat hat bereits zu viele Aufgaben übernommen

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Vieles kann die Familie besser als der Staat. Was die Familie braucht, ist nicht die Übernahme von Aufgaben durch den Staat, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Die Familienpolitik der letzten Jahre ist dazu angetan, die Familie zur sozialen Frage des ausgehenden 20. Jahrhunderts werden zu lassen. Das ist die Quintessenz aller familienpolitischen Aussagen des Katholischen Familienverbandes Österreichs (KFÖ), der sich in seinen Stellungnahmen auf neuestes Daten- und Erhebungsmaterial stützt.

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Vieles kann die Familie besser als der Staat. Was die Familie braucht, ist nicht die Übernahme von Aufgaben durch den Staat, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Die Familienpolitik der letzten Jahre ist dazu angetan, die Familie zur sozialen Frage des ausgehenden 20. Jahrhunderts werden zu lassen. Das ist die Quintessenz aller familienpolitischen Aussagen des Katholischen Familienverbandes Österreichs (KFÖ), der sich in seinen Stellungnahmen auf neuestes Daten- und Erhebungsmaterial stützt.

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Wenn man für die Gewährung der Ausgleichszulage an einen Mindestrentner den Richtsatz von 2625 Schilling als das für jedermann gültige Existenzminimum anerkennt, dann sollte das auch für die Familie gelten. Ein kleines Rechenexempel zeigt, wie Vater Staat zu dieser Frage wirklich steht: Einem Ledigen mit einem Durchschnittseinkommen von 9750 Schilling bleibt nach Abzug des Existenzminimums, der Steuern und Sozialabgaben monatlich ein Betrag von immerhin 4459 Schilling zur freien Verwendung. Eine Familie mit zwei Kindern mit neun und zwölf Jahren muß sich hingegen mit einem frei verfügbaren Betrag von nur 634 Schilling bescheiden.

Zwar zahlt der Ledige 1459 Schilling an Steuern, der Familienvater nur 559 Schilling, doch erfordert die Befriedigung der Minimalbedürfnisse einer vierköpfigen Familie nach einem IFES-Index das 2,8fache des Existenzminimums, statt 2625 Schilling also 7350 Schilling im Monat.

Wie sieht es nun aus, wenn die Sozialpartner in einer bestimmten Sparte eine Lohnerhöhung von 7 Prozent durchsetzen: sofern auch die Preise um 7 Prozent steigen, so erhöht sich demgemäß auch das Existenzminimum um 184 Schilling, im Falle der bereits zitierten Familie aber um das 2,8fache, also um 515 Schilling. Die Steuer des Ledigen wächst von 1459 Schilling auf 1641 Schilling, die des Familienvaters von 559 Schilling auf 741 Schilling. Der für jedes Kind vorgesehene Absetzbetrag bleibt jedoch unverändert. Endeffekt der Lohnerhöhung: Der frei verfügbare Betrag des Ledigen erhöht sich von 4459 Schilling auf 4717 Schilling, der Familienvater muß sogar eine nominelle Verminderung des Betrages von 634 Schilling auf 561 Schilling hinnehmen.

Nun sollte man meinen, man könnte mit Hilfe der zum Glück vollen Kasse des Ausgleichsfonds den Familien unter die Arme greifen. Die Fondseinnahmen sind nämlich seit 1969, als Folge des damals einsetzenden Wirtschaftsaufschwunges, ständig gewachsen. Betrugen sie 1969 noch 7,3 Milliarden, so werden 1977 Eingänge von mehr als 19 Milliarden Schilling erwartet. Dazu kommen 10,8 Milliarden Reserven, von denen 7,4 Milliarden aiif sofort verfügbaren Postsparbüchern liegen.

Darüber hinaus wären noch beträchtlich höhere Summen für Familienbeihilfen verfügbar, wenn dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen nicht ständig steigende Summen (1977 werden es bereits über 4 Milliarden sein) zur Subventionierung des Sozialmihisteriums, des Gesundheitsministeriums oder der Verkehrsbetriebe für sogenannte Sachleistungen entnommen würden. Gemeint sind etwa das Karenzurlaubsgeld, das früher zur Gänze aus den Mitteln des Sozialministeriums bestritten wurde, der Mutter-Kind-Paß, dessen Finanzierung in die Kompetenz des Gesundheitsministeriums fiele, oder die Schülerfahrten, die früher das Budget der Bundesbahnen belasteten. Bei Schaffung des Familienlastenaus-gleichsgesetzes war es die zweifelsfreie Absicht des Gesetzgebers, nicht die Budgets des Bundes oder der Bundesbahnen, sondern die Familienbudgets durch Geldbeihilfen zu entlasten.

Vor diesem finanziellen Hintergrund präsentiert der Familienver-band seine Forderungen:

•Erhöhung der Familienbeihilfen um 7 Prozent und Revision der heuer verfügten Benachteiligung der Familien mit mehreren Kindern.

•Zuschlag von 50 Prozent für Kinder über zehn Jahren.

•Dynamisierung der Familienbeihilfen entsprechend dem Pensionsan-passungsfaktor.

•Hebung des Sozialprestiges der Familie und Anerkennung ihrer Leistung durch die Gesetzgebung und in der Gesellschaft.

Als Trostpflaster für die Verteuerung von Milch und Milchprodukten will der Finanzminister pro Kind um 30 Schilling mehr auf den Tisch legen. Bewußt übersehen wird dabei, daß die Familien auch an allen anderen Preiserhöhungen zu tragen haben: an den Erhöhungen bei Strom, Telephon, Bahn, Stempelgebühren usw. Der KFÖ' fordert daher, die um das „Milchgeld“ aufgebesserte Beihilfe um weitere 7 Prozent anzuheben.

Gleichzeitig soll die bevorstehende Teuerungsabgeltung zum Anlaß genommen werden, die von der Regierung Kreisky im Juli dieses Jahres verordnete massive Benachteiligung aller Familien mit mehr als einem Kind wieder rückgängig zu machen. Bei der Teuerungsabgeltung im Juli wurde nämlich die für Mehrkinderfamilien günstige Progression bei den Beihilfen gemindert.

SPÖ: „Alle Kinder sind gleich viel wert“

Seit längerer Zeit ist es das erklärte Ziel der in der SPÖ zur Zeit bestimmenden Kreise, die Hilfe für das erste Kind bevorzugt zu steigern und aus dem Slogan von der Gleichwertigkeit aller Kinder Kapital zu schlagen. Das ginge an, wenn ein Kind von der Beihilfe leben könnte, nicht aber, wenn 70 bis 90 Prozent des Unterhalts aus dem Familieneinkdmmen bestritten werden müssen. Gewiß, auch das Einzelkind schmälert das Familienbudget, aber das gilt doch noch viel mehr, wenn mehrere Kinder zu ernähren sind. Die ursprüngliche Familiengesetzgebung hatte diesem Umstand Rechnung getragen.

Bereits 1975 kündigte sich eine erste Wende an. Finanzminister Dr. Androsch erhöhte für das erste Kind den Steuerabsetzbetrag um 1000 Schilling (von 3200 auf 4200), für alle übrigen Kinder gab es nicht einen Groschen Teuerungsabgeltung. Im Juli dieses Jahres wurde nun bei den Familienbeihilfen mit dem Abbau der Progression begonnen. Hier sei daran erinnert, daß die Sozialisten 1954 im Parlament kritisierten, daß die Progression nicht stärker ausgefallen ist.

Unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Kreisky beschloß der familienpolitische Beirat im Jahre 1970, einen Fehler zu beseitigen, der der Familienförderung von Anfang an anhaftete, daß nämlich die Beihilfe für Kinder aller Altersstufen gleich hoch ist. Als Nahziel wurde anerkannt, daß die Beihilfe 50 Prozent bescheidener Unterhaltskosten eines Kindes decken sollte. Beide Forderungen sind seit sechs Jahren unerfüllt.

Was nützt eine hohe Geburtenbeihilfe, wenn die Eltern mit jedem Jahr mehr von ihrem Einkommen für ihre Kinder abgeben müssen, weil die Beihilfe diese natürliche Kostensteigerung ignoriert. Selbst die Finanzämter gehen in der Frage der überwiegenden Kostentragung davon aus, daß der Aufwand für ein dreijähriges Kind 1070 Schilling beträgt, für ein zehnjähriges Kind aber 1660 Schilling (55 Prozent mehr) ausmacht. Das Verlangen nach einem Beihilfenzuschlag von 50 Prozent ab dem 10. Lebensjahr ist also gewissermaßen finanzamtlich begründet.

Wenn nach dieser Rechnung die Mehrausgaben für ein Schulkind pro Jahr 7080 Schilling ausmachen, so ist es unmöglich, den Gedankengang sozialistischer Politiker nachzuvollzie-hen, die eine Altersstaffelung mit der Behauptung ablehnen, die altersbedingten Mehrausgaben seien durch die Gratisschulbücher abgegolten. Laut Bundesfinanzplan betrugen die durchschnittlichen Schulbuchausgaben pro Kind im Vorjahr 615 Schiling.

Die Familien wollen nicht länger um jede Teuerungsabgeltung und Beihilfenverbesserung betteln müssen. Auch die Pensionisten müssen das nicht, seit das Pensionsanpassungsge-setz die jährliche Dynamisierung der Pensionen und Renten regelt. Der Familienverband ist der Ansicht, daß es mit einem Umdenken in der Beihilfenfrage allein nicht getan sein kann. Der Familienverband lenkt die Aufmerksamkeit auch auf verschiedene Zurücksetzungen der Familie, die in einer Reihe von Bereichen sichtbar werden:

•Ein Mindestrentner hat monatlich Anspruch auf 2625 Schilling, zwei Verheiratete aber nur auf 3755 Schilling. Ziehen sie aber ohne Heirat zu einer Lebensgemeinschaft zusammen, so steigt ihr Einkommen auf 5250 Schilling.

•Mit „guter“ Begründung empfahl die „Arbeiterzeitung“ einem jungen Paar, erst ein Jahr nach der Geburt zu heiraten, weil die ledige Mutter 3686 Schilling Karenzurlaubsgeld, die verheiratete aber nur 2457 Schilling erhält.

•Bei aufrechter Ehe Wird die Erfüllung der Unterhaltspflicht für die Gattin nicht als Absetzposten anerkannt, wohl aber nach erfolgter Scheidung. Steuerberater wissen bereits von Anfragen über die Möglichkeit von formalen Scheidungen zu berichten.

•Nach schwedischem Muster. sind Ehestörung und Ehebruch als Delikte aus dem Strafrecht so gut wie beseitigt, die Abtreibung legalisiert, und allenthalben ist die Tendenz festzustellen, gesellschaftlich abnorme Verhaltensweisen (insbesondere im Sexualbereich) zu tolerieren.

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