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Das Geheimnis der einen Milliarde

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Budget-Kunststücke sind heute Alltagsarbeit des Fi-nanzministers. Aber hat die Regierung tatsächlich 1,3 Milliarden Schilling, die den Familien gehören, „zweckentfremdet“?

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Budget-Kunststücke sind heute Alltagsarbeit des Fi-nanzministers. Aber hat die Regierung tatsächlich 1,3 Milliarden Schilling, die den Familien gehören, „zweckentfremdet“?

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Seit Mitte des vergangenen Jahres wogt zwischen Opposition und Regierung der Streit, ob 1,3 Milliarden Schilling Famihengel-der — wie die Opposition meint — „zweckwidrig“ für Panzerkäufe, Repräsentationsausgaben und ähnliches mehr verwendet wurden.

Dem hält die Frau Bundesminister für Familie, Jugend und Konsumentenschutz, Gertrude Frohlich-Sandner, entgegen, daß dies schlicht unwahr sei.

Was sind nun die Fakten in diesem politischen Streit?

Nach dem Familienlastenaus-gleichsgesetz ist ein allfälliger Abgang beim Familienlastenaus-gleichsfonds zuerst aus dem Reservefonds zu decken. Sind die flüssigen Mittel des Reservefonds für Familienbeihilfen erschöpft, hat der Bund einen Abgang in Anrechnung auf seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Reservefonds für Familienbeihilfen zu tragen.

Sind alle Mittel erschöpft, hat der Bund die Abgänge vorläufig aus allgemeinen Bundesmitteln zu decken. Die von ihm getragenen Abgänge hat der Bund mit den Uberschüssen des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in den nachfolgenden Jahren aufzurechnen.

Als das Budget 1984 für den Fa-milienlastenausgleichsfonds erstellt wurde, ging man davon aus, daß der Familienlastenaus-gleichsfonds im Jahre 1983 einen so großen Abgang haben würde, daß einerseits die noch vorhandenen restlichen Mittel des Reservefonds erschöpft sind und auch die Verbindlichkeit des Bundes an den Familienlastenausgleichs-fonds zur Gänze aufgebraucht sein würde.

Es wurden daher für das Jahr 1984 die Geburtenbeihilfe um ein Drittel gekürzt und ein Zuschuß des Bundes an den Familienlastenausgleichsfonds in der Höhe von 1,3 Milliarden Schilling vorgesehen. Diese Mittel hätte der Familienlastenausgleich — wie die Familienministerin richtig erklärt — entsprechend dem Familien-lastenausgleichsfondsgesetz dem Bund theoretisch zurückzahlen müssen.

Mit Ende des Jahres 1983 und dem Vorliegen eines vorläufigen Rechnungsabschlusses war klar, daß der Familienlastenaus-gleichsf onds in diesem Jahr zwar einen Abgang zu verzeichnen hatte, dennoch aus der Schuld des Bundes an den Familienlasten-ausgleichsfonds noch 1,5 Milliarden Schilling verblieben sind, der Reservefonds selbst aber aufgebraucht war.

Mitte 1984 beschloß daher der Nationalrat, im Budgetüberschreitungsgesetz die für die Defizitabdeckung des Familienla-stenausgleichsfonds vorgesehenen Mittel für andere Zwecke zu verwenden.

Es bleibt unverständlich, warum der Nationalrat Mitte des vergangenen Jahres keine entsprechende Anhebung der Familienbeihilfe beschlossen hat, wofür ja Mittel grundsätzlich bereitgestellt waren.

Zinsenverluste

Ebenso ist nicht ganz verständlich, warum die Frau Bundesminister keine Schritte setzt, um die Schuld des Bundes an den Fami-lienlastenausgleichsfonds, die unverzinst ist, zurückgezahlt zu bekommen.

Nach Berechnungen des Katholischen Familienverbandes Österreichs sind dem Familienla-stenausgleichsfonds daraus von Jänner 1984 bis Juni 1985 Zinsenverluste von etwa 120 Millionen Schilling erwachsen.

Wie geht es nun im Familienla-stenausgleichsfonds weiter? In den Erläuterungen zum Bundesvoranschlag 1986, Budgetkapitel Familienangelegenheiten, heißt es: „Im Jahre 1986 wird der Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ausgeglichen gebaren, sodaß eine Rückzahlung der Verbindlichkeiten des Bundes an den Familienlastenausgleich nicht vorgesehen ist.“

Mit Beginn des Jahres 1985 hatte der Familienlastenausgleichs-fonds noch aus der Schuld des Bundes 1,5 Milliarden Schilling in Reserve. Der Familienlastenaus-gleichsfonds schloß 1984 nicht mit einem Defizit, sondern mit einem Uberschuß von fast 800 Millionen Schilling ab.

Dies ist einerseits zurückzuführen auf die Kürzung der Geburtenbeihilfe sowie auf (wie es in den Erläuterungen zum Rechnungsabschluß 1984 heißt):

„Minderausgaben bei der Familienbeihilfe infolge Abnahme der Anzahl der Kinder, die einen Anspruch auf Familienbeihilfe begründen, und zu hoher Veranschlagung der einmaligen Sonderzahlung an Familienbeihilfen“ (damit ist die Teuerungsabgeltung von 1.000 Schilling für Mehrkinderfamilien gemeint);

Minderausgaben bei der Geburtenbeihilfe, „weil die Auswirkung der Herabsetzung der Geburtenbeihilfe schwer abschätzbar war“;

Minderausgaben bei der Schulfahrtbeihilfe „infolge Verringerung der Schülerzahl und zu hoher Veranschlagung“;

Minderausgaben bei den Schulbüchern infolge von Sparmaßnahmen;

Minderausgaben beim Karenzurlaubsgeld „infolge von zu hoher Veranschlagung“;

Minderausgaben beim Mutter-Kind-Paß „infolge nicht abgeschlossener Abrechnungen der Vorjahre“;

Minderausgaben bei den Unterhaltsvorschüssen, „weil die Anzahl der Empfänger von Vorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz geringer als angenommen war“;

Minderausgaben bei den Aufwendungen für das Wochengeld beziehungsweise Mehrausgaben bei den Kosten der Betriebshilfe (das sind die Zuwendungen für unselbständig bzw. selbständig erwerbstätige Mütter während der Schutzfrist acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt);

Minderausgaben bei den Schülerfreifahrten „infolge Ermäßigung der Fahrpreise um die Umsatzsteuer und zu hoher Veranschlagung“;

Minderausgaben durch zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten der Verkehrsunternehmungen des öffentlichen Verkehrs sowie Verringerung des Gelegenheitsverkehrs, Mehrausgaben bei den Fahrpreisersätzen an die ÖBB durch Tariferhöhungen und Ausweitung des öffentlichen Verkehrs.

Vorrang für Familien

Bei den Ausschußberatungen des Budgetkapitels Familie im Parlament am 14. November 1985 wurde bekannt, daß der Familien -lastenausgleichsfonds 1985 nicht, wie budgetiert, einen Abgang von 400 Millionen Schilling, sondern voraussichtlich einen Uberschuß von zumindest 600 Millionen Schilling haben wird.

Insofern ist es wichtig, grundsätzlich festzuhalten, daß Frau Minister Fröhlich-Sandner schon vor einiger Zeit dafür eingetreten ist, der Familie den richtigen Rang in der Politik einzuräumen, nämlich den Vorrang.

Es ist ebenfalls wichtig, festzuhalten, daß die Frau Bundesminister anläßlich der Debatte über die Novelle zum Familienlasten-ausgleichsgesetz im Nationalrat am 24. Oktober 1985 erklärt hat, daß sie bereit ist, sollten dem Fa-milienlastenausgleichsfonds am Ende des Jahres 1985 Mittel übrigbleiben, diese auch während des Jahres 1986 zusätzlich direkt den Familien zukommen zu lassen...

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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