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Option für die Frauen

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Waren Frauen nicht ausreichend berufstätig stehen sie im Falle von Scheidung, Trennung oder auch Lebensgemeinschaft im Alter oft völlig unversorgt da. Unberücksichtigt für die Höhe der Pension läßt unser derzeitiges Pensionsversicherungssy-stem auch jene Jahre, die Frauen für die Kindererziehung aufwenden. Ist also eine Frau nicht ausreichend selbst erwerbstätig, bestimmt einzig die Einkommenshöhe des Ehemannes, wie gut sie im Alter finanziell abgesichert ist.

Das ist der Hintergrund für das im Frauenvolksbegehren formulierte „Recht auf Grundpension". Zur Finanzierung, so heißt es im Text des Volksbegehrens, solle der erwerbstätige Lebenspartner für den nichterwerbstätigen Pensionsbeiträge einzahlen. Für alleinlebende Menschen ohne ausreichende Versicherungszeiten müsse der Staat einspringen. Gleiches gelte für Familien in finanziellen Notsituationen bis zum Schuleintritt des jüngsten Kindes. Zeiten der Kindererziehung und der Pflegearbeit sollten pensionserhöhend wirken.

Derzeit gibt es in Osterreich 1,6 Millionen Menschen über 60 Jahre. Zwei Drittel davon sind Frauen. Davon beziehen 80 Prozent eine eigene oder eine Witwenpension. Die restlichen Frauen, rund 200.000, haben keinerlei eigenen Pensionsarispruch erworben. Zwar ist der überwiegende Teil dieser Frauen (95 Prozent) verheiratet und hat somit Aussicht auf eine Witwenpension, doch wie die Praxis zeigt, nicht selten ist diese „zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel". Von den derzeitigen Witwen mit nur einer Pension erhalten drei von vier eine Ausgleichszulage. Sie würden sonst unter die Armutsgrenze abrutschen. Schlechter geht es nur noch jenen Frauen, die weder eine eigene noch eine abgeleitete Pension haben und somit auf die Sozialhilfe angewiesen sind.

Wirklich gut versorgt sind rund 200.000 Frauen. Sie verfügen sowohl über eine eigene als auch eine Witwenpension. Damit erreichen sie das durchschnittliche Pensionsniveau der Männer von 12.400 Schilling.

Demgegenüber liegt das durchschnittliche Eigenpensionsniveau der Frauen bei 7.210 Schilling. Die durch -

lm Volksbegehren

wird auch die Forderung nach einer Grundpension für alle über 60 erhoben. Hat die Forderung Chance auf Realisierung?

schnittliche Hinterbliebenenpension beträgt gar nur 6.200 Schilling.

Angesichts dieser Zahlen ist die Forderung nach einem eigenen Einkommen für Frauen im Alter verständlich. Wäre da nicht die leidige Finanzierungsfrage. Immerhin mußte der Staat 1993 allein bei den Pensionen inklusive Ausgleichszulagen-Zahlungen 57 Milliarden Schilling zuschießen. Für die Beamtenpensionen kommen weitere 46 Milliarden dazu. Alles in allem ergibt das die stolze Summe von 103 Milliarden Schilling an Bundeszuschüssen zu den Pensionen. Das enspricht einem Drittel aller Pensionsleistungen. Können unter diesem Aspekt die Forderungen des Volksbegehrens nach einer „Grundpension, deutlich über dem Existenzminimum" als realistisch angesehen werden?

Lösungsansätze, wie es klappen könnte, finden sich in der vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien erstellten Studie „Neue Wege der eigenständigen Alterssicherung von Frauen". Sie wurde 1995 vom Frau-enminsterium mit der Auflage in Auftrag gegeben, „ohne zusätzliche staatliche Mittel" eine bessere Absicherung der Frauen im Alter zu erreichen. Die Ergebnisse liegen nunmehr seit kurzem vor.

Eine Grundpension für alle Personen über 60 Jahre, unabhängig von erworbenen Versicherungszeiten, könnte realisiert werden, doch müßte im Gegenzug dazu die Hinterbliebenenpension abgeschafft werden. Damit nicht genug. Auch die Männerpensionen würden sich reduzieren -durch einen geringeren Steigerungsbetrag als im derzeitigen Versicherungssystem (siehe Modellübersicht).

Ohne zusätzliche staatliche Mittel könnte dann an alle Personen über 60 Jahre eine Grundpension in Höhe von 6.600 Schilling monatlich ausbezahlt werden. Deutlich über dem Existenzminimum, wie im Volksbegeheren gefordert, würde die Grundpension

liegen (monatlich 8.900 Schilling), verwendet man für die Finanzierung auch die derzeitigen Bundeszuschüsse zu den Beamtenpensionen in der Höhe von 46 Milliarden, was einer Angleichung der Beamten- an die der ASVG-Pension gleichkäme.

Zur Grundpension kommt dann die individuelle im Arbeitsleben erworbene Eigenpension, auf die nach 15 Beitragsjahren Anspruch besteht. Die nicht erwerbstätige Ehefrau jedoch bekommt die Hinterbliebenenpension wurde abgeschafft - somit vor wie auch nach dem Tod des Ehegatten „nur" die Grundpension. Berechnungen zeigen, daß über den Lebensverlauf die im

Durchschnitt geringere Eigenpension die oftmals weitaus höhere Witwenpension kompensiert. Witwen zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr sind allerdings massiv schlechter dran. Besonders arg trifft die Abschaffung der Hinterbliebenenpension Frauen von gutverdienenden Ehemännern. Ohne eigenen Pensionsanspruch erhalten sie ab dem 60. Lebensjahr „nur" die Grundpen-

sion. Noch einen Pferdefuß hat dieses Modell. Es berücksichtigt nicht ausreichend die Kinderbetreuungsarbeit.

Um die Grundpension zu finanzieren, so der Vorschlag der Initiatoren des Frauenvolksbegehrens, solle der erwerbstätige Lebenspartner für den nichterwerbstätigen Pensionsbeiträge einzahlen. Auch für diese Forderung findet sich in der Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung eine entsprechende Berechnung.

Ausgangspunkt ist die Einführung einer individuellen Pflichtversiche-rung für alle Personen über 20. Der monatliche Beitrag von zirka 2.200 Schilling ist so berechnet, daß nach 40 Versicherungsjahren eine Eigenpension in Höhe des heutigen Ausgleichszulagenrichtsatzes, also knapp 8.000 Schilling, ausbezahlt werden kann. Die Hinterbliebenenpension entfällt auch hier.

Für die Zeiten der Kindererziehung übernimmt der Staat pro Kind für maximal vier Jahre die Pflichtbeitragszahlungen, ebenso bei Pflegetätigkeit, Arbeitslosigkeit und längerer Krankheit. Ist die Frau jedoch über die Kindererziehungsjahre hinaus nicht erwerbstätig, muß der Ehe-

partner die Pflichtbeiträge zahlen. Geht man davon aus, daß bei einem Haushaltseinkommen von unter 25.000 Schilling - immerhin 30 Prozent der Haushalte - die Pflichtversicherungsbeiträge ganz oder teilweise vom Staat übernommen werden müssen, verursacht das Kosten von fast sechs Milliarden Schilling.

Weitere 13 Milliarden kostet die im Volksbegehren vorgebrachte Forderung, „Zeiten der Kindererziehung und der Pflegearbeit sollten pensionserhöhend wirken". Dazu müßte die Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kinderbetreuung von derzeit 6.500 Schilling auf 19.500 Schilling angehoben werden. Ohne zusätzliche Mittel kann nur umverteilt werden - das bedeutet niedrigere Eigenpensionen für Männer aber auch für kinderlose Frauen.

Wie die Modellberechnungen zeigen, gibt es Optionen zur Alterssicherung von Frauen, unabhängig von Familienstand und Höhe des Einkommens, für Selbstbestimmung der Frauen im Alter und eindeutigen Verbesserungen für Mindestpensionsbe-zieherinnen.

Ob sich dafür jedoch ein politischer Konsens finden läßt, ist mehr als fraglich. Damit haben diese Forderungen des Volksbegehrens vorerst wohl auch keine realistische Chance auf Verwirklichung.

Entscheidender Denkfehler

Die hier vorgestellte Studie des „Zentrums für Wohlfahrtspolitik "(siehe obigen Beitrag) erfordert geradezu eine Ergänzung. Richtig ist, daß zirka 200.000 Frauen im Alter ungenügend abgesichert sind, entweder weil sie niemals (oder weniger als 15 Jahre) erwerbstätig waren und/oder wegen Scheidung nur eine ganz kleine Pension erhalten. Richtig ist auch, daß es ebenfalls zirka 200.000 sehr gut bis überversorgte Frauen/Witwen gibt. Die Studie, die im Detail zirka zehn neue Pensionsmodelle vorschlägt, enthält auch ein Modell, bei dem sämtliche Witwenpensionen abgeschafft und die entfallenden Mittel auf alle Frauen eher gleichmäßig verteilt werden. Ob das auch die Mehrheit der Frauen wollen wird?

Aber nicht nur zwischen Frauen soll umverteilt werden, sondern natürlich zwischen Männern und Frauen. Dazu soll das Pensionsniveau insgesamt abgesenkt werden (statt, 1,87 Prozent pro Jahr nur mehr 1,2 Prozent) und dafür eine Grundpension für alle - unabhängig ob sie erwerbstätig waren oder nicht - eingeführt werden.

Diese Grund(Volks)pensionsmo-delle für alle - nach insbesondere schwedischem Vorbild - haben nur

einen entscheidenden Denkfehler: Sie können bestenfalls in 30 bis 40 Jahren wirksam werden. Denn: Jedes Altersvorsorgesystem (wie das österreichische) nach dem Umlagesystem baut auf dem Vertrauensgrundsatz auf: wenn man schon 40 Jahre lang Beiträge einzahlt - bis 10.000 Schilling monatlich(!) - sollte man sich darauf verlassen können, daß man durch zirka 30 Jahre (inklusive Witwenpension) auch eine entsprechende Pension erhält, wie das das Gesetz auch zusichert (daß schon durch die demografische Entwicklung dieses Pensionsniveau wesentlich niedriger ausfallen wird, ist ein anderes Kapitel).

Es würde aber unser Gesellschaftssystem schwer erschüttern, würde man diesen Vertrauensgrundsatz zugunsten einer Umverteilung Männer/Frauen durchbrechen. Bestenfalls wäre es möglich, alle unter 40jährigen in ihren Ansprüchen zu beschneiden; dann hätten sie aber 20 Jahre lang umsonst eingezahlt! Aber auch hier fallen erst in 20 bis 30 Jahren nennenswerte Beträge an, die man umverteilen könnte. Dann aber müssen wir schon aus demografischen Gründen alle Leistungen kürzen und dazu noch eine zusätzliche Leistungskürzung zwecks Umvertei-

lung zugunsten gewisser Frauen-gruppen? Das dürfte wohl Illusion bleiben.

Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sofort etwas für benachteiligte Frauen zu tun: Für Geschiedene könnte sofort, -in Deutschland schon 1976 realisiert - ein Splitting der Pensionsanwartschaften erfolgen, was der nicht erwerbstätigen Hausfrau zugute kommen würde.

Vor allem aber könnte ein Ausgleich zwischen kindererziehenden und kinderlosen Frauen vorgesehen werden: Denn im heutigen Umlagesystem ist es so, daß die Pensionen der kinderlosen Frauen von den Kindern jener Frauen bezahlt werden, die wegen dieser Kinder selber keine - oder nur eine ungenügende Pension erhalten. Die Forderung, daß die Anrechnung der Kindererziehungszeiten nicht von einer minimalen Bemessungsgrundlage (derzeit 6.500 Schilling) berechnet wird, sondern von der tatsächlich erworbenen - oder sogar vom Durchschnitt aller Erwerbstätigen - ist daher mehr als gerechtfertigt. Finanziert werden könnte sie durch höhere Pensionsbeiträge der Kinderlosen oder durch höhere Besteuerung.

Der Autor ist

Sozinhvr.ncheningst'x/jcrtc.

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