Armut trotz Arbeit ist ein Frauenproblem

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Frauen sind zwar formal gleichberechtigt, faktisch aber durch den "weiblichen Lebenszusammenhang" benachteiligt.

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Frauen sind zwar formal gleichberechtigt, faktisch aber durch den "weiblichen Lebenszusammenhang" benachteiligt.

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Ein Blick auf die Leistungsstatistik der österreichischen Sozialversicherungsträger zeigt große Unterschiede in der Pensionshöhe von Frauen und Männern. Im Dezember 1999 betrug die mittlere Alterspensionsleistung von Frauen 9.030 Schilling, von Männern 15.423 Schilling. Damit beziehen Frauen im Schnitt nur 58,5 Prozent der männlichen Pensionsleistung. Auch unter Berücksichtigung von Mehrfachpensionen (etwa der von der Ehe abgeleiteten Witwenpension) erhalten Frauen nur etwa zwei Drittel der Gesamtpensionsleistung des Mannes.

Die Gründe für diesen Unterschied sind mehrschichtig und strukturell bedingt. Frauen sind im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung zwar formal gleichberechtigt, faktisch aber durch den "weiblichen Lebenszusammenhang" und spezifische Regelungen benachteiligt. Im erwerbszentrierten österreichischen Sozialsystem hängen Leistungsansprüche in der Pensionsversicherung vor allem von der Art, der Dauer, der Kontinuität und der Höhe des Entgelts der Erwerbstätigkeit ab.

Allen voran führt der diskontinuierliche Erwerbsverlauf von Frauen, der durch die Übernahme der (unbezahlten) Familien- und Versorgungsarbeit verursacht wird, zu unbefriedigenden Anspruchsvoraussetzungen. Zwar wird ein Teil der Lücken im Versicherungsverlauf durch eine verbesserte Anrechnung von Ersatzzeiten abgefedert. Die strukturelle Benachteiligung von Frauen kann dadurch allerdings nicht wettgemacht werden: 1997 bezogen von allen Frauen über 60 Jahren 16 Prozent gar keine Pension, weitere 41 Prozent hatten keinen eigenständigen Pensionsanspruch. Im Vergleich dazu erhielten von allen Männern über 60 nur ein Prozent keine Pension und zehn Prozent hatten keinen eigenständigen Pensionsanspruch.

Neben der unterbrochenen Erwerbskarriere verursachen die geringen Entgelte von Frauen ihre geringen Pensionsleistungen. Sie sind Resultat der schlecht bezahlten atypischen Jobs, in denen Frauen überproportional tätig sind, aber auch des Faktums, dass Frauen bei vergleichbareren Qualifikationen nach wie vor weniger Entgelt beziehen als Männer. Das Phänomen der "working poor", der Armut trotz Erwerbstätigkeit, ist somit vielfach ein Problem von Frauen. Ihre Armutsgefährdungsquote ist bezogen auf alle über 60-jährigen Frauen fast doppelt so hoch wie jene der über 60-jährigen Männer.

Schließlich wird die Benachteiligung von Frauen in der Pensionsversicherung durch die unterhaltsrechtliche Sichtweise verstärkt. Beispielsweise führt die Berücksichtigung der Einkünfte des Ehepartners bei vielen Frauen im Pensionsalter dazu, dass sie trotz einer Eigenpension unter dem Ausgleichzulagenrichtsatz keinen Anspruch auf diese Zulage haben. Frauen sind damit auf den Unterhalt des Ehemannes oder des Lebensgefährten, der gesetzlich nicht einmal unterhaltspflichtig ist, angewiesen.

Das verpflichtende Pensionssplitting, das Bundesminister Herbert Haupt in die Diskussion einbrachte, würde eine Verbesserung des Status quo mit sich bringen. Es ist die Vision des Frauenministers, "Hausfrauen" durch einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil der Pension ihres Partners im Alter finanziell abzusichern. Langfristig ist allerdings die eigenständige und vom Familienstand unabhängige Absicherung der Frauen anzustreben. Die Schaffung adäquater Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und pflegebedürftige ältere Personen wären erste notwendige und seit Jahren geforderte Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Eine alternative Altersabsicherung durch eine erwerbsunabhängige Grundpension würde als Bürgerrecht zwar eine umfassende Reform auf der Leistungsseite der Pensionsversicherung nach sich ziehen, den unterschiedlichen Pensionsleistungen von Frauen und Männern allerdings ein Ende setzen.

Die Autorin ist Universitätsassistentin an der Abteilung für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien.

Zum Thema: Frauenpensionen Einen weiteren Akzent in der Frage um gerechte Frauenpensionen setzte in der vergangenen Woche der neu gekürte Sozial- und Frauenminister Herbert Haupt. Noch in dieser Legislaturperiode will er die Weichen für ein Splitten von Pensionen in Ehen stellen. Das würde bedeuten, dass auch Frauen ohne eigenen Anspruch einen Anteil an der Pension des Ehemannes erhalten. Haupt sprach von mindestens 20 bis 30 Prozent für den Partner des Pensionisten. Die Volkspartei unterstützte Haupts Vorstoß und verwies auf die Wichtigkeit einer solchen Regelung im Scheidungsfall. Die Opposition hält nichts davon, die Altersabsicherung von Frauen, durch "Abzwacken von der Pension des Ehemanns" zu verbessern: "Dadurch werden Frauen wieder zum Anhängsel ihres Ehemannes." WM

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