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Pensionsgießkanne ohne Wasser
Die Diskussion um die Witwerpension (FURCHE 6/1981) geht weiter. Schon zeichnet sich ab, daß doch auch Rechte der Witwen wegfallen könnten: die Abfertigung bei Wiederverheiratungsoll halbiert werden. Und das Fragezeichen hinter der Pensionsfinanzierung ist heute größer denn je.
Die Diskussion um die Witwerpension (FURCHE 6/1981) geht weiter. Schon zeichnet sich ab, daß doch auch Rechte der Witwen wegfallen könnten: die Abfertigung bei Wiederverheiratungsoll halbiert werden. Und das Fragezeichen hinter der Pensionsfinanzierung ist heute größer denn je.
Die soziale Sicherheit im Alter ist ein fundamentales Anliegen der gesamten Bevölkerung. Sie darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, sondern gehört wirtschaftlich und finanziell solid abgesichert.
Schon heute müssen aber immer wieder die letzten Mittel aus allen Bereichen der Sozialversicherung herangezogen werden, um die Pensionen jeweils wieder für ein Jahr finanzieren zu können: Mittel der Gesundheitsvorsorge, der Unfallversicherung, des Familienlastenausgleichs, der Wohnungsbeihilfen und der Arbeitslosenversicherung.
Unter vier oder sechs Augen wird von allen, die Einblick in die finanzielle Entwicklung der Pensionsversicherung haben - von Spitzenbeamten des Sozialministeriums genauso wie von führenden Gewerkschaftsfunktionären - die große Sorge geäußert, wie cs weitergehen soll, wer dies alles einmal finanzieren soll.
Denn die Zahl und die Höhe der Pensionen wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Eine jüngst publizierte Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung kommt daher zu dem Ergebnis, daß sich die finanzielle Gebarung der Pensionsversicherung schon in den achtziger Jahren tendenziell verschlechtern wird. Bis zum Jahr 2000 ist nach einer Studie des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger mit einer weiteren Verschärfung der Situation zu rechnen.
Während die Pensionsbelastungsquote, das ist die Anzahl der Pensionen auf je 1000 Pensionsversicherte, 1978 noch 515 betrug, wird sich diese Relation in den nächsten fünf Jahren auf 532 und bis zum Jahr 2000 sogar auf 540 verschlechtern, d. h. 1000 Pensionsver- sicherte werden dann schon 540 Pensionen finanzieren müssen.
Die künftige finanzielle Belastung der Pensionsversicherung wird aber nicht nur durch die größere Anzahl der Pensionen stärker sein als heute, sondern auch durch die höheren Pensionsleistungen. Denn die neu zuerkannten Pensionen sind in der Regel bedeutend höher als jene Pensionen, die wegfallen.
Unabhängig von der Kostenseite ist eine Witwerpension analog zur Witwenpension aber auch sozialpolitisch nicht bedarfsadäquat. Sie bedeutet eine Fortsetzung der Gießkannenpolitik, die den Weg des (vorläufig) geringsten Widerstandes geht. Vernachläßigt wird dabei, daß gerade bei einer Knappheit der Mittel ein möglichst gezielter Einsatz notwendig wäre.
Von rund 440.000 Witwen mit Pensionen leben aber rund 74 Prozent nur von einer Pension, davon wieder rund ein Drittel am Existenzminimum der Ausgleichszulage. Sie werden bei der Witwerpension leer ausgehen, dafür werden künftig auch Witwer, bei denen überhaupt kein sozialer Bedarf besteht, eine Witwerpension bekommen.
Eine Partnerpension würde hier mehr soziale Gerechtigkeit bringen. Sie würde (bei einem höheren Prozentsatz als den heutigen 60 Prozent der Witwenpension) vor allem jenen 74 Prozent der Witwen, die nur von einer Pension leben, eine Besserstellung bringen, finanziert aus dem langfristigen Abbau von heutiger Überversorgung (durch Zusammentreffen mehrerer Pensionen).
Nicht alle Schuld allein trifft aber den Sozialminister. Seit 1976 hat es die Regierung trotz einvernehmlicher Entschließung des Nationalrates versäumt, eine Anpassung des Pensionsrechts an das Familienrecht vorzunehmen. In den Jahren seither hatten alle politischen Gruppierungen und Untergruppen ausreichend Zeit, ihre Forderungen zur Neuregelung möglichst umfassend einzubetonieren.
Zur Wahrung wohl erworbener Rechte - die von Haus aus außer Streit stand - kamen noch die berechtigten Erwartungen, die nicht enttäuscht werden dürften, die Diskriminierung der berufstätigen Frau, die zu verhindern wäre, sowie die sozialen Härtefälle, die besserzustellen wären. Zusammen mit der Forderung nach Kostenneutralität wäre diese Quadratur des Kreises wohl auch einem anderen Sozialminister nicht geglückt.
Diese Entwicklung zeigt vor allem eines mit aller Deutlichkeit: Wie sehr sich unser Sozialstaat bereits festgefahren hat. Er ist vor allem bei einer politischen Konstellation zwischen Alleinregierung und Opposition wie derzeit offenbar nicht in der Lage, überfällige und notwendige Reformen durchzuführen.
Der Autor ist Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Industriellenvereinigung und Wiener Bundesrat (ÖVP).
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