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Wer leistet denn mehr?

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Sozialminister Walter Gep- pert wehrt sich gegen den Vorwurf, daß in der Pensionsreform nichts weitergeht. Und er spielt den Ball an Ministerkollegen und Landeshauptleute weiter.

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Sozialminister Walter Gep- pert wehrt sich gegen den Vorwurf, daß in der Pensionsreform nichts weitergeht. Und er spielt den Ball an Ministerkollegen und Landeshauptleute weiter.

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Umweltschutz und Sicherung der Altenversorgung - das sind, nach einer kürzlich von der „Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft“ präsentierten Umfrage, die derzeit wichtigsten Anliegen der Österreicher. In beiden Bereichen sind, nach Ansicht der Befragten, die Leistungen der Koalitionsregierung eher dürftig ausgefallen.

Soweit die Frage der Alterssicherung betroffen ist, spiegelt diese „öffentliche Meinung“ ziemlich präzise die „veröffentlichte Meinung“. Beide gehen allerdings an der Realität vorbei. Die Fakten sind anders.

Die populäre Forderung nach einer Pensionsreform läßt unberücksichtigt, daß sowohl in der vergangenen als auch in der laufenden Legislaturperiode bedeutende Reformmaßnahmen gesetzt wurden. Die Pensionsreformen der Jahre 1085 und 1988 führten zu einer grundlegenden Strukturänderung des Leistungsrechtes. Wesentliches Ziel der Reformen war es, im Leistungsrecht eine größere Leistungsgerechtigkeit hinsichtlich des Verhältnisses von Beitragsleistung und Pensionsleistung zu erreichen; eine wichtige Strukturänderung - im Sinne einer Verbesserung - ist aber auch die Einführung der sogenannten ewigen Anwartschaft Sie brachte und bringt vor allem Frauen, deren Versicherungsverlauf lükkenhaft ist, spürbare Vorteile.

Die Bedeutung der Reformmaßnahmen kann auch an ihren Wirkungen auf den Bundeshaushalt abgelesen werden: In den zehn Jahren von 1985 bis 1995 wird das Budget um über 200 Milliarden Schilling entlastet - das entspricht einer jährlichen Budgetentlastung um 20 Milliarden Schilling.

20 Milliarden Schilling jährlich - und das sollte nicht den Namen „Reform“ verdienen? Müßte man nicht fragen, von welcher Gruppe in Staat und Gesellschaft vergleichbare Leistungen zur Konsolidierung des Budgets erbracht worden sind?

Im übrigen muß daran erinnert werden, daß die Motivation für diese Maßnahmen genau in diesem Zusammenhang gesehen werden müssen: Sie stellen einen Beitrag zur Konsolidierung des Budgets darund wurden keineswegs durch einen angeblich drohenden Kollaps der Pensionsversicherung erzwungen.

Bei der vielfach gepflegten öffentlichen Skepsis gegen Kommissionen soll auch daran erinnert werden, daß die Pensionsreform 1988 zu einem guten Teil auf Vorschlägen aufgebaut ist, die von einer vom damaligen. Sozialminister Alfred Dallinger eingesetzten Expertenkommission erarbeitet worden sind. Von den Vorschlägen wurde allerdings der Problembereich der Rühens- und Anrechnungsbestimmungen bisher nicht gelöst; diesen (aus vielerlei Gründen unerledigten) „Rest“ als ausständige Pensionsreform zu bezeichnen, verzerrt allerdings die Proportionen.

freilich trägt dieses (auch in seinen monetären Dimensionen) eher marginale Problem, im Verein mit den in der Öffentlichkeit ausgetragenen Querelen der Koalitionspartner, viel zu dem weitverbreiteten, wenn auch unzutreffenden Bild bei, der Sozialminister sei im Bereich der Sicherung der Altersversorgung säumig gewesen.

In Wahrheit konnte auch in der

Frage der Rühens- und Anrechnungsbestimmungen gegen Ende 1988 grundsätzliche Übereinstimmung erreicht werden. Das scheint mir umso bemerkenswerter, als damit ein erster Schritt in Richtung auf ein großes Fernziel möglich schien: Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme.

Daß die schon vereinbarten Maßnahmen nicht verwirklicht werden konnten, hat eine eindeutig zu bezeichnende Hauptursache: Die Lösung dieses Problems ist durch eine sachlichnicht gerechtfertigte Junk- timierung mit dem Pensionsalter der Eisenbahner durch die Volkspartei blockiert. Am Rande sei ver merkt, daß das Pensionsrecht der (mehrheitlich ÖVP-dominierten) Bundesländer jenem der Eisenbahner vielfach um nichts nachsteht.

Die „Harmonisierung der Pensionssysteme“, deren erster Schritt im Bereich der Rühens- und An- rechnungsbestimmungen sehr nahe schien, ist inzwischen in die Ferne der nächsten Legislaturperiode gerückt Währenddessen formieren sich die Gegner und wuchern falsche Erwartungen: Harmonisierung könne nur Nivellierung nach unten sein, das Endergebnis könne nur ein für den Betroffenen - und „betroffen“ ist jeder - schlechteres Pensionssystem sein, konkret: weniger

Geld. Derartige Befürchtungen mögen verständlich sein, begründet sind sie nicht.

Ein Aspekt wird in der aktuellen Pensionsreform-Diskussion gern übersehen: Unmittelbare Eingriffs- und Reformmöglichkeiten hat der Sozialminister ausschließlich im Bereich des AS VG und seiner parallelen Bereiche (gewerbliche Pensionsversicherung, Pensionsversicherung der Bauern). Hier wurden die Reformmöglichkeiten - siehe oben - bereits genützt.

Soll die soziale Symmetrie gewahrt bleiben, kann in diesem Bereich kein weiterer Eingriff erfolgen, ehe nicht in anderen Pensionssystemen, in denen der Sozialminister keine Zuständigkeit hat, vergleichbare Reformschritte gesetzt werden. Ob als Beitrag zur Konsolidierung des Budgets oder als Maßnahme zur langfristigen Sicherung der Altersversorgung; Reformen dürfen nicht nur die ASVG- Pensionisten betreffen.

Will man eine weiter divergierende Entwicklung der unterschiedlichen Alterssicherungssysteme vermeiden, führt mittelfristig kein Weg an der Harmonisierung der Systeme vorbei Die Kompetenz dafür liegt, soweit die Pensionssysteme des Öffentlichen Dienstes betroffen sind, bei den für die Beamten zuständigen Ministerkollegen beziehungsweise bei den Landeshauptleuten.

Fragen der Alterssicherung zählen zu den politisch sensibelsten Fragen überhaupt. Das sollte davon abhalten, sie für politische Polemik zu mißbrauchen, prädestiniert sie aber geradezu dafür. Ich plädiere dafür, einige zentrale Grundsätze außer Streit zu stellen:

1. Pensionsreformen müssen die Ansprüche all jener unberührt lassen, die bereits in Pension sind oder kurz vor dem Übertritt in den Ruhestand stehen.

2. Pensionsreformen müssen eine lange Vorlaufzeit haben, weil sie die Lebensplanung der Menschen betreffen. Sie sollen daher langfristig konzipiert, mit einem ausreichend langen Zeitraum vorWirksamkeitsbeginn angekündigt und mit großzügigen Übergangsbestimmungen ausgestattet werden.

3. Auf formelle „Pensionsgarantien“ kann verzichtet werden: Die Alterssicherung ist eine Grundgegebenheit unseres demokratischen Systems. Ich glaube, daß dieses System noch nie in der Geschichte Österreichs so stabil und in den Herzen und Hirnen der Österreicher verankert war wie in den letzten paar Jahrzehnten. Das sollte es uns ermöglichen, Fragen einer zukünftigen Gestaltung der Alterssicherung zugleich mit einem dem Thema angemessenen Engagement und mit der nötigen politischen Sachlichkeit zu diskutieren, um so die beste Lösung zu finden.

Der Autor i»t Bund esmini st er für Arbeit und Soziales.

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