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Schon wieder eine Pensionsreform

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Eine Pensionsreform, die diesen Namen verdient, müßte das System bis zum kritischen Jahr 2030 absichern. Ein heute 30jähriger müßte sich darauf verlassen können, daß sein heute eingezahlter Beitragsschilling eine Pension in versprochener Höhe garantiert.

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Eine Pensionsreform, die diesen Namen verdient, müßte das System bis zum kritischen Jahr 2030 absichern. Ein heute 30jähriger müßte sich darauf verlassen können, daß sein heute eingezahlter Beitragsschilling eine Pension in versprochener Höhe garantiert.

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Kein Österreicher - außer Politikern- glaubt heute noch, daß die versprochenen Pensionen auf Dauer zu finanzieren sind. Zu behaupten, „es gäbe keine Notwendigkeit für eine Pensionsreform" kann man nur als unverantwortlich bezeichnen.

Vier Pensionsreformen haben wir nunmehr hinter uns 1984,1988,1993, Sparpaket. Jedesmal wurde behauptet, nunmehr seien die Pensionen endgültig gesichert; und nun kommt wieder eine Pensionsreform. Wird es eine echte Reform oder wiederum nur eine Geldbeschaffungsaktion für das marode System, die für ein paar Jahre Luft verschafft?

Eine Reform, die diesen Namen verdient, müßte das System langfristig, das heißt, bis zum kritischen Jahr 2030 - finanziell in einer Weise absichern, daß sich ein heute 30jähriger glaubhaft darauf verlassen kann, daß sein heute eingezahlter Beitragsschilling eine Pension in versprochener Höhe garantiert.

236 Milliarden Defizit im Jahr 2030?

Um die Größenordnung der Pensionsproblematik darzustellen, folgende Zahlen:

1 Ieute haben wir zirka 1,8 Millionen Pensionen, 2030 werden es 2,7 sein, die Beitragszahler sinken von rund drei Millionen auf 2,7 Millionen. Der Pensionsaufwand wird daher von heute 283 Milliarden (inklusive Ausgleichszulage) auf 420 Milliarden (alles Preisbasis 1997) steigen, das Defizit, das mittels Steuern finanziert werden muß, steigt daher von heute 76 Milliarden auf zirka 236 (!) Milliarden, das heißt, zusätzlich um 160 Milliarden Schilling.

Ein Umlagesystem sei immer finanzierbar, heißt es; aber doch nur dann, wenn man der nachfolgenden Generation diese Belastung auch zumuten kann. Diese Zumutbarkeit ist die Schranke des Systems; übersteigt die Belastung diese Zumutbarkeits-grenze, dann bricht das System zusammen, der Generationenvertrag kann nicht mehr eingehalten werden. Die Behauptung, ein durch ein Wachstum gestiegenes Sozialprodukt lasse auch eine höhere Belastung der nächsten Generation zu, ist eine politische Ausrede, die psychologische Grundgesetze nicht anerkennen will.

Wenn nun zusätzlich 160 Milliarden gebraucht werden, kann man sich ausrechnen, wie lange man mit den zwölf Milliarden, die man jetzt mit der Pensionsreform 1997 auftreiben will, auskommt.

Dabei muß man bei den angekündigten „Reformschritten" unterscheiden zwischen Schritten in die richtige Richtung, das heißt, Maßnahmen, die in die Struktur eingreifen und reinen Geldbeschaffungaktionen, wie zum Beispiel die Hinauf-setzung der Höchstbeitragsgrundlage von 40.800 auf45.000 Schilling. Denn diesen erhöhten Beiträgen stehen erhöhte Pensionsleistungen gegenüber.

Heute schon bringt ein Beitragsschilling rund zirka 2,60 an Pension bei einem Verhältnis von durchschnittlich 33 Beitragsjahren zu 26 Pensionsbezugsjahren (inklusive Witwenpension) - die jedoch in Zukunft durch die weiterhin steigende Lebenserwartung auf 30 (!) Bezugsjahre ansteigen werden. Ein 40jähri-ger, der über der Höchstbeitragsgrundlage verdient, wird also 20 Jahre lang diese erhöhten Beiträge zahlen und erhält dann 26 Jahre (eher länger) die erhöhte Pension. Also 20 x 22,8 Prozent (Arbeitnehmer plus -geber) Pensionsbeitrag bringen 30 x 60 Prozent (angenommenes Pensionsniveau); das ist das Sechsfache des eingezahlten Beitrags(!)

Die echten Reformschritte dagegen, nämlich die Verlängerung des Bemessungszeitraums, eine weitere Verstärkung des Malus bei der Frühpension (im Sparpaket hatte die Einführung des Malus langfristig die höchste Effizienz) beziehungsweise die Hinaufsetzung des Frühpensions-alters stoßen auf erbitterten Widerstand.

Sind wir bereits soweit, daß wir nicht mehr die Kraft haben, deutlich auf uns zukommende gefährliche Entwicklungen zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen? Gleicht unser Gesellschaftssystem einem lecken Schiff, das auf einem Fluß da-hintreibt und immer tiefer sinkt? In der Ferne hört man schon das Getöse des Wasserfalls, aber die Besatzung streitet sich, wer die Pumpen bedienen soll.

Es ist natürlich bequem, die Schuld den Politikern zuzuschieben. Wir alle sind schuld, denn Politiker, die Refor-maßnahmen - die immer ins Fleisch schneiden müssen - vorschlagen, werden sofort abgewählt oder desavouiert (siehe Wahl 1994).

Schuld ist die Politik insofern, als sie immer wieder Reförmchen als „Pensionsreform" verkauft, die dann höchstens ein paar Jahre hält.

Einzelne Reformschritte rufen nur Widerstand hervor, führen zu keiner Lösung. Was wir brauchen ist die „Pensionswahrheit". Die Politik sollte in einer Art „Vision" ein Sozialsy stem entwerfen, daß auch im Jahre 2030 funktionsfähig und finanzierbar ist. Aber davor fürchten sich die Politiker: denn das würden derart schwere Eingriffe bedeuten, die alle Versprechen der letzten 40 Jahre obsolet Werden ließe.

Es besteht aber durchaus die Chance, wenn alle das Gefühl hätten, daß das die endgültige Wahrheit wäre, daß ein solches System akzeptiert würde. Und dann könnte man politisch ausstreiten, in welchen Teilschritten sich man diesem Endziel nähern und wie die Lasten verteilt werden sollen.

Keine Ende des Sozialsstaates

Denn die Krise unseres Sozialsystems besteht nicht darin, daß wir die wirklich Armen nicht mehr finanzieren können. Der Sozialstaat ist nicht am Ende; nur der für alles zuständige Wohlfahrtsstaat stößt an seine finanziellen Leistungsgrenzen. Und das Paradebeispiel dafür ist unser Pensionssystem: Nur zirka die Hälfte der Pen sionen werden im Lebensverdienstvergleich durch Beiträge gedeckt, die andere Hälfte schießt die Gemeinschaft unter dem Schlagwort „Solidarität (!)" im Wege des Bundeszuschusses aus Steuermitteln zu. Da dieser Zuschuß aber prozentuell geleistet wird, erhalten die höchsten Pensionen - und hier vor allem die hohen Beamtenpensionen -auch den höchsten Zuschuß.

Wir betreiben also bei den Pensionen im großen Stil eine Umverteilung von unten nach oben, während für die wirklich Armen, für die niedrigen Pensionen nichts mehr übrig bleibt.

Als Lösung zeichnet sich daher ab:

■ Den Bemessungszeitraum, derzeit 15 Jahre, auf den Lebensverdienst ausweiten (wie in Deutschland) verbunden mit Leistungskürzungen in Milliardenhöhe.

■ Anhebung des faktischen Pensionsalters von derzeit 57 Jahren durch einen erhöhten Malus wie in Deutschland (3,6 Prozent pro Jahr) oder Schweden (7,2 Prozent!).,

■ Damit aber unbedingt verbunden, die steuerliche Förderung von Pensionskassen und Eigenvorsorge, damit diese Ijeistungskürzungen, die in erster Linie die Besserverdienenden treffen, ausgeglichen werden können.

Die Frauen, die großen Verlierer?

Die Ausdehnung des Bemessungszeitraums von 15 auf 20 Jahre wäre daher ein echter Reformschritt.

Trifft er ungerecht vor allem Frauen, wie behauptet wird? Zunächst nicht, da er die hohen Pensionen stärker beschneidet als die niedrigen, das heißt, vor allem Männerpensionen. Richtig ist aber, daß Frauen mit wenigen Versicherungsjahren verlieren können. Müssen Jahre mit niedrigen Verdiensten (Teilzeitarbeit!) herangezogen werden, wird die Bemessungsgrundlage absinken. Dazu ein Beispiel: Eine Frau mit 15 Versicherungsjahren (Vj) ä 20.000 Schilling brutto erreicht bei 35 Vj. insgesamt und Pensionsalter 55 heute eine Pension von 9.960 Schilling. Müssen fünf Jahre - als Extremfall - ä 10.000 Schilling einbezogen werden, sinkt die Pension auf 8.715, immerhin um 1.200 Schilling.

Diese Frau erhält nun für Kindererziehung (zwei Kinder) zirka 900 Schilling angerechnet. Das ist deshalb so wenig, weil für die Bemessung der Erziehungszeiten ganz willkürlich eine Bemessungsrundlage von nur 6.500 Schilling gilt. Die enorme Bedeutung der Kinder in einem Umlagesystem wird durch diese Unterbewertung in keiner Weise anerkannt:

Hier hätten die Frauen Vertreterinnen ein ideales Kompensationsobjekt: Die Bemessungsgrundlage für die Erziehungszeiten wie in Deutschland auf die tatsächliche Beitragsgrundlage aufzustocken, im obigen Beispiel also an die 20.000 Schilling, was eine Verdreifachung der Zusatzpension bedeuten würde.

Jedenfalls sollte die notwendige und gerechtfertigte Ausdehnung des Bemessungszeitraums nicht daran scheitern.

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