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Die Zeitbombe Pensionssystem

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Das zentrale Problem der Sozialpolitik besteht heute darin, den erreichten sozialen Standard finanziell und wirtschaftlich solid abzusichern. An dieser Herausforderung kann auch eine Ablenkungsstrategie des Sozialministers mit Illusionen und Visionen von Arbeitszeitverkürzung, gleitenden Sonntagen und anderen bunten Luftballons nicht vorbeiführen.

Vom finanziellen Volumen her mit Abstand der größte Bereich der sozialen Sicherheit ist die gesetzliche Pensionsversicherung. Ihre Ausgaben betrugen 1981 rund 110 Milliarden Schilling, das sind rund 70 Prozent der Gesamtausgaben der Sozialversicherung.

Bereits in den letzten Jahren ist die Pensionsversicherung in finanzielle Schwierigkeiten gekommen. Innerhalb der letzten drei Jahre mußte der Beitragssatz von 17,5 auf 21,3 Prozent erhöht werden und hat damit ein Rekordniveau in Europa erreicht.

Darüber hinaus muß der Bund noch aus dem Budget hohe Beträge zuschießen (1981:18 Milliarden

Schilling). Zusätzlich müssen seit 1977 jeweils knapp vor Jahresende Sondergesetze beschlossen werden, um die Pensionen im nächsten Jahr durch Reserven aus der Unfallversicherung, der Krankenversicherung, den Wohnungsbeihilfen usw. finanzieren zu können.

Die Pensionspolitik der letzten Jahre war somit eine Kombination von Belastungspolitik, Zweckentfremdung anderer Sozialversicherungsgelder, Ausräumen von Reserven und kurzfristigem Löcherstopfen. Damit wurde immer wieder versucht, noch ein Jahr über die Runden zu kommen. Ein mittelfristiges Finanzierungskonzept ist weit und breit nicht zu sehen.

Dies ist umso schwerwiegender, als sich die Probleme bis 1985 weiter verschärfen werden. Nach den neuesten Prognosen wird sich die sogenannte Pensionsbelastungs-quote, das ist das Verhältnis zwischen Aktiven und Pensionisten, weiter verschlechtern. Während 1981 auf 1000 aktive Beitragszahler 537 Pensionen entfielen, werden es 1985 bereits 568 sein.

Das ist eine geradezu sprunghafte Erhöhung, die nicht zuletzt auch durch die 1981 von der Regierung eingeführte Witwerpension mitverursacht ist. Als Folge dieser Entwicklung wird sich der Bundesbeitrag von 18 Milliarden im Jahr 1981 bis auf rund 40 Milliarden Schilling im Jahr 1985 erhöhen.

Nachdem jahrelang Kosten-und Finanzierungsfragen in der Pensionsversicherung leichtfertig und lässig vom Tisch gewischt wurden, ist nunmehr guter Rat teuer. Ein Lösungsvorschlag sieht Einsparungsmöglichkeiten bei Zusammentreffen mehrerer Pensionen, von Pensionen und Unfallrenten sowie von Pensionen und Erwerbseinkommen vor.

Kein Zweifel, daß angesichts der knappen Mittel Fällö der Uberversorgung abgebaut werden müssen. Denn die Pension soll Ersatz für den Wegfall des Arbeitseinkommens sein und keine Altersprämie, die höher ist als das frühere Erwerbseinkommen.

Aber die Einsparungsmöglichkeiten aus diesem Titel dürfen nicht überschätzt werden. Bei gesamten Pensionsausgaben von 110 Milliarden (1981) bzw. 155 Milliarden Schilling (1985) können solche Einsparungen nur eine marginale Größenordnung haben. Umso mehr, als es nicht um Eingriffe in bestehende Pensionsansprüche gehen kann, sondern nur um Weichenstellungen für die Zukunft.

Angesichts der gewaltigen Größenordnungen, um die es hier geht, kann die Finanzproblematik der Pensionsversicherung nicht isoliert gesehen werden. Sie erfordert vielmehr eine umfassende Problemsicht. Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik lassen sich nicht trennen. Die Pensionen sind auf Dauer nur unter zwei Voraussetzungen finanzierbar: Bei einem Wirtschaftswachstum, das die Vollbeschäftigung sichert, sowie bei geordneten Staatsfinanzen.

Punktuelle Maßnahmen werden zweifellos nicht ausreichen. Notwendig ist eine Umstrukturierung großen Stils, eine großräumige Reform im Rahmen einer Neuordnung der gesamten gesellschaftlichen Ausgabenstruktur.

An einigen konkreten Einzelbeispielen demonstriert, heißt das etwa: Können wir uns Prestigeprojekte wie UNO-Konferenz-zentrum, Verschwendungsprojekte wie AKH, ÖBB-Defizite in astronomischer Größenordnung, Gießkannen-Sozialleistungen, Wegwerfschulbücher, Heirats- und Geburtenbeihilfen und Schüler-Freifahrten für alle leisten, während gleichzeitig kein Geld für die Pensionen da ist?

Ein dauerhaftes Finanzierungskonzept für Pensionen macht eine neue Prioritätenreihung der gesellschaftlichen Aufgaben notwendig. Sie erfordert darüber hinaus eine Budgetpolitik, die den Pensionen jenen Vorrang einräumt, den die alten Menschen nach einem arbeitsreichen Arbeitsleben mit Recht erwarten können.

Kann es eine größere Verpflichtung des Staates gegenüber seinen Bürgern geben, als im Alter die soziale Sicherheit jener zu garantieren, die während ihrer Aktivzeit diesen Staat und seinen Wohlstand aufgebaut haben?

Der Autor ist Mitglied des Bundesrates und Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Vereinigung Österreichischer Industrieller.

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