Heimat bist du leerer Kassen

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Kassasturz zum Nationalfeiertag: Ein Blick auf den Staatshaushalt offenbart, wie groß der Reformbedarf in Österreich ist.

Mit dem Budget, so hat es der Finanzsoziologe Rudolf Goldscheid schon Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben, steht "das aller täuschenden Ideologien entkleidete Gerippe des Staates, ein Gemenge harter, nackter Tatsachen“ vor uns. Und das, was überbleibt, wenn man den Staat in blanken Zahlen betrachtet, ist nicht sonderlich schön.

Denn so unterschiedlich Regierungen im Zeitablauf agiert haben mögen, eines haben sie alle gemeinsam: Sie haben Schulden gemacht. Jahr um Jahr, Budget um Budget wächst das Loch im Staatshaushalt.

Der Schuldenberg wächst weiter

Auch Finanzministerin Maria Fekter kommt in ihrer Haushaltsplanung für 2012, die sie am Mittwoch in der großen Budgetrede dem Parlament präsentierte, nicht um neue Schulden herum. Sie nimmt sich fürs nächste Jahr ein Defizit von 3,2 Prozent vor und liegt damit knapp unter ihren eigenen Prognosen. Ihr erstes Budget sieht eine Staatsverschuldung von 74,6 Prozent vor. Das sind zwar 0,4 Prozentpunkte weniger als veranschlagt, aber der Schuldenberg wird weiter wachsen.

Verwaltet wird er von der Finanz- agentur. 31 Marktmänner und -frauen nehmen dort im Auftrag des Finanzministeriums Schulden auf, überwiegend in Form von Bundesanleihen. Die Gläubiger sind vorwiegend Banken, Fonds und Versicherungen, sie kommen großteils aus der Eurozone. Fällig wird die Bundesschuld im Durchschnitt zwar erst in 8,2 Jahren - aber Zinsen müssen freilich jetzt schon bezahlt werden. Und die machen mittlerweile einen erheblichen Posten im Budget aus: 8,3 Milliarden wird Österreich 2012 allein an Zinsen für die Staatsschuld zahlen. Das entspricht den gesamten Ausgaben für Erziehung, Unterricht und Kunst in Fekters Bundesvoranschlag für 2012.

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) kritisiert die hohe Verschuldung Österreichs. Im Länderbericht vom September forderte der Fonds von der Politik mehr Tempo beim Schuldenabbau: Und zwar nicht durch reine Sparmaßnahmen, sondern durch Reformen von Pensions-, Bildungs-, Gesundheits- und Steuersystem.

Zeit für Strukturreformen

Konzepte für umfassende Strukturreformen gibt es zur Genüge, umgesetzt wird allerdings nur ein Bruchteil. Bernd Marin etwa, Leiter des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, wird nicht müde, vor dem Kollaps des Pensionssystems zu warnen: "Wenn das Pensionssystem nicht rasch nachhaltig reformiert wird, könnte Österreich innerhalb von drei Legislaturperioden bankrott sein.“

Pensionen bilden die größte Ausgabe im Staatshaushalt, mehr als 37 Milliarden Euro gab Österreich 2010 dafür aus. Eine von drei Pensionen ist nicht durch Sozialversicherungsbeiträge finanziert und muss vom Staat finanziert werden, errechnet Marin. Der Sozialwissenschafter liefert konkrete Vorschläge: Vom Abschaffen der Altersteilzeit in ihrer Blockvariante, über einen zusätzlichen Arbeitsmonat für alle und ein Bonus-Malus-System auch für Unternehmen, die zahlen müssen, wenn sie besonders viele Mitarbeiter in Frühpension schicken. "Bis zum Ende der Legislaturperiode ließe sich allein durch unmittelbar umsetzbare Maßnahmen eine halbe Milliarde Euro einsparen“, sagt Marin.

Gesundheit und Verwaltung

Sparpotenzial bietet nach IWF-Einschätzungen auch das Gesundheitswesen. Mit über 23 Milliarden schlägt dieser Bereich in den Staatsausgaben des Vorjahres zu Buche. Thomas Czypionka, Gesundheitsexperte am Institut für Höhere Studien (IHS) warnte deshalb bei den diesjährigen Gesundheitsgesprächen beim Forum Alpbach: "Wenn es uns nicht gelingt, in den nächsten zehn Jahren markante Entscheidungen auf die Beine zu stellen, können wir den Problemen des Gesundheitswesens nicht mehr voll gerecht werden.“ Dem System laufe die Zeit davon, vor allem wegen der demografischen Entwicklung. Selbst nach optimistischen Prognosen, meint Czypionka, werden die Gesundheitsausgaben in 20 Jahren um ein Viertel höher sein als jetzt, während deren Finanzierungsbasis nachlässt.

Auch der Rechnungshof beanstandete in seinem letzten Bericht im Frühling dramatische Anstiege bei Spitalskosten und Krankenkassen-Ausgaben.

Eine weitere Baustelle ist die öffentliche Verwaltung. Mehr als 19 Milliarden Euro kostete sie im Vorjahr. Zuletzt 2009 hat der Rechnungshof 315 konkrete Vorschläge für eine umfassende Verwaltungsreform vorgelegt. Die Senkung der Verwaltungskosten wird darin genauso behandelt wie das Gesundheitswesen, das Schulwesen und die Wissenschaft. Auch für ein effi- zientes Förderungswesen, Pensionen und Personalpolitik gibt es Empfehlungen. Aber obwohl seit zwei Jahrzehnten darüber geredet wird und umfangreiche Reformvorschläge aufs Tapet gebracht wurden, ist der große Wurf einer Verwaltungsreform bisher noch keiner Regierung gelungen. Für seine Aussage: "Alle reden von Verwaltungsreform, wir leben sie“, wurde Maria Fekters Vorgänger als Finanzminister, Josef Pröll, bei der letztjährigen Budgetrede mit lauten Lachern aus dem Auditorium abgestraft (siehe links).

Rechnungshofpräsident Josef Moser drängt weiterhin auf große Strukturreformen: "Die Folgen, wenn nicht gehandelt wird, sind bekannt, ebenso die Lösungsvorschläge. Nun liegt es bei der Politik, die nötigen Entscheidungen zu treffen.“

Letzte Chance für Reformen?

Maria Fekters Budget für 2012, das nach der Präsentation am Mittwoch im Budgetausschuss beraten und Mitte November im Nationalrat präsentiert werden soll, könnte für diese Regierung die letzte Möglichkeit sein, schmerzhafte Reformen zu beginnen. Denn das Budget für das Jahr 2013, dessen Präsentation in einem Jahr ansteht, wird mit großer Wahrscheinlichkeit bereits ganz vom nächsten Nationalratswahlkampf überschattet sein.

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