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Ein budgetärer (Schl)Eiertaniz

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399,4 Milliarden Schilling Ausgaben bei 325,6 Milliarden Einnahmen, 73,8 Milliarden Schilling Defizit bei 47,9 Milliarden neuen Schulden: das sind die trockenen Zahlen des Budgetvoranschlages 1983. Und eigentlich glaubt niemand, daß sie halten.

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399,4 Milliarden Schilling Ausgaben bei 325,6 Milliarden Einnahmen, 73,8 Milliarden Schilling Defizit bei 47,9 Milliarden neuen Schulden: das sind die trockenen Zahlen des Budgetvoranschlages 1983. Und eigentlich glaubt niemand, daß sie halten.

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Seit 1975 verspricht die Bundesregierung Jahr für Jahr Sparbudgets und die Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen. Tatsächlich aber werden seither die Budgetdefizits — und mit ihnen die Staatsschulden — immer größer.

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre betrug die Neuverschuldung des Bundes im Jahresdurchschnitt rund 30 Milliarden Schilling. 1982 (wenn alles gut geht) wird die Neuverschuldung auf rund 47 Milliarden Schilling ansteigen, und für das kommende Jahr verspricht Herbert Salcher mit einer Neuverschuldung von rund 48 Milliarden Schilling und einem Bruttobudgetdefizit von rund 73,8 Milliarden Schilling durchzukommen.

Das wird sich nicht ausgehen. Das weiß der Finanzminister, das weiß die Bundesregierung, das weiß das Parlament, dem der Bundesvoranschlag zur Beratung vorgelegt wurde, das wissen alle, die sich auch nur am Rande mit den Staatsfinanzen beschäftigen, und das werden bald nach den Nationalratswahlen in April 1983 alle Steuerzahler in Österreich wissen.

Denn spätestens dann werden sie die bittere Erfahrung machen, daß entgegen allen Versprechungen der Regierungspartei und des Finanzministers eine neue Steuerwelle über sie hereinbricht: die Sparbuchsteuer (für die im Finanzministerium bereits alle legi-stischen und technischen Vorbereitungen getroffen wurden), höhere Steuersätze auf das Urlaubsund Weihnachtsgeld, die Anhe-bung des Arbeitslosenbeitrages, ein höherer Vermögenssteuersatz, und dann — wie nun schon bald jedes Jahr — eine empfindliche Erhöhung der Tabaksteuer.

Im Grunde genommen sind diese in der Öffentlichkeit lebhaft bestrittenen Steuererhöhungen vielleicht sogar schon in die Gesamteinnahmen des nächsten Jahres eingeplant. Denn anders läßt sich nicht erklären, daß 1983 die Einnahmen aus der Einkommensteuer um zwölf Prozent und die aus der Lohnsteuer trotz einer geringfügigen Milderung der Steuerprogression bei mäßigen Lohnabschlüssen um 7,4 Prozent steigen sollen.

Eine solche Einnahmensteigerung könnte allenfalls ein kräftiger Wachstumsschwung auslösen, doch darauf deutet weit und breit nichts hin.

Bei einem anderen Einnahmenposten, bei der Umsatzsteuer, gibt sich Finanzminister Salcher viel realistischer. Bei dieser Position rechnet er mit einer Einnahmensteigerung von nur vier Prozent; dieser Zuwachs liegt unter der für das Jahr 1983 prognostizierten Inflationsrate und geht ganz offensichtlich von sinkenden Konsumausgaben der privaten Haushalte aus. Diese Einschätzung geht von der Annahme eines Nullwachstums, sinkender Einkornmen und einer empfindlich höheren Arbeitslosenrate aus.

Mit dieser gleichfalls im Bundesvoranschlag eingebauten negativen Erwartung widerspricht der Finanzminister seiner eigenen optimistischen Philosophie von der Wirksamkeit staatlicher Beschäftigungsprogramme auf den Arbeitsmarkt. Insofern ist dieser Bundesvoranschlag nicht allein falsch, sondern überdies noch in sich unlogisch.

Herbert Salcher behauptet, daß sein sogenanntes zweites Beschäftigungsprogramm die Arbeitslosenrate auf 3,3 Prozent oder rund 100.000 arbeitslose Menschen im Durchschnitt des Jahres 1983 drücken werde. Mit einer ähnlichen Ankündigung ist er bereits einmal völlig falsch gelegen, als er nämlich hoffte, daß das erste Beschäftigungsprogramm vom Jänner 1982 die Arbeitslosenrate kräftig senken werde.

Nichts von alldem geschah: die Arbeitslosenrate bewegt sich deutlich über dem Vorjahresniveau, und in den ersten beiden Monaten 1983 ist mit einer offiziell eingestandenen Arbeitslosenrate von über sechs Prozent zu rechnen — beziehungsweise mit einer Rekordarbeitslosenzahl von rund 200.000 Menschen.

Der größte Teil der Winterarbeitslosigkeit wird die Sockelarbeitslosigkeit des Jahres 1983 bilden, und diese wird leider nie unter die 4-Prozent-Marke rutschen. In durchaus optimistischen Prognosen rechnen sowohl das Wirtschaftsforschungsinstitut als auch das Institut für Höhere Studien mit einer Arbeitslosenrate von 4,2 Prozent. Finanzminister Salcher will diesen Prognosewert nicht akzeptieren, weil dann sein mit Hoffnungen kunstvoll aufgebautes Budgetgerüst für das Jahr 1983 wie ein Kartenhaus zusammenfallen müßte.

Doch mit Optimismus, mit falschen Hypothesen und mit falschen Zahlen kann kein seriöses Budget erstellt werden. Der Bundesvoranschlag 1983 bewegt sich abseits jeder ökonomischen Wirklichkeit und reflektiert insofern die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, die sich mit potem-kinschen Methoden eine heile Welt von Wolkenkuckucksheimen aufbaut und dabei Gefahr läuft, an diese Scheinwelt selbst zu glauben.

Österreich befindet sich heute in der schwierigsten wirtschaftlichen Situation seit bald dreißig Jahren. Die Defizite, die Schulden und die Zahl der arbeitslosen Menschen wachsen progressiv, der Steuerdruck treibt immer mehr Menschen in die Schattenwirtschaft, mit der Bonität Österreichs sieht es anders aus, als Jubelberichte Glauben machen wollen, zudem wird das Netz der sozialen Sicherheit immer löchriger.

Der Bundesvoranschlag für das Jahr 1983 wird die wirtschaftlichen Probleme weiter verschärfen. Er weist ein Budgetdefizit von 74 Milliarden Schilling aus, und der Finanzminister wird von Glück reden können, wenn er nicht im Oktober 1983 dem Parlament von einem Defizit von knapp unter 100 Milliarden Schilling wird berichten müssen. Salcher ist mittlerweile wenigstens so vorsichtig geworden, daß er darauf keine Wetten mehr annimmt.

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