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Weiterhin auf Pump

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Die wenigsten werden sich noch an eine TV-Sendung kurz vor der Nationalratswahl 1971 erinnern, in der Karl Schleinzer im Kreise von Gewerbetreibenden vor scheinbar problemloser Hochkonjunktur und hemmungsloser Ausgabenpolitik warnte. Die Umstehenden waren höflich, widersprachen nicht direkt, aber die Skepsis war ihnen von den Gesichtern abzulesen: Wahlpropaganda der Opposition, di&die Leišttihfeėn debf Regierung nicht žugeben will, mochtensite sichdenken.

Oft wurde Schleinzer auch in den eigenen Reihen der Vorwurf gemacht, er sei zu kritisch und zu pessimistisch, er sollte lieber mit noch brillanteren Zukunftsvisionen aufwarten als die SPÖ. Unangenehmes wolle man nicht hören.

Wer nicht hören will, muß fühlen.- Wenn heute die Budgetdefizite astronomische Proportionen erreichen und kein Mensch mehr weiß, wie die unaufhaltsam wachsenden Staatsausgaben finanziert werden sollen, so stellt dies kein Elementarereignis dar: Wir haben es mit den direkten Konsequenzen eines faulen Uberkonjunkturzaubers zu tun, eines Zaubers im Varietė der Politik, der uns in der ersten Hälfte der 70er Jahre vorgegaukelt wurde.

Wie viele Experten haben damals gewarnt, daß die ungehemmte Ausgabenpolitik zu einem Debakel führen müsse, daß der Fiskus in eine nicht mehr zu bewältigende Monsterverschuldung getrieben würde - aber niemand wollte es wahrhaben. Ja sogar heute, da dem Staat die Schulden bereits über den Kopf wachsen, glauben noch immer viele Menschen, ihre private Prosperität könne unabhängig vom öffentlichen Finanzdebakel fortexistieren.

Leider ist die Regierungspropaganda darauf ausgerichtet, diese Illusionen zu nähren, und die Wirtschaftspolitik ist „redlich” bemüht, durch weitere Verschuldung eine momentane Wohlstandsfiktion zu schaffen, die aber längst nicht mehr der realen Situation entspricht. Aber bereits findet der Geschenkregen in Form kostspieliger und immer fragwürdigerer Sozialmaßnahmen zu Beginn der 70er Jahre seinen auch für wirtschaftliche Laien spürbaren Niederschlag: In der Inflation, im Steuern- und Abgabendruck. Ebenso wird es uns nicht erspart bleiben, die gegenwärtige Schuldenmacherei durch verschlechterten Lebensstandard und rapide steigende Arbeitslosigkeit auszugleichen.

Sicherlich kann die Wirtschaftspolitik die „Stunde der Wahrheit” hinausschieben. Das Fatale ist nur, daß, je länger die notwendigen Sanierungsmaßnahmen hinausgeschoben werden, die unvermeidlichen Konsequenzen immer härter werden. Was heute ohne drastische Erhöhung der Arbeitslosigkeit noch möglich wäre, könnte in ein paar Jahren ganz anders aussehen.

Während der Finanzminister mit wachsenden Defiziten zu kämpfen hat, wird die Forderung nach Milderung der inflationsbedingt unerträglich gewordenen Steuerprogression immer massiver an ihn herangetragen: Hannes Androsch soll wenigstens auf einen Teil der Einnahmen aus den „unsichtbaren Steuererhöhungen” verzichten, lautet die Parole.

Wie aber soll er das, bei einem prognostizierten Budgetdefizit von „nur” 40 Milliarden, das nach Ansicht der Experten in der Realität freilich mindestens 50 Milliarden ausmachen wird? Wie soll er das bei einem Schuldendienst, der infolge der Monsterdefizite der letzten Jahre heuer bereits auf 31 Milliarden anwachsen wird?

Just in dieser Situation hatte Kreisky ęlie Königsidee, die beinahe an das’ Niveaüldes ÄUStrö-Porsch&’heran- reicht: Die. an visierte Steuerkorrektur soll zwar durchgeführt werden, sie soll dem Steuerzahler aber nicht in Barbeträgen zugutekommen, sondern in Form einer Gutschrift, auszahlbar nach Sanierung des Budgets. Vivat die Verwaltungsvereinfachung!

Wann diese Gutschrift eingelöst werden kann, möge sich jeder Österreicher unter Heranziehung der „Budgetvorschau 1978-1982” des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen selbst ausrechnen: Danach wird das Budgetdefizit bis 1982 auf 74 Milliarden klettern, die Staatsschuld eine Höhe von 353 Milliarden erreichen. Der Finanzschuldaufwand wird dann 54 Milliarden betragen.

Aber, so wird von den Befürwortern von Kreiskys Steuergutschrift eingeworfen, der Vorschlag stelle nichts anderes als jene Maßnahme dar, die in Deutschland bereits mit bestem Erfolg praktiziert worden sei.

Wie bitte? Ach so, der „Konjunkturzuschlag” ist gertieint, der in der Bundesrepublik in der Zeit von August 1970 bis Juli 1971 erhoben und 1972 unverzinst zurückgezahlt worden ist.

Es geht eben nichts über die sachgerechte Handhabung des konjunktur- politischen Instrumentariums: In Deutschland sollte zwecks Budgetsanierung überschüssige Kaufkraft abgeschöpft und bei Konjunkturabschwächung wieder in den Konsum gepumpt werden.

In Österreich aber soll die gleiche Methode nicht zur Konjunktursteuerung, sondern zur vorübergehenden Entlastung des schwer invaliden Staatshaushalts angewendet werden - mit der uneingestandenen Absicht, die längst fällige Sanierung des Staatshaushalts wieder ein Stück hinauszuschieben. Die Einlösung der Steuergutscheine wird von der Erreichung eines ausgeglichenen Budgets abhängig gemacht, eines Zustands also, vor dessen Herbeiführung sich die Regierung gerade mit Hilfe der Steuergutschriften drücken möchte.

Wieder einmal wird Zahnpasta für Schlagobers verkauft. Aber was soil’s: Beides ist weiß und schäumt!

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