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Wettlauf zwischen Hase und Igel

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Zu prophezeien ist diesmal nicht schwer: Die nächste Belastungswelle kommt bestimmt. Denn mit den 17 Milliarden Schilling, welche sich die Regierung im kommenden Jahr von ihrem gigantischen „Maßnahmenpaket” erhofft, ist das Budget noch lange nicht saniert. Bereits in diesem Jahr ist mit einem Defizit von 50 Milliarden zu rechnen. Im nächsten Jahr werden die Ausgaben - was immer in Androsch’ Traumbüchlein, genannt Budgetentwurf, stehen mag - unter Garantie weiter steigen. Wir sind leider bereits so weit, daß niemand mehr das Haushaltspräliminare des Finanzministers ernst nimmt, da dieses - höflich ausgedrückt - selbst die entfernteste Ähnlichkeit mit der Realität vermissen läßt.

Auch ein um 17 Milliarden reduziertes Defizit wäre noch immer unerträglich groß. Aber der Ertrag des Maßnahmenpakets wird de facto wahrscheinlich nur den weiteren Zuwachs des Defizits verhindern, dieses kaum nennenswert verringern. Und das genügt nicht. Es werden wieder neue Steuern erfunden werden müssen, welche aber genau so wenig imstande sein werden, das Passivum auf ein erträgliches Maß zurückzuschrauben.

Das Ganze erinnert an den Wettlauf zwischen Hase und Igel: Wie sehr sich der Hase (Budgeteinnahmen) auch echauffiert, der Igel (Budgetausgaben) ist bereits lange vor ihm im nächsten Etappenziel.

Eine Sanierung des Budgets ist unmöglich, solange man nicht endlich die Sache von der Ausgabenseite her angeht. Denn die Ausgaben laufen auch noch so drastischen Einnahmensteigerungen davon, selbst wenn keine neuen Forderungen gestellt würden.

Wenn es der Regierung mit der Sanierung der Staatsfinanzen, der Zah- lungsbüanz und der Währungspolitik ernst wäre, dann müßte sie endlich damit beginnen, nicht nur einen Belastungsstopp für das Budget einzuführen, sondern auch drastische Einsparungen vorzunehmen - drastische Einsparungen, nicht nur gelegentlich kosmetische Retuschen.

Wenn ÖVP-Obmann Josef Taus vor kurzem die Reduktion des jährlichen Budgetdefizits im Verlauf einiger Jahre um 30 Milliarden forderte, so ist dies im Prinzip vollkommen richtig. Statt sich aber mit dieser Aufforderung auseinanderzusetzen, bezeich- nete sie Androsch in seiner gewohnt arroganten Manier kurzerhand als unrealistisch und wischte sie vom Tisch.

Wenn sie aber tatsächlich unrealistisch ist, dann werden sehr bald der österreichische Wohlstand und die Vollbeschäftigung unrealistisch sein, denn ohne Sanierung der Staatsfinanzen wird auch bei der Vollbeschäftigungspolitik sehr bald die Luft ausgehen. Daß es jedoch im österreichischen Budget keine Einsparungsmöglichkeiten gibt, kann keiner behaupten, der die Angelegenheit einigermaßen seriös betrachtet.

Zunächst müßte die Regierung aufhören, ihre sämtlichen wirtschaftspolitischen Fehlspekulationen als „Vollbeschäftigungspolitik” zu verkaufen, auch wenn sie im Detail nicht das geringste damit zu tun haben. Daß 1975 nur ein Bruchteil der gigantischen Mehrausgaben zur Sicherung der Arbeitsplätze ausgegeben wurden, die Hauptmasse hingegen zur Abdeckung laufender Ausgaben und fälliger Schulden verwendet wurde, haben inzwischen auch gewiß nicht regierungsfeindliche Institutionen nachgewiesen.

Überhaupt kann mit budgetären Maßnahmen nur eine kurzfristige Konjunkturflaute repariert werden. Ein langfristiges Manko an Arbeitsplätzen - und mit einem solchen haben wir in den nächsten zehn Jahren zu rechnen - bedarf hingegen wohlüberlegter Maßnahmen zur Strukturverbesserung

Auch müßte endlich auf Prestige- projekte - von der leider kaum noch zu stoppenden Donauinsel bis zum Austro-Porsche - verzichtet werden, desgleichen auf finanzielle Abenteuer, welche dann - wie im Fall Wiens - zu Pleiten ä la Bauring und Stadthalle führen. Die Subventionen an die verschiedensten Institutionen, die bereits über zehn Milliarden verschlingen, könnten kräftig - und politisch ausgewogen, reduziert werden. Eine echte - und durchaus mögliche - Verwaltungsreform könnte gleichfalls Milliarden ersparen. Des weiteren epthält auch der soziale Sektor zahlreiche Prestige- und ideologische Justamentausgaben ohne nennenswerte soziale Substanz. Darüber hinaus werden noch immer Sozialmaßnahmen aus der Depression der dreißiger Jahre und der Misere der Nachkriegszeit mitgeschleppt.

Das wären wirksame Aktionen zur Verringerung des Budgetdefizits. Mit Maßnahmenpaketen allein schafft man es nicht.

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