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Spendier-, Kassier-Regierung

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„Die ÖVP hätte auch nichts anderes machen können,“ reagierte dieser Tage ein „kritischer Wähler“ auf die Steuerpläne, welche bei der SP-Klausur im Sachsengang bekanntgegeben wurden. Der Mann hat recht — dennoch ist das Argument falsch.

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„Die ÖVP hätte auch nichts anderes machen können,“ reagierte dieser Tage ein „kritischer Wähler“ auf die Steuerpläne, welche bei der SP-Klausur im Sachsengang bekanntgegeben wurden. Der Mann hat recht — dennoch ist das Argument falsch.

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Er hat damit recht, daß in der aktuellen Situation keine Regierung um Steuererhöhungen herumkäme. Es ist aber falsch, nur die gegenwärtige Situation zu betrachten und nicht zu fragen, wie sie entstanden ist. Denn niemand kann der Regierung Kreisky den Vorwurf ersparen, durch ihre von allen Kostenüberlegungen unbelastete Ausgabenpolitik zur Unzeit die gegenwärtige Misere verschuldet zu haben. Desgleichen trifft sie der Vorwurf, noch immer nicht aus ihren Fehlern gelernt zu haben und die aktuelle Finanzkrise ausschließlich durch mehr Steuern, nicht aber durch Einsparungen lösen zu wollen.

Einer solchen Politik wird dadurch yorschub geleistet, daß für den politischen „Normalverbraucher“ der Kausalkonnex zwischen den „Geschenken“ der Regierung und den dadurch verursachten Steuererhöhungen wegen der Zeitdifferenz nicht offenkundig wird. Er neigt dazu, sich andere, zeitlich näherliegende Pseudo-Ursachen einreden zu lassen und daher den falschen Konsequenzen zuzustimmen.

Hätte daher im Oktober des abgelaufenen Jahres ein Regierungswechsel stattgefunden, wir könnten sicher sein, daß das nunmehrige Kassier-Kabinett sehr effektvoll den vorhergegangenen Spendier-Kabi-netten, die noch dazu sogenannte Steuersenkungen durchführten, gegenübergestellt würde. Infolge der Wählerentscheidung kam es zu keinem Kontinuitätsbruch, was eigentlich das Wahrnehmen des Kausalkonnexes auch für den wirtschaftspolitischen Laien erleichtern sollte. Dies wäre allein schon deshalb wünschenswert, weil eine vermehrte Einsicht der Wählerschaft in den unlöslichen Zusammenhang zwischen staatlichen Ausgaben und staatlichem Finanzbedarf, es jeder Regierung, auch bereits der gegenwärtigen, erleichtern könnte, sich endlich von der falschen, bisher betriebenen Wirtschaftspolitik' des „Verkaufts mei G'wand“ loszumachen, daß diese Politik auf längere Sicht auf eine Demontage des in zwei Dekaden mühsam aufgebauten österreichischen Wohlstands hinauslaufen müßte.

Die Regierung scheint aber bedauerlicherweise noch immer nicht zur Revision ihres bisherigen Kurses bereit zu sein und ist daher bestrebt, den Fehlschlag ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik in einen Erfolg umzufunktionieren. Sie taktiert dabei außerordentlich geschickt, indem sie die Steuererhöhungen als weitschauende Maßnahme zur Sicherung der Arbeitsplätze, zur Verbesserung des Autobahnbaues und der Wasserqualität zu verkaufen sucht.

Die Realität sieht allerdings etwas anders aus: Wie errechnet wurde,dürften die geplanten Steuererhöhungen nur insgesamt 11 Milliarden Schilling im Jahr erbringen, während das Budgetdefizit allein beim Bund in diesem Jahr voraussichtlich schon 50 Milliarden Schilling erreichen wird. Die Steuererhöhungen stopfen nur ein paar der bereits vorhandenen Löcher und sind kaum geeignet, der Wirtschaft nachhaltige Impulse zu erteilen. Nicht ohne Grund möchte die Regierung die sogar vom ARBO geforderte Zweckbindung der neuen Belastungen des Straßenverkehrs tunlichst vermeiden.

Angesichts des noch immer verbleibenden Monsterdefizites ist keine Prophetengabe notwendig, um vorauszusagen, daß es auch bei diesen Steuererhöhungen nicht bleiben wird. Vor den Wahlen wurde von Regierungssprechern zwar die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer zugegeben, zugleich aber beteuert, es bestünden keine weiterreichenden Steuerpläne, obwohl auf Grund der Finanzsituation evident war, daß es mit der Mehrwertsteuer nicht sein Bewenden haben werde. Diesbezügliche Befürchtungen sind nun auch pünktlich eingetroffen. Wir dürfen uns noch auf einiges weitere gefaßt machen.

Dennoch besteht keine Hoffnung, daß die Staatsverschuldung zurückgehen wird, weil sämtliche Mehreinnahmen bestimmt nicht ausreichen werden, die kontinuierlich wachsenden Ausgaben zu kompensieren. Dabei ist es für Österreich, das international zu den Staaten mit den höchsten Steuern zählt, außerordentlich problematisch, den Weg zu weiteren Erhöhungen zu beschreiten. Die österreichischen Staatsfinanzen können heute nicht mehr durch neue Steuererhöhungen, sondern nur durch Ausgabenreduktionen saniert werden. Je länger die Verantwortlichen diese unerläßliche Konsequenz hinauszögern, desto einschneidender werden die eines Tages doch nicht mehr vermeidbaren Maßnahmen sein müssen.

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