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Digital In Arbeit

Perfekte Publicity, defekte Economy

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Wie immer klappte die Regie perfekt: Der Bundeskanzler lud zu einer Wirtschaftskonferenz ein und alle, alle kamen, um eine effektvolle Staffage für die neue Regierungsshow abzugeben. Experten und Opposition machten bereitwillig beim großen Palaver mit, hatten viel zu kritisieren und zu plädieren, aber wenig an Konkretem zu offerieren.

Nachdem so dem P. T. Publikum ad oculos demonstriert worden war, daß die Kritiker der Regierung selbst keine Konzepte haben und untereinander uneinig sind, zog der große Illusionist vom Ballhausplatz samt seinem Assistenten von der Himmelpfortgasse vor dem erstaunten und erleichterten Publikum seine Trümpfe aus dem Ärmel — ein komplettes Konjunkturankurbelungsprogramm mit teilweise so „kapitalistischen“ Remeduren, daß die Forderungen der Bundeswirtschaftskammer noch überboten wurden.

Die Wirkung dieses Schock-Effekts wurde dann noch dem TV-Publikum genüßlich präsentiert, indem man zu einer ad hoc einberufenen Diskussionssendung eines sichtlich vorbereiteten Finanzministers Androsch einen völlig überraschten und daher auch noch — was selbstverständlich vor den Fernsehern breitgewalzt wurde — zu spät kommenden Oppositionsführer Taus zitierte. Taus — von seiner ganzen Mentalität her ein Konsenspolitiker — reagierte „prinzipiell“ positiv, wenn auch mit Einwänden im Detail — was ihm prompt den Vorwurf eintrug, er habe seine Meinung seit den Wahlen gründlich revidiert, also damals mit seiner Kritik an der — ach so richtigen — lle-gierungspolitik nur kleinkarierte Demagogie betrieben.

Wendet man sich von der Präsentation zur Substanz, dann ist die Situation bei weitem weniger triumphal. Bei einer genaueren Analyse der Konjunkturbelebungsmaßnahmen im Wert von angeblich elf Milliarden Schilling — was freilich als ideeller Wert angesehen werden muß — verliert so manches seinen Glanz.

Dies beginnt damit, daß wieder einmal der Investitionsstoß doppelt verkauft wird: Die „zusätzlichen“ drei Milliarden sind nichts anderes als eine Teilfreigabe der sogenannten „Stabilisierungsquote“ von zirka sieben Milliarden Schilling. Nun hat die Stabilisierungsquote nur den Zweck, im Budgetpräliminare das im folgenden Jahr zu erwartende Haushaltsdefizit zunächst einmal möglichst klein erscheinen zu lassen und das Publikum erst allmählich an die immer größeren Passivum-Rekorde zu gewöhnen.

Daß die Stabilisierungsquote schließlich doch freigegeben wird, daran besteht auf Grund der bisherigen Erfahrung kein Zweifel: Sogar in Hochkonjunkturjahren mit starker Inflation, in denen aller Anlaß für eine restriktive Budgetpolitik vorhanden gewesen wäre, ist dies geschehen. Um wieviel mehr können wir im laufenden Jahr damit rechnen. Es besteht daher kein Zweifel daran, daß die einzelnen Ressorts und die mit ihnen zusammenarbeitenden Unternehmen — wie auch schon früher — die Stabilisierungsquote längst eskomptiert haben, so daß die zusätzlichen Impulse durch die „Freigabe“ bestenfalls psychologisch sind.

Die weiteren Maßnahmen sind das Aussetzen der Investitionssteuer und die Möglichkeit einer vorzeitigen Abschreibung der Bauinvestitionen in der Höhe von 50 Prozent im laufenden Jahr. Hier allerdings besteht die Gefahr — wie im übrigen auch Taus im Fernsehen hervorgehoben hat —, daß es zu einer Konzentration von Investitionen in diesem Jahr kommt, was zu Ausfällen in den folgenden Jahren führen könnte.

Freilich ist die Gefahr nicht ganz so groß, weil — wie ausländische Beispiele zeigen — Steuer-„Zuckerln“ allein noch keinen Investitionsboom kreieren, solange das Vertrauen der Unternehmer in die Konjunktur nicht wieder hergestellt ist.

Die Crux bei der ganzen Angelegenheit besteht aber darin, daß immer davon ausgegangen wird, spätestens im kommenden Jahr werde es wieder einen selbsttragenden Budgetaufschwung geben, und der Staat werde die Unkosten, in die er sich gegenwärtig stürzt, wieder hereinbekommen können — dies ohne neuerliche drastische Steuererhöhungen. Bleibt aber eine internationale Konjunktur, an der wir partizipieren können, aus, oder hat sie nicht den erforderlichen „Drive“ — was dann?

Infolge der konjunkturpolitisch falschen exzessiven Ausgabenpolitik in den Hochkonjunkturjahren finden wir bereits beim Start der kostspieligen Ankurbelungspolitik ansehnliche Inflationsraten und ein Monsterbudgetdefizit — also alles das, was schlimmstenfalls beim Ankurbeln selbst passieren dürfte. Wie lange wir da, wenn der Konjunkturmotor nicht bald anspringt, noch weiter ankurbeln können, sei dahingestellt.

Abgesehen von den Defizit- und Steuerrekorden von gegenwärtig noch unvorstellbaren Ausmaßen, welche uns eine derartige Politik einbringen muß, würde eine derartige Politik — wie Androsch selbst im Fernsehen zu bedenken gab — zu einer Deformation der Wirtschaftsstruktur führen: Die export- und konsuminduzierten Branchen würden degenerieren, die budgetinduzierten hingegen aufgebläht werden.

Vielleicht haben wir Glück, und es kommt der internationale Boom zeitgerecht. Er sollte aber dann wenigstens dazu genützt werden, die anstehenden Probleme zu lösen, und nicht bloß dazu, sie nach bisheriger Methode zu verdecken und weiter vor uns herzuschieben.

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