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„Der harte Schilling hat auch seinen Preis”

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Seit Montag laufen im Finanzministerium die Budgetverhandlungen für das Jahr 1994. Die Richtlinien verlangen ein Nettodefizit von 67 Milliarden, die Minister fordern 109 Milliarden. Wird das Herunterverhandeln in den nächsten Wochen „business as usual” oder steht Ferdinand Lacina vor qualitativ anderen Problemen?

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Seit Montag laufen im Finanzministerium die Budgetverhandlungen für das Jahr 1994. Die Richtlinien verlangen ein Nettodefizit von 67 Milliarden, die Minister fordern 109 Milliarden. Wird das Herunterverhandeln in den nächsten Wochen „business as usual” oder steht Ferdinand Lacina vor qualitativ anderen Problemen?

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FURCHE: Wenn Sie der Finanzminister wären, was würde Ihnen bei der Erstellung des Budgets 1994 die größten Sorgen machen?

GERHARD LEHNER: Die größte Schwierigkeit ist die wirtschaftliche Entwicklung. Soweit man aus den jüngsten Prognosen ersehen kann, wird auch im nächsten Jahr das Wachstum unter dem langjährigen Durchschnitt liegen. Das bedeutet mittelfristig weiter schwächere Einnahmen. Diese Entwicklung bringt im gesamten sozialen Bereich - der ja sozusagen wie ein automatischer Stabilisator wirken soll - große Probleme.

Sorgen machen würden mir auch die Voranschläge der Ressorts. So wie sie jetzt daliegen, ergeben sie eine Neuverschuldung von 109 Milliarden Schilling beziehungsweise fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist sicherlich nicht tolera-bel. Einen so großen Sprung könnte man nicht mehr einfach mit der schlechten Konjunktur und der Steuerreform erklären.

Der wirklich entscheidende Punkt aber ist - das hat sich in .den letzten 14 Tagen bei den Turbulenzen um den Schilling gezeigt -, wie uns die internationalen Finanzmärkte in Zukunft einschätzen. Wenn man dort den Eindruck bekäme, unsere Budgetentwicklung kommt irgendwie aus dem Gleis, so wäre das sicherlich für die Währungspolitik ein Problem. Man muß also schon im Interesse der Währungspolitik eine straffe Budgetpolitik machen. Währungsund Budgetpolitik hängen über Verschuldung und Zinssatz eng zusamm-men. Diese beiden Fundamentaldaten müssen zusammenpassen. Daher muß der Finanzminister ein Defizit im Auge haben, bei dem die Neuverschuldung nicht höher ist als die in der Bundesrepublik. Selbst die Deutschen, die immer sagen können, sie haben die Last der Wiedervereinigung zu tragen, kommen nicht auf fünf Prozent Neuverschuldung.

FURCHE: Staatssekretär Ditz kündigte an, daß die heurigen Budgetverhandlungen kein „business as usual” sein werden. Sehen Sie das auch so?

LEHNER: Was die überzogenen Wünsche der Ressorts betrifft, so sehe ich darin nichts Außergewöhnliches. Die sind immer höher als angepeilt. So gesehen werden die Verhandlungen wie jedes Jahr laufen. Das Problem heuer allerdings ist, daß man beim Herunterverhandeln viel stärker als früher in die gesetzlichen Verpflichtungen hineingehen wird. Denn es scheint so zu sein, daß die Einsparungen auch die gesetzlichen Verpflichtungen - also den Sozialbereich - betreffen sollen. In der Vergangenheit war es so, daß sich ein großer Teil der gesamten Budgeteinsparungen im Ermessensausgabenbereich abgespielt hat. Die gesetzlichen Verpflichtungen umfassen hingegen den ganzen Sozialbereich wie ASVG, Pensionsversicherungen oder Familienförderung. Hier kann bei den Budgetverhandlungen nicht so ohne weiteres der Sparstift angesetzt werden, denn dazu ist eine gesetzliche Änderung durch das Parlament notwendig. Es nützt daher gar nichts, wenn die Minister Einsparungen zusagen.

Das ist der Unterschied zu früher, und so gesehen hat Ditz recht, wenn er sagt, „kein business as usual”. Was sich geändert hat, ist die Qualität der Verhandlungen.

FURCHE: In welchemBereich sollte sich das Defizitfür 1994 bewegen?

LEHNER: Ich würde sagen, angesichts der schwachen Konjunktur und allem Drum und Dran kann man eine Abweichung, wo das Defizit bei einer Größenordnung von 3,5 und vier Prozent liegt, wahrscheinlich als ein-

FURCHE: Wo liegen die Einsparungspotentiale? In den vergangenen Wochen wurden eine Reihe punktueller Vorschläge - vor allem im Sozialbereich - gemacht.

LEHNER: Es hat wenig Sinn, hier großartige Richtlinien vorzugeben. Das ist eine politische Frage. Die Prioritäten müssen daher die Minister selbst setzen. Wir Experten können höchstens im nachhinein sagen, ob eine Maßnahme gescheit ist oder nicht. Vorher hier etwas zu verlangen, geht nicht.

FURCHE: Auch die Steuerreform muß budgetär verdaut werden. Es wurden zehn Milliarden Schilling Steuerausfall kolportiert. Stimmen diese Berechnungen überhaupt noch ?

LEHNER: Es sind 17 Milliarden. Aber die beruhen auf dem gegenwärtigen Entwurf, der jetzt zur Begutachtung ausgesendet wurde. Man muß erst sehen, was dann endgültig herauskommt.

FURCHE: Im Juni erfolgte in der EG eine entscheidende Weichenstellung. Der Europäische Rat hat die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor Sparsamkeit und Stabilitätspolitik ge-. reiht. Ist das nicht auch eine Einladung zum Schuldenmachen? Sozusagen von Brüssel abgesegnet?

LEHNER: Es dürfte so sein, daß man zumindest vorübergehend höhere Defizite akzeptieren will. In dieser allgemeinen Form ausgesprochen, könnte man diese Aussage natürlich aber auch anders definieren und sagen: Na gut, nicht die Defizite sollen erhöht, sondern innerhalb der Ausgaben sollten strukturelle Umschichtungen vorgenommen werden. Das wäre ein denkbarer, wenn auch sehr schwieriger Weg. Man sieht ja auch, daß die Defizite in allen europäischen Ländern hinaufgehen. Das Entscheidende für uns aber bleibt nach wie vor, daß Österreich bei seinem Budgetkurs im internationalen Geleitzug, besonders gegenüber der Bundesrepublik, nicht negativ ausschert.

FURCHE: 1994 ist Wahljahr. Die Forderung nach Bekämpfung der Arbeitslosigkeit rangiert in Umfragen ganz oben (siehe Grafik). Ein staatliches Beschäftigungsprogramm könnte auch ein erfolgversprechendes Wahlzuckerl sein, dafür nimmt man ein höheres Defizit schon in Kauf...

LEHNER: Mag sein. Aber in den letzten 20 Jahren haben sich die Dinge wesentlich geändert. Früher konnten Politiker noch sagen: Die Arbeitslosigkeit ist ein Problem, also machen wir ein ordentliches Beschäftigungsprogramm. Aber heute kann kein Politiker so einfach sagen, bauen wir ein paar Straßen da und ein Kraftwerk dort. Die klassischen Instrumente der Beschäftigungspolitik funktionieren heute nicht mehr. Wirtschaftsminister Schüssel sagt ja mit Recht, daß Investitionen für 50 Milliarden irgendwo blockiert sind.

FURCHE: So gesehen ist keine Rückkehr zum Austro-Keynesia-nismus möglich ? Eventuell in einer modifizierten Form ?

LEHNER: Nein. Dem steht einfach entgegen, daß die Leute heute einfach andere Prioritäten setzen. Aber wenn man schon solche Umfragen macht, denen zufolge die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit höchste Priorität haben sollte, dann müßte man aber auch dazu fragen: Sind Sie dafür, daß die Arbeitslosigkeit durch Infrastrukturprojekte bekämpft wird? Das müßte man aber auch die Leute fragen, die beispielsweise im Ennstal herumsitzen und den Bau der Trasse blockieren.

FURCHE: Zurück zur Eingangsfrage, andersherum gefragt: Was würde Ihnen als Finanzminister für die Verhandlungen Hoffnung machen?

LEHNER: Natürlich gibt es auch Silberstreifen am Horizont. Es sind sogar zwei. Der eine ist, daß die Zinsen sinken und diese sinkenden Zinsen entlasten das Budget. Aber noch viel entscheidender ist, daß man bei den Währungsturbulenzen Anfang August deutlich gesehen hat, wie wichtig die Budgetkonsolidierung im internationalen Zusammenhang ist.

Man muß in Zukunft klarer sagen, daß eine straffe Budgetpolitik notwendig ist, um die Währungsstabilität halten zu können. Das sind siamesische Zwillinge, die man nicht trennen kann. So unangenehm kürzlich diese Spekulation gegen den Schilling war, so zeigte sie doch, daß Österreich die Budgetstabilität wichtig nehmen muß. Wenn das Budget aus den Fugen gerät, dann wird sich das irgendwann auch auf die Währung und damit auf die Stabilität des Schilling durchschlagen. Ich habe aber aus vielen Gesprächen den Eindruck gewonnen, daß ein stabiler Schilling für die Österreicher wichtig ist und einen hohen Wert hat. Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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