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Legerer Umgang mit Geld?

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Spätestens seit 1972 sind die Bundesbudgets der Kontrolle der Regierung entglitten, resümiert Wolfgang Schmitz im Vorwort der von ihm herausgegebenen „Studien zur Stabilitätspolitik“ zur Frage, ob „die österreichische Budgetpolitik inflationistisch ist“. Auch die Autoren dieser Studie (Ernst Hofbauer, Ger-

Die Entwicklung der Budgetsalden 1966 bi* 1974' hard Lehner, Christian Smekal und Karl Socher) kommen zu diesem Befund. Tatsächlich hat die prozyklische Budgetausgabenpolitik der Jahre nach 1972 große Chancen zur Stabilisierung der österreichischen Wirt-schaftsentwicklung vertan und jedenfalls ab 1973 die inflationistische Preisentwicklung in Österreich sehr stark angeheizt. „Die budgetpolitischen Fehldispositionen in den letzten drei Jahren“, schreibt Ernst Hofbauer, „haben den Spielraum der Budgetpolitik zur Anregung der wirtschaftlichen Aktivität stark eingeengt“. VP-Obmann Dr. Josef Taus, ein Budgetexperte von hohen Graden, fürchtet gar, daß der Budgetspielraum zur Belebung der konjunkturellen Kräfte in Österreich im kommenden Jahr „gleich null“ sein wird. Bundeskanzler Dr. Kreisky konnte dieser Befürchtung auch in der letzten Konfrontation der Kanzler-Kandidaten nicht den Wind aus den Segeln nehmen.

Nachdem das Bruttodefizit in den Jahren bis 1970 rund sieben bis acht Milliarden Schilling betragen hatte, ist es in den Jahren 1973 und 1974 — also noch in der Zeit hochgespannter Konjunktur — auf 12,8 und 18,5 Milliarden angewachsen, das Nettodefizit nach rund ein bis zwei Milliarden Schilling auf 7,1 und

11,6 Milliarden Schilling. Der inlandswirksame Saldo hatte 1972 eine Dehnung auf fünf Milliarden Schilling erfahren und im Jahr 1974 minus 5,7 Milliarden Schilling betragen; selbst in Prozenten des Bruttosozialprodukts war er auf 0.9 Prozent (1974) gestiegen.

Wieweit das Bundesbudget seit 1972 der Kontrolle der Regierung entglitten ist, zeigen die für das Jahr 1975 bekanntgewordenen Zahlen besonders deutlich: Das Bruttodefizit wird auf 35 Milliarden Schilling geschätzt, für 1976 rechnet man gar mit einem Budgetdefizit von weit mehr als 40 Milliarden Schilling.

Jedenfalls bis Ende 1974 war die österreichische Schuldenpolitik keine Inflationsursache (Karl Socher). Ganz anders sind dagegen die monetären Auswirkungen der Finanzschuldenpolitik des Bundes im Jahr 1975 zu beurteilen. Ende September 1975 dürfte die Schuldenlast des Bundes rund 150 Milliarden Schilling, also fast ein Viertel des Bruttosozialprodukts ausmachen. Wolfgang Schmitz, in besseren Zeiten der österreichischen Wirtschaft Finanzminister und Notenbankpräsident, fürchtet heute, daß die Finanzverpflichtungen des Bundes das Bundesbudget noch überrollen werden: „Schon viel könnte zur längerfristigen Budgetsanierung gewonnen werden, wenn zur Sicherung des bisher Erreichten für eine Zeitspanne (möglicherweise eine Legislaturperiode) auf zusätzliche gesetzliche Verpflichtungen des Bundes verzichtet werden könnte.“ Betrug das Wachstum der gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes zwischen 1966 und 1970 noch rund sechs Milliarden Schilling, so lag es 1972 schon bei 10,2 und 1974 gar bei 18,9 Milliarden Schilling. Allerdings, so Gerhard Lehner, Budgetreferent des Wirtschaftsforschungsinstituts, stiegen die Pro-Kopf-Gehälter der aktiven Bundesbediensteten in den letzten Jahren nicht rascher als im privaten Sektor. Beträchtlich gestiegen sind dagegen die Finanzierungsausgaben für die Sondergesellschaften des Bundes (UNO-City, Allgemeines Krankenhaus usw.). „Die bisherigen Ausgaben des Bundes für diese Projekte spiegeln nur einen Bruchteil der tatsächlichen Naclifrage wider... Es ist nicht auszuschlie-

ßen, daß die jetzt übernommenen Verpflichtungen in Zukunft zu steigenden Ausgaben führen. Dadurch wird aber die konjunkturelle Flexibilität des Bundeshaushalts in den kommenden Jahren verringert, da Finanzierungsausgaben für Projekte zu leisten sein werden, die bereits fertiggestellt sind, so daß diese Ausgaben keinen Beschäftigungseffekt mehr haben“. Gerhard Lehner meint schließlich, „daß der konjunkturelle Handlungsspielraum des 3undes dadurch in den kommende Jahren stark eingeschränkt werden könnte und auch zur Folge hätte, daß Änderungen in der Einnahmen-Entwicklung in stärkerem Ausmaß zu budgetpolitischen Problemen führen“.

Diese kritische Beurteilung der österreichischen Budgetpolitik in den letzten drei Jahren zeigt auch, wie sehr ÖVP-Klubobmann und Wirtschaftssprecher Prof. Koren mit seinen. Kassandra-Rufen recht gehabt hat. Und ein zweites zeigt das wissenschaftliche Urteil über die Budgetpolitik von Finanzminister Doktor Hannes Androsch: So leger wurde in Österreich mit Steuermilliarden noch nie umgegangen; solang aus dem Vollen der Hochkonjunktur geschöpft wurde, lief's noch halbwegs, seit 1974 aber schnurstracks bergab. „Die Notwendigkeit für eine budgetäre Sicherung de3 bisher Errichteten“, schreibt der ehemalige Finanzminister Schmitz, „spricht auch für eine Regierung auf mög-lichts breiter Basis, deren budgetäres Programm von einer Vereinbarung der parlamentarischen Klubs unterstützt werden müßte.“

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