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Gewagtes Bekenntnis

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Im Budget 1984 hat die Stabilisierung des Budgetdefizits auf hohem Niveau Vorrang. Arbeitsplätze, Wachstum und soziales Augenmaß wurden diesem Ziel untergeordnet.

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Im Budget 1984 hat die Stabilisierung des Budgetdefizits auf hohem Niveau Vorrang. Arbeitsplätze, Wachstum und soziales Augenmaß wurden diesem Ziel untergeordnet.

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Finanzminister Herbert Saldier hat aus dem Desaster der letzten Jahre gelernt. Der am 19. Oktober dem Nationalrat vorgestellte Bundesvoranschlag 1984 unterscheidet sich in einem Punkt wohltuend von den Haushaltsplänen 1982 und 1983: Er hat dem Budgetentwurf nicht nur die pessimistischere Prognosenvariante der Wirtschaftsforscher zugrunde gelegt, er hat kurzfristig auch noch auf die sich — nicht zuletzt durch das Maßnahmenpaket der Koalitionsregierung — verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rücksicht genommen.

Ohne rosarote Brille kommt Salcher auf folgende Rechnung: Im Bundesvoranschlag 1984 sind Ausgaben von insgesamt 436,5 Milliarden Schilling und Einnahmen von 341,9 Milliarden Schilling vorgesehen. Das Budgetdefizit beträgt daher 94,6 Milliarden Schilling, darunter 32,5 Milliarden Schilling für Schuldentilgungen. Das Nettodefizit, also die Neuverschuldung, wird damit um 62,1 Milliarden Schilling zunehmen.

Und der Schuldenberg wächst: im kommenden Jahr auf insgesamt 476,2 Milliarden Schilling. Somit steht Österreich schon mit beträchtlich mehr als einem Jahresbudget in der Kreide.

Mit unangenehmen Folgen: Mit 33,46 Milliarden Schilling überwiegen die Zinszahlungen deutlich die Tilgung, Verzinsung und Tilgung zusammen machen schon mehr als das Nettodefizit aus. Der Schuldendienst ist längst ein Schwerpunkt im Budget, für den mehr aufgewendet werden muß als für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemeinsam.

Diese Priorität unterspielte Salcher in seiner Budgetrede. Dem Parlament malte er ein rot- blau schillerndes Zukunftsbild. „Die Bundesregierung bekennt sich”, so der Kernsatz seiner Budgetrede, „zu einer Budgetpolitik, die Arbeitsplätze schafft und die Wirtschaft stärkt, die soziale Sicherheit garantiert und die Umwelt verbessert. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesregierung zu einer Budgetpolitik, bei der die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen in einem vertretbaren Rahmen bleibt.”

Der erste Teile des Bekenntnisses ist freilich gewagt: Durch das diesem Budget zugrunde liegende Maßnahmenpaket ist ein Anstieg der Arbeitslosenrate auf 5,5 Prozent im kommenden Jahr zu befürchten und die Aussichten fürs Wirtschaftswachstum haben sich von 1,5 auf ein halbes Prozent deutlich verschlechtert. Kurz: Arbeitsplätze werden gefährdet, das Wirtschaftsklima wird frostiger.

Der harte Kern des Budgetentwurfs ist in den schönen Salcher- Worten nur umschrieben: Vorrangiges Ziel der Koalitionsregierung war es, das Budgetdefizit auf dem hohen derzeitigen Niveau zu stabilisieren. Und diesem Ziel wurden alle anderen Erfordernisse untergeordnet.

Vorrangig wählte daher die Regierung den Weg neuer Steuern und Belastungen: Regierungsoffiziell werden dem Budget durch das Maßnahmenpaket 17,5 Milliarden Schilling erschlossen, von gut 39 Milliarden Schilling spricht die Opposition.

Wer hat recht? In den Beilagen zur Budgetrede rechnet Salcher vor, daß die öffentlichen Abgaben 1984 den heurigen Erfolg um 27,2 Milliarden Schilling übertreffen werden. Eine Erwartung, vielsagender als jede Erklärung.

Problematischer Weg

Der arge Schönheitsfehler des Maßnahmenpakets wie des Budgetentwurfes ist die soziale Unausgewogenheit (FURCHE 38/ 1983):Einkommensschwache

Gruppen müssen einen überproportional großen Beitrag zur Stabilisierung des Budgetdefizits leisten.

Trotzdem öffnet sich die Schere zwischen Einnahmen, die gegenüber heuer um 4,9 Prozent höher veranschlagt sind, und Ausgaben, die 1984 um 9,1 Prozent wachsen werden, weiter. Das heißt: Um von einer Stabilisierung zu einer Budgetsanierung zu kommen, müßte ernsthaft der Sparstift auf der Ausgabenseite angesetzt werden oder eine weitere Belastungswelle droht demnächst.

Im Vergleich zu den neuen Opfern sind die Einsparungen im Haushaltsentwurf 1984 dürftig. Hält man sich die im jüngsten Rechnungshofbericht neuerlich kraß auf gezeigte Verschwendungssucht der öffentlichen Hand vor Augen, darf erst recht die Verhältnismäßigkeit angezweifelt werden.

Das Ziel und die Budgetrechnung mag stimmen: Nur der Weg zu diesem Ziel ist problematisch. Trendwende in der Budgetpolitik ist das jedenfalls keine.

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