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Geschönter Budgetplan

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Das Budget ist - wie Staatssekretär Günter Stummvoll zu sagen pflegt - ein Gesamtkunstwerk der Regierung. Man könnte hinzufügen: unter Assistenzdes Parlaments. Oder aber dessen Nicht-Assistenz: was etwa nützt die Vereinbarung im - alten - Regierungsübereinkommen, den Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung zu stabilisieren, wenn dann das Parlament, weil Wahlen vor der Tür stehen, das Budget für 1991 mit einer Erhöhung der Pensionen um fünf Prozent und der Ausgleichszulagen-Richtsätze um 7,6 Prozent vorbelastet?

In allen Einzelheiten zu studieren sein wird dieses Gesamtkunstwerk der Regierung erst nach seiner offiziellen Enthüllung mit der Budgetrede im Nationalrat, aber die groben Umrisse sind bereits zu erkennen, und schon diese zeigen ganz deutlich die Spuren der finanzministeriellen Nachbearbeitung, deren das, was unter den vereinten (Mehrausgabe-)Kräften der Regierungsmitglieder als Gesamtkunstwerk zustandegekommen wäre, bedurft hatte, um in dem wohlweislich bereits vorgegebenen (Def izit-)Rahmen überhaupt untergebracht werden zu können.

Dabei hatten sich die Koalitions-Verhandler ohnehin für 1991 eine Verschnaufpause in der Budgetkonsolidierung vergönnt: Die 2,9 Prozent des BIP, die sich die „alte” Große Koalition für den Voranschlag 1991 zum Ziel gesetzt hatte, wären nach den damaligen bescheidenen Wachstumserwartungen nur auf 53,4 Milliarden Schilling hinausgelaufen. Erreicht das Sozialprodukt heuer die vom WIFO zuletzt prognostizierten 1.937,5 Milliarden Schilling, läge gerade noch eine Neuverschuldung von 56,2 Milliarden auf dem ursprünglichen Konsolidierungskurs. So aber hat das Nachbearbeitungsmandat, das im neuen Koalitionsabkommen dem Finanzminister erteilt wurde, bei „etwa 63 Milliarden” geendet, und die 63,2 Milliarden, die im Voranschlag für 1991 stehen, bedeuten gegenüber den voraussichtlich 62,9 Milliarden im Rechnungsabschluß 1990 optisch sogar eine Verschlechterung.

Leider nicht nur optisch: Wenn im Jahre 1990 die 22,1 Milliarden, um die - konjunkturbedingt - die tatsächlichen Einnahmen höher waren als die gemäß Voranschlag erwarteten, das präliminierte Defizit nur um lächerliche 0,4 Milliarden verringerten, so nicht deshalb, weil der Finanzminister in einem

Wahljahr die Spendierhosen angezogen, sondern weil er mit List und Tücke verhindert hatte, daß seine Regierungskollegen dies tun:

Die 21,7 Milliarden an Mehrausgaben gegenüber dem Voranschlag stehen schätzungsweise gut zur Hälfte nur auf dem Papier, weil sie etwa in diesem Ausmaß aus der Bildung jener Rücklagen bestanden haben, deren Auflösung im Budget für 1991 höhere Einnahmen und damit ein niedrigeres Defizit vortäuscht.

So über den Daumen gepeilt war dank „kameralistischer” Buchungsweise das Defizit 1990 um mindestens zehn Milliarden größer und ist das Defizit 1991 um mindestens zehn Milliarden geringer, als es bei einer Darstellung nach den Regeln für einen ordentlichen Kaufmann wäre, der die Dotierung beziehungsweise Auslösung von Rücklagen nicht mit den laufenden Ausgaben und Einnahmen verquik-ken dürfte.

Dasselbe trifft bei den Veräußerungserlösen für Bundesvermögen zu (die allerdings mit für heuer erwarteten sechs Milliarden kein budgetpolitisches Novumsind), und insbesondere müßte ein ordentlicher Kaufmann in seine Bilanz als Eventualverpflichtungen auch all das einsetzen, was als „außerbud-getäre Finanzierung” von deshalb auch nicht als solche ausgewiesenen Staatsausgaben nur scheinbar das Defizit (und den Schuldenstand) vermindert.

Wieviel sich an solcherart weges-kamotierten, weil an die ASFINAG und so weiter „delegierten” Stra-

ßen-, Bahn- und Hochbauausgaben heuer zusammenläppern werden, ist noch nicht ausdiskutiert; auf einen zweistelligen Milliardenbetrag läuft aber auch diese Art der Nachbearbeitung des Gesamtkunstwerkes der Regierung hinaus. Als Gesamtkunstwerk gilt ja in der Zeit der Postmoderne bald etwas. Biennaleverdächtig (wenn es ein Venedig auch für Staatsbudgets gäbe) ist das Erstlings-Gesamt-kunstwerk der neuen Regierung aber ganz bestimmt nicht...

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