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Aktion Wasserschlag

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Die so außerordentlich erfolgreiche Großfahndung der deutschen Polizei nach den Entführern von Peter Lorenz wurde von den Berlinern bereits „Aktion Wasserschlag“ getauft. Auch in Österreich läuft gegenwärtig eine „Aktion Wasserschlag“. Allerdings geht es nicht um Menschenraub, sondern um die leeren Kassen des Finanzministers.

Um diese kurzfristig aufzufüllen, mußten sämtliche Steuerprüfer ihre laufenden Arbeiten unterbrechen, um in einer Blitzaktion von Firma zu Firma zu eilen und dort im Schnellverfahren die geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen zu überprüfen, da speziell bei dieser Steuer — davon scheint Hannes Androsch überzeugt zu sein — Hinterziehungen im ganz großen Stil begangen worden sind.

Der Anlaß zu dieser Aktion bestand bekanntlich darin, daß in der Staatskasse gegen Jahresende totale Ebbe herrschte und der Finanzminister sich von der Nationalbank Geld borgen mußte, um überhaupt den dringendsten Verpflichtungen nachzukommen. Der Grund dafür? Die Steuereinnahmen entsprachen nicht den Erwartungen. Bereits bis Ende November waren es um 7,39 Milliarden geringer als die Summe, die auf Grund des Voranschlages bis zu diesem Zeitpunkt in der Staatskasse hätte sein müssen. Dem stehen aber gigantische Mehrausgaben gegenüber: „Auf Grund der beiden Budgetüberschreitungsgesetze und der sonstigen Mehrausgaben, denen allerdings auch Einsparungen gegenüberstehen, ist im Vergleich zum Voranschlag mit Ausgabenüberschreitungen von mehr als 9 Milliarden zu rechnen“, schreibt das Institut für Wirtschaftsforschung.

Eine überschlägige Budgetanalyse ergab, daß das größte Einnahmenloch — nämlich 4,47 Milliarden — bei der Mehrwertsteuer zu beobachten sei. Schon hatte der Finanzminister zwei Erklärungen parat. Die erste lautete, der Mehrwertsteuersatz sei gegenüber dem alten Umsatzsteuersatz nicht aufkommenneutral, sondern zu tief angesetzt. Man müsse daher den Satz auf 18 Prozent erhöhen. Leider wurde dem Minister sehr schnell nachgewiesen, daß das Umsatzsteueraufkommen auf Grund der Mehrwertsteuer höher war als es auf Grund der alten Allphasenumsatzsteuer gewesen wäre. Geschröpft wurde genug, nur hat es weniger zu schröpfen gegeben, als sich der Finanzminister erträumt hatte.

Die zweite Erklärung war noch effektvoller. Für die Unternehmer war — wie es Nationalbank-Qeäe-raldirektor Kienzl elegant formulierte — der Anreiz zur Umsatzsteuerhinterziehung bei 16 Prozent „natürlich“ größer, als früher bei 5 Prozent. Welch eine famose Ursache, so richtig geeignet, die Volksseele zum Kochen zu bringen! Die Kapitalisten haben Steuern hinterzogen, den größten Happen bei der Umsatzsteuer, den Rest bei der Einkommen- und der Gewerbesteuer. Sie sind schuld daran, wenn dem armen Finanzminister das Geld ausgeht.

Wir leben gewiß nicht auf dem Mond und wissen sehr wohl, daß in Österreich — wie anderswo — mit mehr oder weniger Geschick und Glück versucht wird, Steuern zu hinterziehen. Aber zu behaupten, daß in einem einzigen Jahr so mir nichts, dir nichts gleich um 7 Milliarden Steuern mehr hinterzogen wurden als bisher, das heißt der Leichtgläubigkeit der Bevölkerung doch ein wenig viel zuzumuten.

Die wahren Gründe für das Steuerloch, speziell das Umsatzsteuerloch, sind erstens die an sich überhöhte Steuerschätzung, weiters der Rückgang der Konjunktur — der von allen Experten vorausgesehen wurde, nur offenbar vom Finanzminister nicht —, die starke Export-lastigkeit der Konjunktur im Vorjahr — im Export wird aber die Umsatzsteuer rückvergütet — und die hohen Lager, die beim Einkauf zwar einen Vorsteuerabzug brachten, für die aber mangels Absatz die nächste Umsatzsteuerphase auf sich warten läßt.

Daß die Steuerfahndung ein Schlag ins Wasser sein wird, zeichnet sich bereits ab, was auf Grund der eingeschlagenen Strategie auch nicht anders zu erwarten war.

Das Schlimme ist, daß sich in diesem Jahr ein noch ärgeres Loch im Budget abzeichnet. Die Vorausschätzungen sind, Experten zufolge, um nichts realistischer als im Vorjahr und das zusätzliche Budgetloch von 1974, das nirgends einkalkuliert wurde, muß mitgeschleppt werden. Wer immer nach den Oktoberwahlen in das Palais in der Himmelpfortgasse einziehen wird — er ist um seinen Job nicht zu beneiden.

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