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Schocktherapie

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Der erste Schock scheint überwunden — es wäre wohl unnatürlich gewesen, wenn die Ankündigung einer allgemeinen Steuererhöhung nicht als Schock gewirkt hätte. Aber vielleicht war diese Ankündigung, besonders in ihrer uberfallsartigen Form, ganz bewußt als Schocktherapie dosiert gewesen, denn ohne solche dürfte es wohl unmöglich sein, aus der allgemeinen Misere von Wirtschaft und Politik heraüszu- kommen.

So kann man sich nun seelisich darauf vorbereiten, im nächsten Jahr weniger auf die Hand ausbezahlt zu bekommen, dafür aber mehr fürs tägliche Bier zahlen zu müssen und das Umsteigen auf den neuen Wagen noch um ein Jahr zu verschieben. Man hat nun Zeit, zu überlegen, wieso es zu dieser Schocktherapie kommen mußte, vielleicht auch, wie man künftig eine Wiederholung vermeiden könnte.

War wirklich nur das Team Klaus-Schmitz schuld, wie es die sozialistischen Boulevardblätter wahrhaben wollen? Wie war es denn im Vorjahr mit der Steuersenkung. Es war wohl Schmitz’ Idee, mit einer allgemeinen Konsumspritze die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen — aber gegen sein Konzept, unter dem scharfen Druck der Gewerkschaften (auch ihrer christlichen Fraktionen), mußte er Umfang und Datum in einer Weise festsetzen, wie sie wirtschaftspolitisch eben nicht mehr vertretbar waren.

Aber die Wurzeln reichen doch noch viel tiefer. Sie münden in der Zeit der Koalition, wo beide Parteien im Werben um die großen Wählerreservotire nur allzuleicht bereit waren, nicht nur die Erträge die Arbeit großzügig nach eigenem Gutdünken zu verteilen, sondern auch noch einen guten Teil der Substanz von dem, was man erst morgen und übermorgen zu erarbeiten erhoffte — vorausgesetzt, daß das Wirtschaftswachstum im damals üblichen großen Umfang weiter anhalten sollte. Daß auch für Österreich die in allen westlichen Staaten ausgebrochene Konjunkturflaute dann sehr bemerkbar wurde, zeigte, auf welch fragwürdigem Grund die Wirtschaftspolitik der Koalition basiert hatte. Um so dringender sind nun durchgreifende Sanierungsmaßnahmen — die wohl wieder nur mit Schocktherapie durchzusetzen sein werden.

Der zehnprozentige Steuerzuschlag hebt also nun wieder ein, was im Vorjahr voreilig verschenkt worden war. Er rührt nicht am Grundsatz dessen, was jene Steuersenkung Richtiges gebracht hatte — die Verschiebung zugunsten der Familienerhalter. Die schon im Februar verordnete Erhöhung der Umsatzsteuer und der Importausgleichsabgaben trifft natürlich gerade jene Familien erneut, die trotz mehrerer Kinder ihren Konsum nicht nur im Bereich des Existenz- minimums zu decken haben und denen im Vorjahr merkbar geholfen worden war — aber dagegen lehne sich auf, wer dem Finanzminister besseren Rat geben könnte!

Die Schocktherapie wird aber nur dann die erhoffte heilsame Wirkung ausüben können, wenn sie wirklich bis auf den Keim des Übels durchdringt — und der dürfte doch wohl in der Leichtfertigkeit gelegen sein, mit der man sich in den vergangenen Jahren auf Automatismen einließ. Es begann nicht erst mit der Pensionsdynamik. Als man diese einführte, errechnete man noch ganz konkret, wieviele -zig Milliarden diese Sicherung des Lebenabends der Alten den Staat in den kommenden Jahren kosten würde.

Bei den Alten wird man auch nicht anfangen können, zu sparen. Ebensowenig bei der Jugend, bei der Ausbildung jener, die morgen besser verdienen müssen, um die dann noch höheren Anforderungen an den Sozialstaat erfüllen zu können. Aber hier muß schon die Forderung erhoben werden, die Verlängerung der Schulzeit wirklich zu einer Verbesserung der Bildung, zu einer höheren Effektivität auszunützen, nicht nur dazu, nun auf neun Jahre zu verteilen, was bisher in acht Jahren geboten werden konnte.

Bei allen anderen Automatiken wird man sich dagegen sehr genau überlegen müssen, ob sie in der nun vorgelegten Rechnung noch „drin“ sind — von der im Vorjahr dem Finanzminister abgerungenen

Gehaltsdynamik der Beamten bis zur Automatik, die eine höhere Milchproduktion sofort mit höheren Subventionen belohnt, von der automatischen Überwälzung gewisser Unkostenerhöhungen auf die Preise bis zur automatischen Koppelung der Politikerentschädigungen mit steigenden Beamtengehältem. (Nur eine Firma kündigte sofort an, daß sie auch eine zehnprozentige Steuererhöhung auffangen könne — die Tabakregie. Aber sie sollte eigentlich ihre Gewinne an den Aktionär Staat abführen. Wozu dann die Erhöhung der Tabaksteuer, wenn diese Erhöhung auf Kosten dieser Gewinnabführung geht?

Die Schocktherapie war notwendig — nur so wird die Regierung durchsetzen können, was seit Jahren überfällig war. Dazu gehört auch die Verwaltungsreform, die sich aber nicht auf eine schematische Einsparung von Schreibtischen beschränken kann, so lange die Gesetzesflut nicht eingedämmt wird, mehr noch, so lange nichts gegen den inneren Bürokratismus unternommen wird. Die Regierung wird es aber auch verstehen müssen, das Volk von der Notwendigkeit dieser Therapie zu überzeugen. Wenn ihr das gelingt, kann sie damit rechnen, daß der Wähler Ja dazu sagt. Er ist reifer, als man es ihm normalerweise zuzutrauen bereit ist.

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