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Soziale Symmetrie?

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Die große Budgetshow im Nationalrat wird programmgemäß abgezogen. Die Regie funktioniert perfekt. Der Finanzminister spendet sich mit vollen Händen Selbstlob, und seine Fraktion unterstützt ihn mit laufenden Debattenbeiträgen. Die Opposition spart nicht mit Kritik, aber die Regierung rechnet fest damit, daß die Bevölkerung — siehe Wahlresultat — ihr mehr Glauben schenken werde als ihren politischen Gegnern.

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Die große Budgetshow im Nationalrat wird programmgemäß abgezogen. Die Regie funktioniert perfekt. Der Finanzminister spendet sich mit vollen Händen Selbstlob, und seine Fraktion unterstützt ihn mit laufenden Debattenbeiträgen. Die Opposition spart nicht mit Kritik, aber die Regierung rechnet fest damit, daß die Bevölkerung — siehe Wahlresultat — ihr mehr Glauben schenken werde als ihren politischen Gegnern.

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Jedem, der einigermaßen Bescheid weiß, ist klar, daß auch 1976 die Einnahmen kleiner als präliminiert und die Ausgaben größer sein werden. Wir werden bereits von Glück reden können, wenn sich das Defizit gegenüber dem Voranschlag nicht verdreifachen wird, wie dies 1975 der Fall ist, sondern nur in geringerem Umfang ausweiten wird. Aber die Österreicher scheinen daran bereits gewöhnt zu sein und sind nicht weiter aus der Ruhe zu bringen.

Ihre Ruhe wird spätestens dann gestört sein, wenn der Finanzminister neue Steuern präsentiert. Denn bei der Mehrwertsteuererhöhung 1976, welche ein paar Milliarden bringen und nur einen Tropfen auf den heißen Stein des Budgetdefizits darstellt, wird es nicht bleiben. Hannes Androsch versprach zwar, es werde 1976 zu keinen weiteren

Steuererhöhungen kommen, ließ sich aber auf alle Fälle eine Hintertüre mit der Bemerkung offen, die er beifügte, dies gelte nur, wenn sich die Büdgetsituation nicht übermäßig verschlechtere. Darüber hinaus erstreckt sich die Absichtserklärung nicht auf Steuern der Gebietskörperschaften und öffentliche Tarife, bei denen uns — nach den bereits bekannten Erhöhungen — noch Überraschungen bevorstehen werden.

Die Atouts des Finanzministers und seiner bei der Auffindung neuer Steuerquellen hilfreichen Regierungskollegen sind zahlreich, aber nicht alle — siehe Staribachers Versuchsballon mit dem „Autobahnpickerl“ — werden stechen. Leichter tut sich der Finanzminister bei der Erhöhung bereits bestehender Steuern, wobei er — wie bereits vorsichtig ventiliert wurde — in erster Linie die Vermögensteuer im Visier hat. Die Vermögenssteuer — bereits ihr Namen besagt dies — gilt als die klassische Reichensteuer, weshalb bei ihrer geplanten Verdoppelung die Regierung den geringsten Unmut der Bevölkerung erwartet. Auch ist sie schon seit eh und je der sozialistischen Steuerdoktrin liebstes Kind, weshalb sie auch bei allen früheren Erhöhungen anderer Steuern gleichzeitig eine solche der Vermögensteuer — der „sozialen Symmetrie“ wegen — gefordert haben.

Auch die ÖVP-Alleinregierung erhöhte 1968 — provisorisch, wie es damals hieß — die Vermögensteuer um 50 Prozent, nicht zuletzt deshalb, um der „sozialen Symmetrie“ Rechnung zu tragen und den Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Unter der Regierung Kreisky wurde das Provisorium längst definitiv.

Nunmehr bestehen Pläne, die Vermögensteuer weiter zu erhöhen, diesmal gleich um 100 Prozent. Demzufolge 'müßten künftig alljährlich 1,5 Prozent des Vermögens an den Fiskus abgeführt werden, was bei nicht oder schlecht rentierenden Vermögen — und dazu gehören zumeist die Vermögen des „kleinen Mannes“ — zu gravierenden Substanzverlusten und allmählich zur kalten Enteignung führen kann. Auf „soziale Symmetrie“ und auf die Fiktion eines Provisoriums wird dabei überhaupt verzichtet.

Aber stimmt überhaupt die soziale Symmetrie, welche sich auch die nichtsozialistischen Parteien einreden ließen und bei jeder Gelegenheit wiederholen?

Wenn man aber bedenkt, daß in Österreich bereits ein „Vermögen“ von 100.000 Schilling besteuert wird — also eine Summe, welche ungefähr dem Monatsgehalt eines Ministers entspricht —, erkennt man, wie wenig heutzutage die Vermögensteuer exklusiv für die Reichen bestimmt ist.

Die Masse der kleinen Sparer — speziell die älteren unter ihnen, darunter die sicherlich nicht mit hohen Einkommen verwöhnten Pensionisten — hat die Freigrenze ::chon überschritten. Sie alle müssen, wenn sie gute Staatsbürger sind und ihre Sparkonten, offen deklarieren, oder wenn sie irgendwo ein Grundstück oder ein Eigenheim erworben haben — deren Einheitswert in der letzten Dekade konstant in die Höhe getrieben wurde und demnächst wieder, wie bereits angekündigt, einen kräftigen Sprung nach oben machen soll — Vermögensteuer zahlen. Desgleichen werden die Landwirte und die kleinen Gewerbetreibenden zur Kasse gebeten, welche angesichts der inflationären Entwicklung auch bei den Investitionsgütern sehr schnell ein Betriebsvermögen von beachtlichem Ausmaß beisammenhaben.

Aber auch die Vermögensbesteuerung der Großbetriebe ist für das breite Publikum nicht unproblematisch. Die Vermögensteuer ist nämlich eine gewinn- und sogar umsatzneutrale Steuer, sie muß unabhängig von der jeweiligen Ertragssituation bezahlt werden. Bei guter Konjunktur wird nun die Vermögensteuer von den Betrieben auf die Preise ihrer Waren überwälzt und fördert damit die Inflation, bei schlechter Konjunktur, wenn sie in die Kalkulation nicht einfließen kann, vermehrt sie als fixe Ausgabenpost die Konkursgefahr und damit die Arbeitslosigkeit.

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